Libellen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Biodivers
Wechseln zu: Navigation, Suche
Zeile 137: Zeile 137:
 
{{Fotos-links-800px
 
{{Fotos-links-800px
 
| bilddatei = galerie grafik Lpecotoralis DL.png
 
| bilddatei = galerie grafik Lpecotoralis DL.png
| text = Schlupferfolg der Grossen Moosjunger (''Leucorrhinia pectoralis'') in zwei Torstichen <!-- (oben Gewässer Nr. 4, unten Gewässer Nr. 7d) --> in der Drumlinlandschaft Zürcher Oberland (unveröffentlichte Daten von H. Wildermuth)<br />  
+
| text = Schlupferfolg der Grossen Moosjunfger (''Leucorrhinia pectoralis'') in zwei Torfstichen <!-- (oben Gewässer Nr. 4, unten Gewässer Nr. 7d) --> in der Drumlinlandschaft Zürcher Oberland (unveröffentlichte Daten von H. Wildermuth)<br />  
 
[[Media:Grafik L.pect.Gew- 4-Exu 1984-2008 hw.pdf|Grafik links vergrössern]] [[Media:Grafik L.pect.Gew. 7d-Exu 1984-2008 hw.pdf|Grafik rechts vergrössern]]
 
[[Media:Grafik L.pect.Gew- 4-Exu 1984-2008 hw.pdf|Grafik links vergrössern]] [[Media:Grafik L.pect.Gew. 7d-Exu 1984-2008 hw.pdf|Grafik rechts vergrössern]]
 
}}
 
}}

Version vom 18. April 2018, 07:18 Uhr

60 Leucorrhinia pectoralis m H.Wildermuth 96 dpi.JPG
Die Grosse Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) ist ein seltener Bewohner von Torfstichen in Mooren
Text Hansruedi Wildermuth & Verein biodivers
Review Daniela Keller, Daniel Küry & Christian Monnerat
Publikation April 2018


Zusammenfassung

In der Schweiz sind 80 Arten von Libellen (Odonata) nachgewiesen. Die Entwicklung im Ei und die der Larven im Wasser sowie das Leben der adulten Libellen an Land bedingt unterschiedliche, untereinander vernetzte Lebensräume. Die Larven aller Arten sind grundsätzlich auf Süsswasser angewiesen. Ihre Entwicklungszeit ist artspezifisch und dauert wenige Wochen bis mehrere Jahre. Die Umwandlung vom Wassertier zum geflügelten Landlebewesen ist ein besonders heikler Zeitpunkt im Lebenszyklus der Libellen; während des Schlupfs aus der Larvenhaut sind sie Störungen und Feinden schutzlos ausgeliefert. Die flugtüchtigen Grosslibellen sind hochmobil, die zierlichen Kleinlibellen weniger – sie werden umso leichter durch Wind verdriftet. Libellen fördern bedeutet, ihre Lebensräume wie Quellen, Fliess- und Stehgewässer und auch die Landlebensräume zu schützen, zu fördern und aufzuwerten. Die Gewässer sollen in der Regel nährstoffarm, gut besonnt und strukturreich sein, die Landlebensräume müssen genügend Insekten-Nahrung zur Verfügung stellen wie auch Schutz für Reifung und Ruhe bieten. Kleinere Stillgewässer brauchen regelmässig Unterhalt, sollen sie für Libellen attraktiv bleiben. Fische sind die wichtigsten Feinde der Libellen. Von den 80 Arten haben 29 nationale Förderpriorität, für 26 Arten/Unterarten liegen Artenschutzblätter vor. Eine unverzichtbare Grundlage für alle Libellenkundler ist die Broschüre «Libellen schützen, Libellen fördern». Grundsätzliches zur Biologie der Libellen findet sich im Buch «Die Libellen Europas».

galerie1 zusammenfassung hw 96 dpi.png
Gebänderte Heidelibelle (Sympetrum pedemontanum, links) als Beispiel einer Grosslibelle und die Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens, rechts) stellvertretend für die Kleinlibellen.

Systematik und Vorkommen in der Schweiz

Zur Ordnung der Libellen (Odonata) zählen weltweit über 6000 Arten. In Europa, zwischen dem Ural und den Azoren, kommen 140 Arten vor, in Mitteleuropa sind es etwa 85 Arten. Hier unterscheidet man zwei Unterordnungen: die Kleinlibellen (Zygoptera) und die Grosslibellen (Anisoptera). Die 80 in der Schweiz nachgewiesenen Arten verteilen sich auf vier Kleinlibellen- und fünf Grosslibellen-Familien:
▪ Teichjungfern (Lestidae): 8 Arten
▪ Prachtlibellen (Calopterygidae): 2 Arten und 2 Unterarten
▪ Federlibellen (Platycnemididae): 1 Art
▪ Schlanklibellen (Coenagrionidae): 16 Arten
▪ Mosaikjungfern (Aeshnidae): 13 Arten
▪ Flussjungfern (Gomphidae): 7 Arten und 1 Unterart
▪ Quelljungfern (Cordulegastridae): 2 Arten
▪ Falkenlibellen (Corduliidae): 7 Arten
▪ Segellibellen (Libellulidae): 22 Arten

Bei der Verbreitung der Libellen in der Schweiz lassen sich verschiedene Muster unterscheiden:
▪ Arten mit schweizweitem Verbreitungsgebiet und Vorkommen in allen sechs biogeografischen Regionen. Beispiel: Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea)
▪ Arten mit Vorkommen im Mittelland und Jura, auf der Alpensüdseite und in den Alpentälern jedoch fehlend. Beispiele: Kleine Binsenjungfer (Lestes virens), Früher Schilfjäger (Brachytron pratense)
▪ Arten, die nur auf der Alpensüdseite vorkommen. Beispiele: Gekielter Flussfalke (Oxygastra curtisii), Unterart der Kleinen Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus unguiculatus)
▪ Arten am Rand ihres Verbreitungsgebietes mit reliktischem bzw. lückenhaftem, Vorkommen. Beispiele: Zwerglibelle (Nehalennia speciosa), Westliche Geisterlibelle (Boyeria irene)
▪ Arten mit boreo-alpiner Verbreitung. Beispiele: Alpen-Mosaikjungfer (Aeshna caerulea), Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris)

Im Buch „Odonata – die Libellen der Schweiz“ werden alle Arten und Unterarten im Porträt vorgestellt.

