Heuschrecken: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 4. März 2023, 19:14 Uhr

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Die Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) besiedelt feuchte Wiesen und Flachmoore.
Text Verein biodivers
Review Prof. Dr. Peter Detzel, Dr. Axel Hochkirch, Roy Kleukers & Florin Rutschmann
Publikation Juli 2017



Zusammenfassung

Über 100 Heuschreckenarten bereichern unsere Fauna und überraschen uns mit Flug-, Grab- oder Klangkünsten sowie ihrer Farben- und Formenvielfalt. Heuschrecken (Orthopteren) sind wärmeliebende Kulturfolger. Die meisten Arten beherbergt das Grünland, ob trocken oder feucht, gemäht oder beweidet. Einige Arten leben in lichten Wäldern und auf Pionierflächen der Flussauen und Geröllhalden. Viele Heuschreckenarten sind auf eine hohe Strukturvielfalt auf kleinem Raum angewiesen, da ihre durchschnittliche Ausbreitungsdistanz weniger als ein Kilometer beträgt.

Für alle Arten ist die Offenhaltung ihrer Lebensräume zentral. Die Wiederherstellung der natürlichen Dynamiken oder die regelmässige, extensive Bewirtschaftung der besiedelten Flächen ist daher wichtig. Bei der Mahd ist darauf zu achten, ein Mosaik aus Rückzugsstreifen und Flächen mit unterschiedlichen Mahdzeitpunkten zu schaffen. Bei der Begrünung sind eine geringe Distanz zu besiedelten Flächen und eine lückige Ausbringung vorteilhaft. Von den über 100 einheimischen Heuschreckenarten stehen 40% auf der Roten Liste. Insbesondere die Arten der Pionierflächen haben einen erhöhten Förderbedarf.

Systematik

Heuschrecken werden in zwei leicht unterscheidbare Gruppen eingeteilt. Bei den Langfühlerschrecken (Ensifera) sind die Fühler gleich lang oder länger als der Körper und haben mindestens 30 Fühlerglieder, während sie bei den Kurzfühlerschrecken (Caelifera) kürzer als der Körper sind. Die Weibchen der Langfühlerschrecken besitzen meist einen auffälligen Legebohrer, im Gegensatz zu den kurzen Legeröhrenklappen bei den Kurzfühlerschrecken. Nur die Maulwurfsgrille gehört auch ohne lange Fühler und Legebohrer zu den Langfühlerschrecken. Mehr zur Systematik der Heuschrecken auf Wikipedia.

Praxisrelevante Ökologie

Lebensräume

Heuschrecken besiedeln die meisten terrestrischen Lebensräume bis auf 3'100 m ü. M. Sie kommen in extensiven Wiesen und Weiden, Brachen, Weinbergen, Wäldern, Feuchtgebieten, Mooren und Flussauen vor. Heuschrecken können allgemein als wärmeliebende Kulturfolger bezeichnet werden, die in stark vom Menschen geprägten Landschaften leben. So können Kiesgruben und Steinbrüche viele seltene Arten beherbergen, wenn sie offengehalten und extensiv gepflegt werden. Im Siedlungsgebiet finden Heuschrecken eine Vielfalt an Kleinlebensräumen auf Industriebrachen und grossen Güterbahnhöfen, Schotterplätzen und in Ruderalflächen. Für seltene Arten sind Parks, Gärten und Flachdächer als Lebensraum wenig relevant, als Trittsteine können sie aber beim Erreichen neuer Lebensräume helfen.

Heuschrecken Lebensraeuume Gruppen PZ.png
Zu den wichtigsten Lebensräumen für Heuschrecken zählen magere Wiesen, Moorlandschaften, lückige Wälder und Blocksteinhalden.


Da nahezu alle Heuschrecken licht- und wärmeliebend sind, brauchen sie in ihren Lebensräumen Offenflächen bzw. lückige Pflanzenbestände. Die Bindung an das Habitat erfolgt weniger aufgrund bestimmter Pflanzengesellschaften, als aufgrund der benötigten Strukturen und der mikroklimatischen Verhältnisse. Entscheidend sind Dichte und Höhe der Vegetation, sowie Temperatur und Feuchtigkeit. Mosaikartige Lebensräume mit einer Vielfalt an Strukturen sind für eine hohe Heuschreckenvielfalt optimal. So leben an Lebensraum-Übergängen, wie Waldrändern mit Feuchtwiesen oder Hecken entlang von extensiven Wiesen, besonders viele Arten. Für den Erhalt von Offenflächen und Strukturreichtum sind regelmässige Pflegeeinsätze notwendig, wenn natürliche Dynamiken fehlen.