Ein Grossteil der europäischen Libellen ist weit verbreitet. Nur wenige Arten sind endemisch und haben ein sehr beschränktes Areal, wie z.B. der Europäische Flussherrscher (Macromia splendens) in Südwest-Europa oder die Thrakische Smaragdlibelle (Somatochlora borisi) in Südost-Europa. Endemische Arten gibt es In der Schweiz keine.

galerie1b systematik hw 96 dpi.png
Die Südliche Mosaikjungfer (Aeshna affinis, links) braucht zur Fortpflanzung temporäre Gewässer. Die Alpen Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris, rechts) ist eine Art mit boreo-alpiner Verbreitung.

Praxisrelevante Ökologie

Biologie

14 Anax imperator mit S.striolatum w aus Tandem in Luft gefangen.14.9.2016.H.Wildermuth.P9141866 96 dpi.jpg
Grosse Königslibelle (Anax imperator) beim Verzehr eines erbeuteten Weibchens der Grossen Heidelibelle (Sympetrum striolatum).

Das Grundsätzliche zur Biologie (inkl. Ökologie, Entwicklung, Evolution, Systematik etc.) ist im Einführungskapitel zu ‘Die Libellen Europas’ zusammengefasst. Kleinlibellen (Zygoptera) und Grosslibellen (Anisoptera) unterscheiden sich im Körperbau, nicht aber grundsätzlich in ihrem Lebenszyklus und in ihrer Lebensweise.

Entwicklungszyklus – Wechsel zwischen zwei Welten

Das Libellenleben beginnt mit dem Ei. Die Larve durchlebt je nach Art 8 bis 17 Stadien. Im letzten Larvenstadium erfolgt die Umwandlung zum geflügelten Insekt, die Metamorphose. Zum Schlupf (Emergenz) des ausgewachsenen Insekts verlässt die Larve das Wasser und verankert sich an Land an einer festen Unterlage. Die Reifungsphase, das ist die Zeit vom Schlupf bis zur Geschlechtsreife, verbringt die Libelle oft weit vom Larvengewässer entfernt. Die Reifungszeit dauert je nach Art wenige Tage bis mehrere Wochen. Das adulte, geschlechtsreife Tier kehrt zur Paarung und Eiablage ans Gewässer zurück. Das Leben der Larven ist auf Wachstum ausgelegt. Am wichtigsten ist die Nahrungsaufnahme. Bei den erwachsenen Libellen stehen hingegen Fortpflanzung und die Ausbreitung im Vordergrund. Libellen leben räuberisch und erbeuten, was sie bewältigen können – sie sind Nahrungs-Opportunisten. Die Larven fangen kleine Wassertiere, indem sie ihre eigenartige, zangenbewehrte Fangmaske blitzschnell ausschleudern. Die Imagines brauchen für das Fliegen viele Energie und die Weibchen benötigen Eiweiss für die Entwicklung der Eier, weshalb auch die erwachsenen Libellen auf eine regelmässige Nahrungsaufnahme angewiesen sind. Sie jagen Mücken, Fliegen und andere Fluginsekten, selbst auch andere Libellen.

galerie2 lebenszyklus hw.png
Entwicklungszyklus der Libellen

Der Lebenszyklus der Libellen spielt sich in zwei Welten ab: Das Wasser ist Entwicklungsort für Ei und Larve sowie Jagdraum und Versteck vor Feinden. Der Lebensraum an Land ist Reifungshabitat, Ruheplatz und Jagdgebiet für die Imagines, für ganz wenige Arten auch Überwinterungsort, allgemein aber wenig artspezifisch. Schlupf, Rendezvous der Geschlechter, Paarung und Eiablage finden oft im Grenzraum zwischen Wasser und Land statt. Grenzraum und Wasserlebensraum sind für viele Libellenarten spezifisch, d. h. sie entwickeln sich nur in bestimmten Gewässertypen, z.B. in Quellabflüssen oder Moorgewässern. Libellen überwintern je nach Art im Ei- oder Larvenstadium. Nur gerade zwei einheimische Arten (Winterlibellen Sympecma spp.) verbringen den Winter im Imaginalstadium.
Ei: Das Ei-Stadium dauert wenige Wochen bis mehrere Monate. Die Eier einiger Arten überdauern bis zum Schlupf der Larven im Trockenen. Die Eiablage erfolgt auf unterschiedliche Art: durch Einstechen in Wasser- oder Uferpflanzen (endophytisch) oder durch Abstreifen auf der Wasseroberfläche oder auf Algenwatten sowie durch Abwerfen auf trockenen Boden (exophytisch). Quelljungfern stechen ihre Eier aus dem Schwirrflug in nassen Schlamm oder Sand kleiner Fliessgewässer. Ein Libellenweibchen produziert einige Hundert bis mehrere Tausend Eier; diese werden erst bei der Ablage besamt.
Larve: Das Larvenstadium ist der längste Lebensabschnitt einer Libelle, Ausnahmen machen u.a. die Winterlibellen (Sympecma spp.). Die Larvenzeit dauert je nach Art wenige Wochen bis fünf oder sechs Jahre. Nur wenige Arten ertragen eine vorübergehende Austrocknung des Gewässers (z.B. Plattbauch Libellula depressa). Besonders empfindlich auf das Trockenfallen ihrer Gewässer reagieren die zarten Larven der Kleinlibellen.

9 Ausschleudern Fangmaske Grosslibelle. Zeichnung HW aus einer Publikation 96 dpi.jpg
Grosslibellenlarve beim Ausschleudern der Fangmaske oben: Seitenansicht, untere Reihe: Ansicht von unten. 1 Fangmaske eingezogen, 2 Maske halb ausgeschleudert, 3 Maske ganz ausgeschleudert.
galerie3 larven hw 96 dpi.png
Kleinlibellenlarve (Blauflügel-Prachtlibelle, Calopteryx virgo, links), Grosslibellenlarve (Westliche Geisterlibelle, Boyeria irene, rechts).
galerie4 schlupf hw 96 dpi.png
Schlupf einer Grosslibelle (Grosse Moosjungfer, Leucorrhinia pectoralis).
galerie5 exuvien hw 96 dpi.png
Exuvie einer Grosslibelle (Torf-Mosaikjungfer, Aeshna juncea, links) und einer Kleinlibelle (Gemeine Binsenjungfer, Lestes sponsa, rechts). Die gefaltete Fangmaske ist auf der Kopfunterseite erkennbar.

Imago: Der Schlupf der Imago aus der Larvenhaut ist ein heikler Augenblick im Leben der Libellen, da sie in dieser Zeit Feinden und Wetterlaunen wehrlos ausgeliefert sind. Das Ausschlüpfen aus der Larvenhaut, der Exuvie, dauert je nach Art eine halbe bis mehrere Stunden und findet im Grenzbereich zwischen Wasser und Land statt. Die ausgewachsenen Tiere, die Imagines, benötigen geeignete Landlebensräume, wo sie jagen, ruhen und reifen können. Zur Paarung und Eiablage finden sie sich am Wasser ein.

galerie6 eiablage hw 96 dpi.png
Endophytische (Hufeisen-Azurjungfer, Coenagrion puella, links) und exophytische (Spitzenfleck, Libellula fulva, rechts) Eiablage.

Arten mit einjähriger Entwicklung werden als univoltin bezeichnet, jene mit zweijähriger als semivoltin und solche mit mehrjähriger als partivoltin. Arten, die jährlich zwei Generationen hervorbringen, sind bivoltin. Man unterscheidet je nach Schlupftermin zwischen Frühjahrsarten (Schlupf ab Ende April und Mai, kurze Schlupfperiode) und Sommerarten (Schlupf ab Juni bis Mitte August, ausgedehnte Schlupfperiode). In der Fauna Indicativa sind für die einzelnen Arten biologische Parameter zusammengestellt. Für den Schutz und die Förderung von Arten ist es zum Beispiel wichtig zu wissen, von wann die Larvalzeit beginnt und aufhört oder ob die Eier trockenresistent sind. Die Flugzeitendiagramme aller Arten wurden aus den CSCF-Daten neu generiert. Die Texte beruhen auf «Odonata – die Libellen der Schweiz» und dem «Libellen Europas».

Eine besondere und wichtige Rolle für Faunistik und Erfolgskontrollen spielen die Exuvien, die Larvenhäute, welche nach dem Schlupf zurückbleiben. Sie lassen sich bis zur Art bestimmen und sind der sichere Nachweis für die erfolgreiche Entwicklung einer Libelle am Fundort.

Ökologie

19 Kalikokrebs (Oronyctes immunis) Foto Karsten Grabow 96 dpi.jpg
Der eingeschleppte, sich rasch vermehrende und ausbreitende invasive Kalikokrebs (Orconectes immunis) trübt das Wasser und kann in einem Weiher oder Teich – auch in Mooren – die Kleintierfauna völlig auslöschen. Er kommt momentan in der Schweiz noch nicht vor, bereitet aber bereits in der Oberrheinischen Tiefebene Probleme.

Nach ökologischen Kriterien lassen sich euryöke und stenöke Libellenarten unterscheiden. Euryöke Arten können sich in unterschiedlichen Gewässern entwickeln (z.B. Hufeisen-Azurjungfer Coenagrion puella), stenöke Arten sind hingegen an nur einen oder wenige Gewässertypen gebunden (z.B. Helm-Azurjungfer Coenagrion mercuriale).
Pionierarten (r-Strategen) sind hochmobil, besiedeln neu entstandene oder frisch geschaffene Gewässer schon nach kurzer Zeit und haben zahlreiche Nachkommen (z.B. Plattbauch, Libellula depressa). Später werden sie von anderen Arten abgelöst. „Nachfolgearten“ (K-Strategen) stellen sich erst ein, wenn ein Gewässer „reifer“ ist, d.h. sich mit seiner Vegetation weiterentwickelt hat. K-Strategen bilden eher dauerhafte Bestände und haben verhältnismässig wenig Nachkommen (z.B. Spitzenfleck, Libellula fulva).
Man unterscheidet bei den Grosslibellen zwischen Dauerfliegern (patrouillieren meist und setzen sich nur selten) und Ansitz-Typen (jagen und überwachen ihr Revier von einer Sitzwarte aus).
Libellen – insbesondere Grosslibellen – sind zur aktiven Thermoregulation fähig. Sie wärmen ihren Körper durch Sonnen oder Muskelzittern auf. Bei Hitze fliegen sie an beschatteten Stellen oder sitzen völlig inaktiv im Schatten.
Die wichtigsten Feinde der Larven sind Fische, selten auch bestimmte Wasservögel, zudem grössere Libellenlarven. Schlüpfende und frisch geschlüpfte Libellen fallen vor allem Singvögeln zum Opfer. Adulte Kleinlibellen sind ebenfalls eine begehrte Beute von Vögeln, während Grosslibellen für die meisten Vögel zu schnell und zu wendig sind. Zu den Fressfeinden zählen auch Spinnen, Ameisen und Frösche. Eingeschleppte Krebse können gefährliche Feinde der Libellen sein. Den Einfluss invasiver Krebse auf die Libellenfauna zeigt der Artikel «Invasive Krebse und ihre Wirkungen auf Libellen» (Ott, 2018).

galerie7 oekologie hw 96 dpi.png
Die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale, links) ist eine stenöke Art, während der Plattbauch (Libellula depressa, rechts) ein typischer r-Stratege ist.

Koexistenz mit Fischen

20 Lehmweiher mit Fischen und Anax imperator.Rüti Eschenbach.HWildermuth.DSCN2219 96 dpi.jpg
Lehmweiher mit dem Nachwuchs eingesetzter Fische (Rotaugen, Rutilus rutilus), darüber patrouilliert ein Männchen der Grossen Königslibelle (Anax imperator). Libellenlarven haben hier keine Chancen zum Aufkommen.