Die Schweizer Heuschreckenarten können bezüglich ihrer Lebensraumbindung in vier Gruppen unterteilt werden (aus: BAFU (2007). Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Heuschrecken)

  1. Grünlandarten in Trockenwiesen und -weiden (43 Arten)
  2. Sumpf- und Feuchtgebietsarten in Flach- und Hochmooren (11 Arten)
  3. Wald- und Waldrandarten sowie Gebüscharten, vor allem in tieferen Lagen (24 Arten)
  4. Pionierarten in Auen, Felsplatten, Geröllhalden oder Karst (25 Arten)

Merkmale und Vermehrung

Heuschrecken sind durch ihre Körperform, ihr Verhalten und ihre Körperfärbung an ihren Lebensraum angepasst und häufig gut getarnt. Die Körperfärbung kann innerhalb einer Art stark variieren und ist daher meist kein spezifisches Unterscheidungsmerkmal. Die Körperfärbung ist nicht immer genetisch festgelegt, sondern kann sich während der Entwicklung verändern und der Färbung der Umgebung anpassen. Adulte Tiere können ihre Farbe dagegen nicht mehr wechseln, aber ggf. noch nachdunkeln.

Heuschrecken durchlaufen eine hemimetabole (unvollkommene) Entwicklung. Nach dem Schlupf sind die sogenannten Nymphen schon als Heuschrecken zu erkennen und werden mit jeder Häutung dem adulten Tier ähnlicher. Grillen brauchen bis zu 12 Häutungen, bis sie ausgewachsen sind, Laubheuschrecken 5 bis 7 und Kurzfühlerschrecken 4 bis 5 Häutungen. Erst nach der letzten Häutung bilden sich die Flügel und Geschlechtsorgane vollständig aus. Die meisten Heuschrecken sind einjährig, ihre Nymphen schlüpfen im Zeitraum von Frühling bis Sommer. Adulte Tiere sind von Sommer bis Herbst zu finden, das Auftreten richtet sich vor allem nach der Höhenstufe und den mikroklimatischen Verhältnissen. Nur Grillen (Gryllidae) und Dornschrecken (Tetrigidae) überwintern in einem der Nymphenstadien oder als adulte Tiere und treten entsprechend früh im Jahr auf.

Die Paarung erfolgt einige Tage bis wenige Wochen nach der letzten Häutung und schon wenige Tage später beginnt die Eiablage. Die Weibchen der meisten Heuschreckenarten legen ihre Eier im Boden oder an der Basis von Gräsern ab. Andere Arten legen ihre Eier in rissige Baumrinde und markhaltige Pflanzenteile oder heften sie an Halme und Blätter. Die Langfühlerschrecken können mit dem Legebohrer ihre Eier tiefer in den Boden legen als die Kurzfühlerschrecken. Bei den meisten heimischen Arten dauert die Entwicklung der Eier bis zum Schlupf vom Herbst bis zum nächsten Frühling, bei einigen auch mehrere Jahre.

Die Feuchte- und Temperatur-Ansprüche der Eier sind bei Heuschrecken entscheidend für die Habitatbindung der Arten. Arten der Feuchthabitate können oft nicht überleben, wenn ihre Eier im Winter nicht genügend feucht sind. Sie brauchen eine Periode der Überflutung. Feldheuschrecken der trockenen Habitate haben eine längere Eientwicklung nach dem Winter und benötigen höhere Bodentemperaturen. Die notwenigen Temperaturen werden erreicht, wenn Sonnenstrahlen offene Bodenstellen erwärmen. Andere Arten, die in höherer, dichterer Vegetation leben, kommen auch mit geringer Sonneneinstrahlung zurecht. So gibt es einige Spezialisten unter den Heuschrecken, mit ganz spezifischen Ansprüchen an ihren Lebensraum. Der Kiesbankgrashüpfer (Chorthippus pullus) lebt in der Schweiz z. B. ausschliesslich auf vegetationsarmen Kiesbänken grosser Alpenflüsse.