Libellen können im Allgemeinen nur in grösseren, gut bewachsenen Stehgewässern mit Fischen koexistieren – am ehesten in Weihern mit dichter Unterwasservegetation und verschiedenen Fischarten in geringer Dichte. Werden Fische – insbesondere Karpfenartige – in Kleingewässer eingebracht, vermehren sie sich rasch und fressen einen Grossteil der Amphibienbrut und der wirbellosen Tiere; die Lebensgemeinschaft verarmt. In dicht besetzten Weihern hungern die Fische derart, dass sie alles Verfügbare fressen. Wühlende Fischarten (z.B. Karpfen, Cyprinus carpio) trüben das Wasser und beeinträchtigen damit die Unterwasservegetation, Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) schädigen sie direkt, indem sie die Wasserpflanzen fressen.
Die Libellenlarven von Arten, die mit Fischen zusammenleben, besitzen lange Stacheln und Rückendornen am Hinterleib. Die spitzen, starken Rückenstacheln der Zierlichen Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis) bereiten den Fischen beim Fressen Schwierigkeiten. Die Grosse Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) hat nur schwache Dornen und exponiert sich als tagaktive Larve, was sie für Fische zu einer leichten Beute macht. Sie ist bei uns an eine Koexistenz mit Fischen in kleinen Torfgewässern schlicht nicht angepasst.
In einer Langzeitstudie an neun kleinen Moorweihern des Mittellandes (Wildermuth, 2011) wurde aufgezeigt, dass in Gewässern mit Elritzen und Goldfischen die Anzahl an Libellenarten und deren Entwicklungserfolg – ermittelt aufgrund der Anzahl Exuvien – signifikant geringer ist als in fischfreien Gewässern.

In der Fauna Indicativa Fauna Indicativa hat es in der Spalte «Fische» Angaben zur Koexistenz.

Mobilität und Wanderungen

Grosslibellen sind hervorragende Flieger und können auf Wanderungen (Migration) ähnlich wie die Zugvögel oder auch bei Ausbreitungsflügen (Dismigration) grosse Distanzen zurücklegen. Es gibt jedoch auch eher standorttreue Arten wie z. B. die Keilfleck-Mosaikjungfer (Aeshna isoceles); andere Arten wie etwa die Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta) schweifen hingegen weit umher. Kleinlibellen sind weit weniger mobil, können aber leicht mit dem Wind verdriftet werden. Es gibt Arten, die ständig auf der Suche nach geeigneten Habitaten sind wie z.B. die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio) oder die Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus), während andere wie die Zarte Rubinjungfer (Ceriagrion tenellum) oder die Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) meist in der Nähe ihrer Fortpflanzungsgewässer bleiben. Libellen-Imagines haben unter Umständen einen grossen Aktionsradius und wechseln manchmal mehrmals täglich zwischen dem Ruhe-, Nahrungs- und Fortpflanzungshabitat; Rendezvous-Plätze und Paarungshabitate können abseits von Eiablage- und Larvenhabitaten liegen. Angaben zu Mobilität und Wanderungen gibt es für viele Arten im Buch «Die Libellen Europas».
Wandernde Libellen ziehen entweder in Bodennähe (bis etwa 4 m über Grund) oder deutlich höher (oft mehr als 15 m ab Boden). Bei bodennahen Wanderungen benutzen sie überwiegend lineare Landschaftselemente wie Waldränder, Hecken, Böschungen, Weg- und Ackerraine, Schilfstreifen, Strassen und Fliessgewässer. So breitet sich beispielsweise die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) hauptsächlich entlang von kleinen Bächen und Wassergräben über kurze Distanzen aus. Ausbreitung über grössere Distanzen kommen selten vor, dabei werden aber auch grossflächige Äcker und Wiesen überflogen.

galerie8 mobilitaet hw 96 dpi.png
Mobile (Kleine Pechlibelle, Ischnura pumilio, links) und meist ortstreue Kleinlibelle (Zarte Rubinjungfer, Ceriagrion tenellum, rechts)

Fluktuationen

Libellenpopulationen unterliegen starken natürlichen oder anthropogenen Schwankungen. Die Ursachen hierfür sind abiotischer und biotischer, exogener und endogener Natur, meist wirken wohl mehrere Faktoren zusammen. Veränderungen um das 5- bis 10-fache von Jahr zu Jahr sind nicht aussergewöhnlich. Der Mitautor dieses Artikels, H. Wildermuth, erfasst in einem Moor im Zürcher Oberland die Entwicklung der Grossen Moosjungfer (L. pectoralis) seit über 40 Jahren.

galerie grafik Lpecotoralis DL.png
Schlupferfolg der Grossen Moosjunfger (Leucorrhinia pectoralis) in zwei Torfstichen in der Drumlinlandschaft Zürcher Oberland (unveröffentlichte Daten von H. Wildermuth)
Grafik links vergrössern Grafik rechts vergrössern

Die Exuvien wurden an sechs kleinen, übersichtlichen Torfgewässern jährlich während der Schlupfsaison gesammelt und gezählt. Die Anzahl erfolgreicher Schlupfereignisse variierte enorm, sowohl innerhalb eines Gewässers als auch zwischen den verschiedenen Gewässern im Verlauf der Jahre.

Lebensräume

Gewässer

25 Quelle Randen SH.H.Wildermuth.H.Wildermuth.DSCN6477 96 dpi.jpg
Quellabfluss im Jura (Kt. Schaffhausen, Randen).

Die Libellen sind auf Gedeih und Verderb auf Gewässer angewiesen, in denen sich die Larven entwickeln. Damit sich diese in einem Gewässer bis zum Schlupf entwickeln können brauchen sie die ihnen passenden strukturellen Verhältnisse, die artspezifisch und für viele Libellenarten ziemlich gut bekannt sind. Grundsätzlich wird zwischen natürlichen Habitaten (Primärhabitate) und solchen, die durch menschliche Tätigkeit bedingt sind (Sekundärhabitate), unterschieden. Natürliche Gewässer sind unbeeinträchtigte Bachläufe, Flussauen und Seeufer sowie Hochmoore mit Kolken, Schlenken und Rüllen. Zu den sekundären, durch den Menschen geschaffenen oder durch Nutzung veränderte Lebensräume gehören neben verbauten Bachläufen, Flussstrecken und Seeuferabschnitten auch Entwässerungs- und Bewässerungsgräben, Kanäle, Torfstiche, Stauteiche, Kiesgruben-, Garten- und Naturschutzweiher. Für Libellen ungeeignet sind schnell fliessende, kalte Bäche und Flüsse der Mittel- und Hochgebirge, pflanzenlose Weiher und alpine Seen sowie Quellgewässer oberhalb der natürlichen Waldgrenze. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Lebensraumtypen nicht für andere Artengruppen interessant und schutzwürdig sind. Übergeordnete Gewässertypen sind Quellen, Fliessgewässer und Stillgewässer. Sie können auf unterschiedliche Weise gegliedert und typisiert werden. Im Hinblick auf die Anwendung in der Naturschutzpraxis werden in «Libellen schützen, Libellen fördern» acht Typen beschrieben, die Rote Liste unterscheidet vier, die Fauna Indicativa folgt einer feineren Unterteilung.