Heuschrecken Eiablage Lebensraum-Fluegel.png
Von links nach rechts: Die Laubholz-Säbelschrecke (Barbitistes serricauda) legt ihre Eier in Gehölze mit strukturreicher Borke ab. Der Kiesbankgrashüpfer (Chorthippus pullus) kommt nur entlang der grossen Alpenflüsse vor. Die Gewöhnliche Gebirgsschrecke (Podisma pedestris) kann aufgrund der verkümmerten Flügel nicht fliegen. Das Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima) ist ein Langstreckenflieger unter den Heuschrecken.


Populationsgrössen und Ausbreitung

Die Populationsgrösse kann zwischen den Jahren stark schwanken. Schon ein Kälteeinbruch oder eine längere Regenphase im Frühsommer können zu einem starken Populationsrückgang führen. Einzelbeobachtungen weisen darauf hin, dass auch kleine Populationen mit weniger als 50 Tieren über mehrere Jahre existieren können, wenn die Habitatqualität nicht abnimmt.

Die meisten Heuschreckenarten sind sesshaft und bewegen sich in einem Umkreis von wenigen Metern bis maximal 1 km. Bei vielen Arten sind die Flügel verkümmert (z. B. bei der Gewöhnlichen Gebirgsschrecke Podisma pedestris). Es gibt aber auch einzelne Langstreckenflieger, wie das Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima), das in einem Sommer Distanzen von mehreren Kilometern zurücklegen kann. Hohe Bestandsdichten können die Ausbreitung von sesshaften Arten erhöhen, da bei Dichtestress die Mobilität steigt und makroptere (langflügelige) Tiere auftreten können, deren Flügel deutlich länger sind als üblich. Mit verlängerten Flügeln können auch Arten, die üblicherweise flugunfähig sind, weitere Distanzen überqueren. Ungenügend untersucht ist die Ausbreitung von Eiern und Tieren durch passiven Transport, z. B. durch Fliessgewässer, den Bahnverkehr, durch Verfrachtung mit Mahdgut oder mit Weidetieren. Bei manchen Arten scheint diese Art der Verbreitung jedoch gut zu funktionieren, da immer wieder fernab von bekannten Populationen Einzeltiere oder kleine Initialpopulationen gefunden werden.

Fauna Indicativa

Die Fauna Indicativa ist ein Nachschlagewerk sowie ein Werkzeug für die Auswertung faunistischer Daten. Sie charakterisiert in Tabellenform ökologische Präferenzen und biologische Eigenschaften aller in der Schweiz einheimischen Heuschrecken.

Erhalt und Förderung

Allgemeine Massnahmen

Grünland- und Feuchtgebietsarten

  • Extensive Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden und Verzicht auf schwere Maschinen, insbesondere in Feuchtgebieten
  • Verzicht auf das Ausbringen von Kunstdünger und Bioziden, insbesondere Insektiziden
  • Förderung von Biodiversitätsförderflächen (BFF) mit Qualitätsstufe QII
  • Verzicht auf die Bewässerung von Trockenwiesen und Steppen
  • Eindämmung der Verbuschung und Verbrachung von Trockenwiesen- und weiden
  • Verzicht auf die Entwässerung von Feuchtgebieten und Wiederherstellung des natürlichen Wasserregimes
  • Erhalt von Weiden, da in der Regel mit heterogener Struktur und artenreicher, ausser bei einschüriger Mahd
  • Schutz und Wiederherstellung von Feuchtgebieten
  • Anlage und Pflege von Stillgewässern, insbesondere mit flachen Uferzonen

Wald- und Waldrandarten

  • Aufwertung und Schaffung gestufter Waldränder mit einer Krautschicht
  • Erhalt alter Baumbestände, Biotopbäume und Hecken mir ihren Säumen
  • Auflichtung der Wälder und Böschungen, damit sie gut besonnt sind
  • Extensive Pflege der Weg- und Hangböschungen
  • Standortgerechter Waldbau, Verzicht auf Monokulturen (bspw. Fichten)
  • Umwandlung von Monokulturen in natürliche Wälder mit mehreren Baumarten
  • Verzicht auf den Einsatz von Düngemitteln und Bioziden