Die verschiedenen für Libellen relevanten Gewässer unterscheiden sich in ihren abiotischen und biotischen Faktoren. Abiotische Faktoren sind:
▪ Ausmasse: Grösse, Tiefe, Fläche, Uferlinie und Uferneigung
▪ Bodenbeschaffenheit: Fels, Steine, Kies, Sand, Schlick, Detritus, Torf
▪ Wasserführung: permanent oder temporär, Abfluss- und Wasserstandsschwankungen
▪ Temperaturverhältnisse mit geringeren oder grösseren täglichen und saisonalen Schwankungen
▪ Strömungsverhältnisse, auch kleinräumige
▪ Wasserchemismus: Die meisten Arten bevorzugen mesotrophe, leicht saure bis leicht basische Gewässer, manche – v.a. seltene – Arten sind an eher oligotrophe Verhältnisse angepasst.

Biotische Faktoren sind:
▪ Vegetation: Uferpflanzen (Gehölze, Röhrichte etc.)
▪ Wasserpflanzen in verschiedenen Tiefenzonen
▪ Angebot an Beutetieren
▪ Fressfeinde (Prädatoren); v.a. Fische und Krebse

Wichtigste ökologische Ansprüche
In Fliessgewässern können Libellenlarven nur strömungsarme Stellen besiedeln, wo sich Sand, Schlick und Detritus absetzen oder dort, wo es Wasserpflanzen und Wurzelbärte von Uferbäumen gibt. Zur dauerhaften Besiedlung mit Libellen müssen Bäche und Gräben ganzjährig Wasser führen. In ständig kalten und in schnell fliessenden Gewässern mit Felsgrund oder Geröll, das immer wieder umgeschichtet wird, entwickeln sich keine Libellenlarven. Bäche im geschlossenen Wald und entlang stark beschatteter Waldränder sind infolge Sonnenmangels arm an Libellen. Die Strukturvielfalt (v. a. Strömungsverhältnisse) und Wasserqualität (v. a. Sauerstoffgehalt) sind entscheidend für die Eignung von Fliessgewässern als Libellenhabitate. Weitere wichtige Parameter sind Besonnung, frei sichtbare Wasserfläche, Wassertemperatur und strukturreiche Böschungen.
In Seen besiedeln Libellen nur den Uferbereich. Ufergestalt und Vegetation bestimmen, wie viele und welche Libellenarten sich entwickeln können. Entscheidende Faktoren sind Ufertopographie (Länge, Neigung, Relief), Bodensubstrat (Fels, Geröll, Kies, Sand, Schlamm), Vegetation (Unterwasserwiesen, Schwimmblattgürtel; Röhricht und Seggengürtel hoch oder niedrig, dicht oder offen) und Wasserführung (konstant, geregelt, periodisch wechselnd). In vegetationslosen Gebirgs- und Stauseen können sich keine Libellen entwickeln.
In kleinen Stehgewässern können Libellenlarven alle Bereiche besiedeln. Je nach ihren artspezifischen ökologischen Ansprüchen bevorzugen die verschiedenen Arten unterschiedliche Typen von Kleingewässern. Für alle Arten wichtig sind Nährstoffgehalt, Besonnung, Strukturreichtum und Mikrohabitate (z.B. Bodensubstrat, Wurzeln, Wasserpflanzen), morphologische Vielfalt (z.B. flache Ufer, lange Uferlinien, unterschiedliche Wassertiefen) sowie Konkurrenten und Prädatoren. Je grösser ein Stillgewässer ist, desto mehr Libellenarten können darin vorkommen. Dabei kommt es allerdings sehr auf die strukturelle und pflanzliche Ausstattung – und damit auch auf das Sukzessionsstadium – eines Weihers an. Diese Tatsache soll aber nicht davon abhalten, auch kleine Gewässer neu anzulegen und zu pflegen, denn viele Arten brauchen für eine erfolgreiche Fortpflanzung keine grossen Gewässer. Zudem verdichten kleine Gewässer – selbst Garten- und Golfplatzweiher – das Biotopnetz und man fördert mit einem neuen Gewässer viele weitere Arten.
Weitergehende Informationen zu den Lebensräumen sind in «Libellen schützen, Libellen fördern» enthalten. Die Habitatansprüche der einzelnen Arten sind in «Die Libellen Europas» zusammengefasst. In der Fauna Indicativa sind zu wichtigen abiotischen Ansprüchen der Libellen detaillierte Angaben aufgeführt, die zur Einschätzung eines Lebensraumes dienen können.

Beispiele typischer Vertreter von verschiedenen Lebensräumen

galerie Libellen LR1 hw 96 dpi.png
Bäche und Wiesengräben: Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo), Weibchen (links); Quellgewässer: Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster bidentata), Männchen (rechts).
galerie Libellen LR2 hw 96 dpi.png
Flüsse: Kleine Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus forcipatus), Männchen (links); Seen und Seeufer: Westliche Geisterlibelle (Boyeria irene), Männchen (rechts).
galerie Libellen LR3 hw 96 dpi.png
Kleine Stehgewässer: Grosse Heidelibelle (Sympetrum striolatum), Männchen (links); Kies- und Lehmgrubengewässer: Südlicher Blaupfeil (Orthetrum brunneum), Männchen (rechts).
galerie Libellen LR4 hw 96 dpi.png
Moorgewässer: Gefleckte Smaragdlibelle (Somatochlora flavomaculata), Männchen (links); Subalpine und alpine Stehgewässer: Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia), Männchen (rechts).