Pionierarten an Fliessgewässern

(Übernommen aus: BAFU (2007). Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Heuschrecken)

  • Revitalisierung der Fliessgewässer, bevorzugt von Pionierarten besiedelte Standorten
  • Verzicht auf die Zuschüttung oder Eindämmung von besiedelten Uferflächen
  • Verzicht auf jeglichen Abbau der Sand-, Kies- oder Steinbänke innerhalb, ober- und unterhalb besiedelter Flächen
  • Zulassen von regelmässigen, genügend intensiven Hochwassern, um den natürlichen Abtrag der mit Vegetation bewachsenen Bänke in Auen zu gewährleisten
  • Gewährleisten von periodischen Ablagerungen von Sedimenten an besiedelten Standorten, um die Regeneration von Sedimentbänken in Auen sicherzustellen
  • Revitalisierung möglichst vieler Fliessgewässer, um über die Schaffung von potenziell günstigen Standorten die Wiederbesiedlung von verlassenen Gegenden zu fördern
Mosaik aus Gruenlandtypen - Suedschwarzwald - IMG 7876b.jpg
Der Strukturreichtum dieser Flächen bietet Grünlandarten einen idealen Lebensraum.

Strukturreiche Flächen schaffen und schützen

Für Heuschrecken sind weniger die typischen Kleinstrukturen wichtig wie Ast- oder Steinhaufen, als vielmehr offene Bodenstellen (u. a. für die Eiablage) und Strukturen, die Wärme aufnehmen und speichern, wie felsige Bereiche, Kiesflächen, feuchte Senken und temporäre Tümpel. Neu angelegte Strukturen sollen eine minimale Fläche von 20 m² pro ha haben. Natürliche Offenflächen und strukturreiche Flächen wie Moränen, Felsschutthalden, Kiesflächen und Verlandungszonen von Stillgewässern sind zu schützen und dürfen nicht zugeschüttet oder aufgeforstet werden.

Mahdkonzepte und Abfuhr des Schnittguts

Viele gefährdete Heuschreckenarten sind auf eine extensive Beweidung oder regelmässige Mahd angewiesen, damit die Vegetation nicht zu dicht wird. Der optimale Schnittzeitpunkt ist artabhängig. Für Arten, die ihre Eier im Boden ablegen, ist eine Mahd zwischen Mai und August ungünstig. Für Arten, die ihre Eier an oder in Pflanzen ablegen, ist eine Mahd nach August und vor Mai problematisch. Die Bewirtschaftung kann aber auch schädlich sein. Verluste entstehen v. a. durch Mähaufbereiter und das Schwaden und Abführen des Mahdguts. Zur Verminderung der Verluste bei allen Arten ist bei der Mahd Folgendes zu beachten:

  • Es sollen möglichst wenige Schnitte erfolgen, optimaler Weise nur ein Schnitt pro Jahr
  • Frühmad: nicht ganzflächige durchführen; Spätmahd: nach dem Verblühen der meisten Pflanzen durchführen
  • Am besten ist eine differenzierte Pflege, d. h. ein Mosaik aus Flächen mit unterschiedlichen Mähzeitpunkten und Rückzugsstreifen, die nur alle 2 Jahre gemäht werden
  • Die Schnitthöhe soll mindestens 10 cm betragen
  • Balkenmäher verursachen die niedrigste Schädigungsrate, Scheibenmähern die höchste; am schonendsten ist die Mahd mit der Sense
  • Das Schnittgut soll, damit sich die Tiere verteilen können, zum Trocknen liegen gelassen und stets abgeführt werden
  • Es sollen keine Mähaufbereiter eingesetzt werden

Links

Hintergrundinformationen

Studie zu den ökologischen Ansprüchen und der Verbreitung von Heuschrecken auf Wiesen mit unterschiedlichem Nutzungsgrad.
Das Merkblatt zeigt die Auswirkungen verschiedener Mähtechniken und nachfolgender Ernteschritte auf die Artenvielfalt und gibt Empfehlungen für eine möglichst tierschonende Ernte.

Rotationsbrachen anlegen und Altgrassstreifen stehen lassen

Bei der Anlage von Rotationsbrachen und Altgrasstreifen ist auf das Vorkommen von Heuschreckenpopulation in der näheren Umgebung zu achten, da Heuschrecken oft nur geringe Ausbreitungsdistanzen haben. Als Rückzugsstreifen werden bei jedem Schnitt 10% der Wiese stehen gelassen.

Links

Studie zu den positiven Auswirkungen von Altgrasstreifen als Rückzugsraum bei der Mahd in extensiv genutzten Wiesen.
Studie zur Auswirkung eines Vernetzungsprojektes von ökologischen Ausgleichsflächen (öAF) auf die Verbreitung von 2 Heuschreckenarten. Die Grosse Goldschrecke (Chrysochraon dispar) profitiert von Altgrasstreifen.
Vergleichende Untersuchungen vor und nach der Einführung von Biodiversitätsförderflächen (BFF) zeigt deren Wichtigkeit für Heuschrecken auf.
Heuschrecken Buntbrache Altgrassstreifen AK.png
Links und Mitte: Die Gemeine Sichelschrecke (Phaneroptera falcata) und die Langflüglige Schwertschrecke (Conocephalus fuscus) schätzen die hohe Vegetation von Buntbrachen.
Rechts: Die Grosse Goldschrecke (Chrysochraon dispar) profitiert von Altgrasstreifen.

Beweidung

Für die Beweidung sollen möglichst traditionelle Rassen, bzw. leichte Tiere eingesetzt werden. Generell scheint Schaf-Hütehaltung besonders günstig für Heuschrecken zu sein. Die Viehdichte darf nicht zu hoch sein; der jährliche Besatz sollte 150 Grossvieheinheiten¹ pro Hektare (GVE/ha) nicht überschreiten. Es empfiehlt sich, eine Beweidung in Koppeln zu führen, womit ein ähnlicher Effekt erzielt wird wie mit einer Rotationsmahd.
1Die Beweidungsintensität ergibt sich aus dem Produkt von Besatzstärke in Grossvieheinheiten pro Hektare mal Anzahl Bestossungstagen (GVE/ha * dd). Je nach Grösse und Alter der Tiere ändert sich der Wert, der sich mit dem GVE-Rechner des Bundesamtes für Landwirtschaft genau ermitteln lässt.

Links

Pro Natura lanciert Projekte mit verschiedenen Weidetierarten, um die Trockenstandorte in den Alpen nachhaltig zu sichern, unter anderem zur Förderung der Heuschrecken. Die unterschiedlichen Projekte und die Ergebnisse der Erfolgskontrollen sind im Leitfaden für die Aufwertung von brachliegenden Trockenstandorten durch Beweidung (2016) zusammengefasst.

Direktbegrünung und Mahdgutübertragung

Direktbegrünung und Mahdgutübertragung sind einer Ansaat vorzuziehen, da zusammen mit dem Pflanzenmaterial oder den Samen Insekten und Eier übertragen werden können. Dies ist insbesondere wichtig für Arten mit einem geringem Ausbreitungspotenzial. Das Saat- und Mahdgut sollte von Spenderflächen aus der nahen Umgebung stammen, also autochthon sein, um die regionale genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Für eine erfolgreiche Besiedlung sollen Empfängerflächen in maximal 1 km Distanz, besser nur 500 m, zu bereits besiedelten Flächen angelegt werden. Bei der Begrünung können kleine Bodenstelle langfristig offengehalten werden, indem Steine oder Feinsediment als Substrat eingebracht wird.

Hintergrundinformation

Allgemeine Informationen

Heuschrecken Gewaesser PZ.png
Die Ufer von Fliess- und Stillgewässern sind wichtige Verbreitungskorridore und sollen alternierend bewirtschaftet werden.