Landlebensräume

Landlebensräume lassen sich nach ihrer Funktion in Reifungs-, Jagd- und Ruhehabitate gliedern. Oft dient dasselbe Biotop allen drei Funktionen. Geeignete Landlebensräume sind naturnahe Waldränder und Waldlichtungen, Hecken und Feldgehölze, Extensivweiden, Feucht- und Trockenwiesen, Brachflächen, Wegränder, Krautsäume und artenreiche Böschungen sowie Kiesgruben und Steinbrüche. Landlebensräume müssen über genügend Insektennahrung verfügen. Sie können bis mehrere hundert Meter oder einige Kilometer vom Gewässer entfernt liegen. Winterlibellen (Sympecma spp.) benötigen zudem geeignete Überwinterungshabitate wie Brachflächen, Streuwiesen, Waldränder oder Lichtungen mit Altgrasbeständen.
Das ideale Landhabitat der Fliessgewässerlibellen für Jagd, Ruhe und Reifung besteht aus einem Mosaik von windgeschützten, gut besonnten und extensiv genutzten Flächen (z.B. Streuwiesen) zwischen lockeren Wäldern.
Umfassender Libellenschutz beinhaltet die Vernetzung terrestrischer Lebensräume mit aquatischen Biotopen. Systematische Beobachtungen im Mittelland haben gezeigt, dass acht extensiv bewirtschaftete Feuchtwiesen von 80 % der regionalen Libellenfauna zur Reifung, Nahrungssuche, Thermoregulation und in geringerem Mass auch zur Paarung genutzt wurden. Es konnte aufgezeigt werden, dass einzelne Arten dabei geschlossene Waldungen wie auch breite Strassen überflogen haben. Entscheidend für die Attraktivität der Landlebensräume ist deren ökologische Qualität. Intensiv bewirtschaftete Waldwiesen werden von weit weniger Arten und in weit geringerer Individuenzahl aufgesucht als extensiv genutzte Lichtungen (Wildermuth, 2010). Ähnliche Beobachtungen wurden auch in den Alpen gemacht (Wildermuth, 2012).

galerie9 landlebensraeme hw 96 dpi.png
Auswahl typischer Landlebensräume: reich strukturierter Waldrand, eng verzahnt mit Moorwiesen; lichter Moorwald; Riedwiesen.

Mikrohabitate

Die Mikrohabitate eines Gewässers mit ihren spezifischen strukturellen Eigenschaften sind die Lebensräume der Larven. Unterwasservegetation, Moospolster, Wurzelbärte und kleine Höhlungen bieten den Larven Deckung, sei es beim Ansitz auf der Jagd oder als Schutz vor Feinden, zudem bilden sie Substrate für die Eiablage. Gewisse Arten sind auf einen bestimmten Substrattyp im Gewässer angewiesen: die Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) z.B. auf torfigen Untergrund und Torfmoose, die Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) auf Stellen mit feinkörnigen Kalksinterplättchen, Schlamm und Laubdetritus, die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) auf das Spross-, Blatt- und Wurzelgeflecht von Wasserpflanzen. Strukturelemente wie Totholz, Steine und Wurzelgeflechte machen ein Gewässer vielfältiger, dies nicht nur für Libellen, sondern auch für viele weitere Tierarten – auch Beutetiere von Libellenlarven. Damit sich in einem Stillgewässer reiche Vegetation entwickeln kann, muss das Wasser – insbesondere von tieferen Gewässern – transparent sein. Reich strukturierte, teils lückige Ufervegetation bietet den Libellen Sitzwarten, Paarungs- und Eiablageplätze sowie geschützte Stellen zum Schlupf. Gehölze strukturieren die Gewässer. Für die wärme- und lichtbedürftigen Libellen soll die Bestockung jedoch locker sein, sie kann an kleinen Gewässern auch gänzlich fehlen. An grösseren Stillgewässern genügen einige Bäume oder Büsche. Fliessgewässer sollen ebenfalls gut besonnte Bereiche aufweisen. Durchgehend beschattete Ufer bilden eine Barriere für wandernde Libellenimagines, die Fliessgewässer bevorzugt als Leitlinien nutzen7. Bei der Festlegung des Bestockungsgrades sind auch andere Arten – Vögel, Reptilien oder Kleinsäuger – zu berücksichtigen. Zum Beispiel ist in einem Bach, in dem die seltene Bachmuschel (Unio crassus) noch vorkommt, eine zu starke Erwärmung eines Gewässers unerwünscht. Daher soll hier die Bestockung stärker sein als dies für Libellen ideal wäre.

galerie10 totholz hw 96 dpi.png
Auftauchendes Totholz als Strukturelement in einem Gewässer dient Libellen als Sitzwarte, Eiablage- und Schlupfsubstrat sowie als Aufenthaltsort für die Larven.

Weitere relevante Faktoren

Einfluss des Wetters

Das Wetter kann sich stark auf Libellenbestände auswirken. Lange Trockenheit führt zum Austrocknen kleinerer Gewässer, dabei können sämtliche Libellenlarven umkommen. Anhaltende Schlechtwetterperioden zur Hauptschlupfzeit, sommerlicher Schneefall in den Alpen oder Spätfröste können zu grossen Ausfällen bei den Imagines führen. Je nach Wetterverhältnissen kommt es in einer lokalen Population zu vorzeitigem, verzögertem, gestaffeltem oder zeitlich gedrängtem Schlupf. Wichtigster abiotischer Faktor für die Larven ist die Wassertemperatur7, für die Imagines sind es Lufttemperatur und Sonnenschein.

Einfluss der Klimaerwärmung

Der Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten führt zu verkürzten Larvenentwicklungszeiten. Im Reusstal konnte bei üblicherweise semi- und partivoltinen Arten nachgewiesen werden, dass Larven nicht mehr überwinterten. Die Libellen schlüpfen früher und die Flugzeiten verschieben sich nach vorn. Die Larvenentwicklungszeiten verkürzen sich und es bilden sich vermehrt zwei Generationen13. Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) und Gebänderte Heidelibelle (Sympetrum pedemontanum), die in der Schweiz vorwiegend in kühleren Gebieten vorkommen (Alpen, Voralpen, Moore), ziehen sich aus wärmeren Regionen zurück, die Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris) steigt im Gebirge höher, stösst aber an Grenzen, weil in hohen Lagen geeignete Entwicklungs-Habitate fehlen. Mediterrane und wärmebedürftige Arten nehmen bei uns zu.

galerie11 klimaerwaermung hw 96 dpi.png
Das Kleine Granatauge (Erythromma viridulum), die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) und die Kleine Königslibelle (Anax parthenope) haben von der Erwärmung profitiert. Sie haben sich bei uns in den letzten 25 Jahren ausgebreitet.