Feuchtgebiete und Trockenstandorte

Ruderalstandorte und Säume entlang von Feuchtgebieten pflegen

Zahlreiche Arten legen ihre Eier in Stängel von Pflanzen im Uferbereich von Still- und Fliessgewässern. Die Uferbereiche sind wichtige Verbreitungskorridore für die Tiere. Daher ist die extensive Pflege von Feuchtgebieten und Gräben das ganze Jahr über wichtig:

  • Mahd an den Ufern alternierend, an einem Ufer die Vegetation immer für ca. 1-2 Jahre stehen lassen
  • Säume am selben Ufer gestaffelt mähen und das Schnittgut abführen
  • Flächen nicht mulchen
  • Ruderalstandorte immer wieder abschnittweise stören durch extensive Beweidung oder Mahd, um die Verbuschung zu verhindern und strukturreiche Flächen zu schaffen
  • Invasive Pflanzen zurückdrängen, insbesondere Flügelknöterich (Fallopia) und Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)

Entbuschung von Trockenstandorten

Der Baum- und Strauchbewuchs soll bei grossen Standorten maximal 25% betragen, bei kleineren 10% oder weniger. Für die langfristige Offenhaltung der Trockenwiesen- und weiden eignen sich extensive Beweidung oder Mahd. Massnahmen zur Aufwertung von Trockenstandorten werden zu einem späteren Zeitpunkt bearbeitet.

Im Siedlungsgebiet

Schotter- und Brachflächen extensiv pflegen

Im Randbereich vom Siedlungsgebiet und auf Firmengeländen kann eine reiche Heuschreckenfauna entstehen, wenn grössere Offenflächen vorhanden sind. Dies können z. B. Schotter- und Industriebrachen sein, die einen lockeren Pflanzenbewuchs aufweisen. Diese Flächen sollen extensiv bewirtschaftet werden (siehe: Mahdkonzepte). Der Strukturreichtum kann gefördert werden, indem die Pflege nur abschnittweise erfolgt und zusätzliche Kleinstrukturen angelegt werden.

Begrünung und Pflege von Flachdächern

Flachdächer können einigen Heuschreckenarten, z. B. der Blauflügeligen Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) oder der Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) als Trittstein dienen. Dauerhafte Ansiedlungen von Populationen wurden bisher noch nicht beobachtet. Bei der Anlage der Dächer ist Folgendes wichtig:

  • Nur einheimische Pflanzen und Saatgut verwenden
  • Offene Stellen belassen und regelmässig neue Offenflächen durch Abtragung des Oberbodens schaffen
  • Sand, Kies und Steine in unterschiedlichen Korngrössen verwenden
  • Pflanzen extensiv und abschnittsweise pflegen
  • Strukturreichtum durch Kieshaufen, Holz, etc. sicherstellen

Links

Diese Studie belegt das Vorkommen der Rote-Liste Art auf Flachdächern in Zürich. Die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) wurde in vorherigen Untersuchungen machgewiesen, die hier zitiert werden.

Allgemeine Informationen

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Der Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und der Blauflügeligen Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) können Flachdächer als Trittsteine in neue Lebensräume dienen.

Wildblumenwiesen und Trockenflächen anlegen und pflegen

In Parks und Gärten können auch anspruchsvollere Heuschreckenarten vorkommen, wenn Folgendes beachtet wird:

  • Nur einheimisches Saatgut verwenden
  • Lückig säen und nicht düngen
  • Offene Bodenflächen belassen
  • Maximal 2-mal pro Jahr mit Balkenmäher oder Sense und abschnittsweise mähen
  • Brachflächen, Altgrassstreifen und Säume um Gebüsche und Gehölze von 5-10m abschnittsweise pflegen, um eine Zunahme der Verbuschung zu verhindern
  • Mahdgut abführen

Allgemeine Informationen

Sekundäre Pionierstandorte anlegen und pflegen

Vom Menschen geschaffene Pionierstandorte sind für Heuschrecken wertvolle Sekundärhabitate geworden, da vielerorts die ursprünglichen Lebensräume (z. B. See- und Flussauen, Brandflächen, etc.) verschwunden sind. Der Erhalt der Pionierstandorte bedarf regelmässiger Pflegeeinsätze zur Verhinderung von Verfilzung und Verbuschung. Heuschrecken finden wertvolle Pionierflächen:

  • In Steinbrüchen und Kiesgruben
  • In Weinbergen
  • In Sand-, Lehmgruben und Mergelgruben
  • An Bahnhöfen und Gleisen
  • Auf Industriebrachen

Wiederansiedlung von Tieren

Die Wiederansiedelung von ehemals vorkommenden Heuschrecken kann nur eine letzte Alternative im Naturschutz sein, da primär immer der Schutz der vorhandenen Populationen im Fokus steht und die Wiederansiedlung sehr aufwändig ist. Für eine erfolgreiche Wiederansiedlung ist es notwendig, eine sorgfältige Ansiedlungs-Strategie zu erarbeiten und die Richtlinien der IUCN zur Wiederansiedlung strikt zu befolgen. Die Wiederansiedlung von Heuschrecken ist bewilligungspflichtig und soll Spezialisten überlassen werden, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen wird.