Fauna Indicativa

In der Fauna Indicativa sind viele biologische und ökologische Parameter zu den einzelnen Libellenarten bzw. zu deren Larven zusammengestellt (u.a. Auenkennarten, Lebensräume und Biotopkategorie, in welchen eine Art vorkommt, Biotopbindung der Larven, Eiablagegilden, Koexistenz mit Fischen, Phänologie, Gewässertrophie, Wasserführung, Trockentoleranz, Gewässergrund).

Für dieses Kapitel verwendete Literatur

▪ Die Libellen Europas (Wildermuth, H. & A. Martens, 2018): Im Einführungskapitel ist das Wichtigste zu Körperbau, Biologie und Ökologie der Libellen und ihren Larven mit hervorragenden Bildtafeln dargestellt.
▪ Die Libellen Baden-Württembergs, Band 1 (Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.), 1999): Detaillierte Angaben zur Biologie und Ökologie
▪ Libellen schützen, Libellen fördern (Wildermuth, H. & D. Küry, 2009)
Weitere Angaben zur Literatur siehe bei Literaturempfehlungen.

Erhalt und Förderung

Einleitung

Libellen lassen sich einzig mit der Erhaltung, Aufwertung und Neuschaffung ihrer Lebensräume fördern. Dies gilt in besonderem Masse für die Lebensraumspezialisten. Die amphibische Lebensweise der Libellen macht es nötig, sowohl den Wasserlebensraum als auch den Landlebensraum zu schützen und zu fördern. Mit der Broschüre «Libellen schützen, Libellen fördern» (Wildermuth et al., 2009) existiert eine hervorragende Grundlage. Nachfolgend wird denn auch mehrmals darauf verwiesen (Bestellmöglichkeit).

(Allgemeine) Massnahmen

Kleine Stillgewässer

46 Regeneration Torfgraben in Handarbeit.Schulklasse.Ambitzgi Gem. Wetzikon ZH.H.Wildermuth.20.09.2010.DSCN2443 Kopie 96 dpi.jpg
Regeneration eines Torfgewässers in Handarbeit; Entfernen von Verlandungsvegetation durch Schulklasse. Das am Ufer zwischengelagerte Material wird nach 2 bis 3 Tagen abgeführt.

Stillgewässer werden zu einem späteren Zeitpunkt auf der Webseite als separate Lebensräume abgehandelt. Die Broschüre «Libellen schützen, Libellen fördern» zeigt für verschiedene Stillgewässertypen (Tümpel, Weiher, Teiche, Kies- und Lehmgrubengewässer, Moorgewässer und subalpine/alpine Stillgewässer) detailliert auf, wie sie und die darin vorkommenden Libellen geschützt und gefördert werden können. Nachfolgend wird deshalb nur summarisch auf das Wichtigste eingegangen.
Einflüsse von aussen sollen unterbunden werden. In einem möglichst breiten Pufferbereich sollen weder Düngemittel noch Pestizide ausgebracht werden. Dasselbe gilt für alle Fliessgewässer, die den Stillgewässern Wasser zuführen. Eine Beweidung des Uferbereichs soll, wenn überhaupt, zeitlich beschränkt und schonend erfolgen. Bei der Bewirtschaftung von Alpen sind Gewässer auszuzäunen, in denen sich Alpen-Mosaikjungfer (Aeshna caerulea), Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica), Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) oder Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris) entwickeln. Laubeintrag beschleunigt in Gewässern tieferer Lagen die Verlandung. Die Bestockung im Uferbereich ist daher dort zu reduzieren, wo dies mit den (übergeordneten) Zielen vereinbar ist.
Bei der Neuschaffung von Gewässern ist vor allem auf eine lange Uferlinie, unterschiedliche Tiefen und zumindest teilweise flache Ufer zu achten. Die Ufergestaltung soll so erfolgen, dass eine einfache und kostengünstige ¬Pflege mit Maschinen möglich ist. Die Broschüre «Temporäre Gewässer für gefährdete Amphibien» von Pro Natura gibt Anleitung, zur Anlage entsprechender Gewässer. Man fördert mit diesem Gewässertyp auch spezialisierte Libellenarten wie z.B. die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio) oder die Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas).
Stillgewässer unterliegen der Sukzession, einer zeitlichen Abfolge verschiedener Pflanzengemeinschaften. Das Ufer verbuscht, das Gewässer wächst zu und verlandet früher oder später. Da in der Schweiz wegen fehlender Dynamik der Fliessgewässer kaum neue Stillgewässer entstehen, brauchen die bestehenden regelmässigen Unterhalt. Dieser soll auf die Ziele für den Lebensraum ausgerichtet sein und im Herbst oder Winter erfolgen. Häufige nötige Unterhaltsmassnahmen sind:
▪ Ufergehölze zurückschneiden oder entfernen
▪ Ufervegetation abschnittweise mähen, d.h. nie den gesamten Uferbereich im selben Jahr unterhalten
▪ Gewässer ausbaggern oder von Hand räumen; grössere Einsätze sind dann nötig, wenn das Gewässer stark verlandet ist oder wenn sich in Grubengewässern immer wieder Pionierarten ansiedeln sollen.

Keinen Unterhalt benötigen die primären Stillgewässer, vor allem die grossen, es sei denn, sie sind anthropogen beeinträchtigt, z.B. durch Grundwasserabsenkung, Düngemitteleintrag oder Uferverbauung.


Unterhaltsmodelle
Im Kanton Aargau hat man durch die Förderung von Libellen viel Erfahrung in der Pflege und im Unterhalt von Stillgewässern gesammelt. Je nach Gewässergrund verläuft die Sukzession unterschiedlich schnell. Durch Ausmähen, insbesondere Frühschnitt, kann die Sukzession verzögert werden. Was jeweils sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden.
Grafik Libellen Aargau.gif
Sukzessionsverlauf an neu geschaffenen, für Pionierlibellen geeigneten Gewässern («Pioniergewässern»).

Ausgehend von Erfahrungen in Moorgewässern wurde das «Rotationsmodell» entwickelt.

Die Unterhaltsmodelle lassen sich auch auf andere Stillgewässertypen anwenden.