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Die Westliche Sattelschrecke (Ephippiger diurnus) besiedelt trockene und lückige Wiesen und Waldränder. Sie gehört zu den stark gefährdeten Arten.

Artenschutz

Viele Heuschreckenarten brauchen aufgrund ihrer Ansprüche an den Lebensraum ganz spezifische Fördermassnahmen. Die Priorisierung der gefährdeten Arten gemäss ihrem Förderbedarf kann der Liste der National Prioritären Arten (2011) entnommen werden. Eine wichtige Grundlage für die Förderung sind auch die in der Fauna Indicativa zusammengestellten Präferenzen und Eigenschaften der einzelnen Arten.

Es gibt nur wenige Praxisinformationen zum spezifischen Artenschutz von Heuschrecken. In der Schweiz wurde bisher nur für die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) eine Zusammenfassung zur Best Practice der Artenförderung und vom Kanton Zürich ein Aktionsplan erstellt.

In den Nachbarländern wurden folgenden Publikationen zu Fördermassnahmen erstellt:

Deutschland

Österreich

Niederlande

Gefährdung

Von den 105 für die Rote Liste 2007 untersuchten Heuschreckenarten sind fast 40% bedroht. Am stärksten gefährdet sind die Pionierarten entlang von Gewässern sowie die Arten der Flach- und Hochmoore. Die Erhaltung der letzten Populationen dieser Arten ist daher von grosser Bedeutung. Die grössten Gefährdungsursachen für alle Heuschreckenarten sind:

  • Verlust und Fragmentierung des Lebensraums durch Veränderung der Landnutzung, z. B. durch Umwandlung von Grünland in Äcker, Urbanisierung oder Industrialisierung
  • Intensivierung der Nutzung, insbesondere der Einsatz von Mähmaschinen und Mähaufbereitern, sowie Düngung und Erhöhung der Anzahl Schnitte pro Jahr, sowie höhere Viehdichten auf kleinerem Raum
  • Mangelnde (natürliche) Prozesse zur Offenhaltung der Landschaft und von Bodenstellen, Homogenisierung der Landschaft
  • Verdichtung der Vegetation durch Eutrophierung
  • Einsatz von Insektiziden

Weitere Gefährdungsursachen in Bezug auf die Lebensraumbindung sind:

  • Grünlandarten: Intensive Beweidung oder häufige Mahd, Verbuschung oder Verkrautung durch Verbrachung, Verarmung der Pflanzenvielfalt, Düngung von Wiesen und Weiden
  • Feuchtgebietsarten: Veränderungen im Gewässerhaushalt von Feuchtgebieten, intensivere landwirtschaftliche Nutzung von Feuchtwiesen
  • Wald- und Waldrandarten: Fehlende Stufenstruktur des Waldrandes (Strauch- und Krautschicht), Entfernung von Hecken, Kleinstrukturen und Felsen, Intensivierung der Forstwirtschaft, Einsatz von Bioziden, Anbau von Monokulturen, touristische Nutzung (insbesondere mit Ski & Mountainbike)
  • Pionierarten: Verbauungen der Fliessgewässer und Eingriffe in den Geschiebehaushalt, Veränderungen des Gewässerhaushaltes und der Gewässerdynamik, Verbuschung und Verkrautung der Offenflächen

Wissenslücken

Die Wissenslücken sind nicht abschliessend und fokussieren besonders auf die Förderung.

  • Erfolgreiche Förderung seltener Arten
  • Minimale überlebensfähige Populationsgrössen
  • Vernetzung von Heuschreckenpopulationen unterschiedlicher Arten und Artenzusammensetzungen
  • Habitatspezifische Auswirkungen der Grünlandnutzung: lässt sich das auf Trockenrasen gewonnene Wissen bspw. auf Feuchtwiesen übertragen?
  • Barrierewirkung mehrspuriger Strassen (Autobahnen)
  • Auswirkungen vom Klimawandel, insbesondere langer Dürreperioden oder Starkregen

Praxisbeispiele

Für Heuschrecken haben wir nur ein Praxisbeispiel gefunden, welches die durchgeführten Massnahmen ausführlich beschreibt und eine Erfolgsuntersuchung beinhaltet. Daher freuen wir uns über Ihre Vorschläge per Email.

Für den Kiesbankgrashüpfer wurde im Pfynwald ein Migrationskorridor errichtet und die anschliessende Nutzung beobachtet.

Allgemeine Links

Glossar und weitere spannende Links

Literaturempfehlungen

  • Detzel, P. (1998). Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Stuttgart Hohenheim, Ulmer.
Bisher immer noch das beste Buch zur praxisnahen Ökologie und Massnahmen zur Förderung von Heuschrecken. Die Aufwertungs-Massnahmen sind an einzelne Arten und Lebensräume angepasst. Als genereller Leitfaden sind sie sehr gut, umsetzungsorientierte Anleitungen fehlen. Alles in allem ein gutes Buch für den Anfang, eine Weiterentwicklung ist aber dringend notwendig.
  • Ingrisch, S. & Köhler, G. (1998). Die Heuschrecken Mitteleuropas. Vol. Bd. 629. Magdeburg, Westarp Wissenschaften.
Sehr ausführliches und allgemeines Buch zur Biologie, Populationsdynamiken und Lebensräumen der Heuschrecken, weniger zur Biotopaufwertung und zu Fördermassnahmen. Trotz dem Alter immer noch lesenswert und informativ.
  • Schlumprecht, H. & Waeber, G. (2003). Heuschrecken in Bayern. Stuttgart Hohenheim. Ulmer.
Sehr ausführlicher Bestimmungs-Atlas mit vielen Informationen zur Lebensweise und den Lebensräumen der einzelnen Arten. Zu Gefährdung und Schutz gibt es Beispiele aus dem bayrischen Raum und Ratschläge zur Aufwertung für jede Art.
  • Maas, S., Detzel, P. & Staudt, A. (2002). Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands  - Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Bonn-Bad Godesberg, Bundesamt für Naturschutz.
Ausführlicher Atlas zu den Heuschreckenarten in Deutschland mit Gefährdungsanalysen und Informationen zu Habitaten, Biologie und Verbreitung der einzelnen Arten. Die Angaben zur Aufwertung von Lebensräumen sind kurz gehalten.
In der Zeitschrift der DGFO erscheinen regelmässig Artikel zur Förderung von Heuschrecken, ältere Artikel können als PDF heruntergeladen werden.

Bestimmungsbücher

  • Baur, B., Bauer, H., Rösti, C., & Rösti, D. (2006). Die Heuschrecken der Schweiz. Bern, Haupt Verlag.
Intuitiver Bestimmungsschlüssel für die Schweizer Heuschreckenarten mit sehr schönen Detail-Zeichnungen. Enthält Verbreitungskarten und Erklärungen zu den wichtigsten Merkmalen.
  • Fischer, J., Steinlechner, D., Zehm, A., Poniatowski, D., et al., Hrsg. Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (2016). Die Heuschrecken Deutschlands und Nordtirols: Bestimmen - Beobachten - Schützen. Wiebelsheim Hunsrück, Quelle & Meyer.
Dieses Buch sticht positiv heraus. Es enthält Detailfotos der Bestimmungsmerkmale der Adultiere und Nymphen, eine Darstellung der Hauptaktivitätszeit aller Arten im Jahresverlauf und vieles mehr.
  • Weitere nationale und internationale Bestimmungsbücher sind auf Orthoptera.ch aufgeführt.

Autoren

Text Verein biodivers info@biodivers.ch
Review Prof. Dr. Peter Detzel Gruppe für ökologische Gutachten
Dr. Axel Hochkirch Universität Trier
Roy Kleukers Naturalis Biodiversity Center
Florin Rutschmann Pro Natura Aargau