Die Gewässerschutzverordnung (Art. 41b) verlangt, dass angrenzend an Stillgewässer von mehr als einer halben Hektare Wasserfläche ein Gewässerraum von mindestens 15 m ab Uferlinie ausgeschieden werden muss.

Schema Pufferzone Gewaesserufer hw.png
Schematische Darstellung des Gewässerraums angrenzend an einen See, Weiher oder Teich. Innerhalb der 15 m dürfen u. a. kein Dünger und keine Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden.
galerie12 gewaessertypen hw 96 dpi.png
Primärgewässer (Hochmoorkolk) in den Alpen, Sekundärgewässer („Naturschutzweiher“) – bereits stark bewachsen – im Mittelland.

Fliessgewässer

47 Jona natürlicher Flussflauf Rüti ZH 29.03.2007.H.Wildermuth.DSCN0106 Kopie 96 dpi.jpg
Naturnahe Flussstrecke, Lebensraum von Fliessgewässerlibellen.

Die in den Fliessgewässer-Artikeln aufgezeigten Massnahmen (Renaturierung, Revitalisierung und Ausdolung) fördern das Vorkommen und die Verbreitung der Libellen sowie die Vernetzung von Libellenvorkommen in Gräben, Bächen und Flüssen.
Allgemeine Unterhaltsmassnahmen:
▪ Ufermahd: Böschungen ein- bis zweimal pro Jahr mähen und das Material abführen. Etwa ein Drittel der Vegetation stehen lassen. Schnittzeitpunkt auf die Vegetation und die vorkommenden Arten ausrichten: erster Schnitt in der Regel ab Mitte Juni oder Anfang Juli. Handgeräte oder Mähbalken verwenden, keine Saug- und Schlegelmäher.
▪ Regelmässiger Rückschnitt der Gehölze im Winterhalbjahr. Gewässerabschnitte mit durchgehender Bestockung stark auslichten. Dabei die Ansprüche anderer Zielarten berücksichtigen.
▪ Räumliche und zeitliche Staffelung von Sohlenräumung und Entkrautung. Maximal 1/3 oder 50 m Gewässerlänge gleichzeitig unterhalten. Entferntes Material in Gewässernähe 2–3 Tage zwischenlagern, damit Tiere ins Wasser zurückgelangen können. Räumungsgut anschliessend abführen. Ausführung im Herbst oder Frühwinter.
▪ Neophyten bekämpfen.

Detaillierte Angaben zum Unterhalt der Fliessgewässer können der Broschüre «Libellen schützen, Libellen fördern» entnommen werden (S. 20 ff.).
Bei der Revitalisierung dem Gewässer in der Breite genügend Raum geben und verschiedenste Strukturen schaffen. Natürliche Gewässer als «Vorbild» nehmen. Nur wenig Gehölz und möglichst auf der sonnenabgewandten Seite pflanzen.

Seeufer

Seen und die landseitig angrenzenden Lebensräume sind komplexe Ökosysteme. Schutz- und Fördermassnahmen für die Biodiversität müssen daher in einem umfassenden Kontext betrachtet werden. Nichtsdestotrotz kann u. a. mit einfachen Massnahmen, wie dem angepassten und differenzierten Unterhalt der Uferbereiche, viel für Libellen bewirkt werden.
Allgemeine Fördermassnahmen für Libellen an Seeufern sind z. B. die Schaffung von reich strukturierten naturgemässen Uferzonen oder die Erhaltung der natürlichen Wasserstandsschwankungen. Spezifische Massnahmen sind der regelmässige Unterhalt der landseitigen Vegetation und der Schutz der Ufervegetation vor Erosion und Schwemmgut. Die natürliche Verlandungszone braucht ansonsten keinen Unterhalt.
Viele Seeufer sind hart verbaut. Hier besteht grosses Potenzial, den ursprünglichen Zustand mit flachen, morphologisch vielfältigen Ufern wiederherzustellen. Handlungsbedarf dazu gibt das Gewässerschutzgesetz vor.


Gewässerschutzgesetz
Mit der Anpassung des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) im Jahr 2011 wurde für die Kantone die Verpflichtung zur strategischen Planung und zur Durchführung von Revitalisierung von Gewässern eingeführt sowie Bundesmittel bereitgestellt. Die Planungsfrist für Seen läuft bis Ende 2022 und entsprechende Arbeiten an Seen müssen im Hinblick darauf verstärkt werden. Eine wichtige Planungsgrundlage ist laut Gewässerschutzverordnung die Kenntnis über den ökomorphologischen Zustand der Gewässer.

Seit 2016 liegt vom Bund die Vollzugshilfe «Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Seen, Modul: Ökomorphologie Seeufer» Méthodes d’analyse et d’appréciation des lacs en Suissezur Erhebung und Bewertung der Ökomorphologie für Seeufer vor. Es stellt die erste Methode im Rahmen des 2013 publizierten «Konzeptes für die Untersuchung und Beurteilung der Seen in der Schweiz» [1] dar.


Es gibt einige Beispiele, die zeigen, wie Seeufer aufgewertet wurden.
▪ In der Broschüre «Gewässer aufwerten – für Mensch und Natur» (BAFU, 2017) wird die Seeuferaufwertung am Murtensee vorgestellt.
▪ Für den Zürichsee gibt es das Leitbild «Zürichsee 2050» Leitbild «Zürichsee 2050» (en allemand). «Ein Kernelement des Leitbilds «Zürichsee 2050» ist die langfristige Gestaltung, Nutzung und Zugänglichkeit der Uferbereiche: Das Leitbild zeigt, wo und wie am Zürichsee mittel- bis langfristig Erholungsräume für die Bevölkerung und Naturräume für Tiere und Pflanzen aufgewertet und neu geschaffen werden können. Um eine räumliche Entflechtung zu erreichen, sind im Leitbild Schwerpunktgebiete für die Erholungsnutzung, für die Aufwertung der Ufervegetation und für die Aufwertung der Flachwasserzone bezeichnet.»

galerie seen hw 96 dpi.png
Natürliche Seeufer

Quellen

Der Schutz und die Erhaltung der Quelllebensräume ist vordringlich. Die oft nur kleinflächig vorhandenen Quellen wurden oft – und werden z.T. immer noch – gefasst, zugeschüttet, kanalisiert oder sonst wie beeinträchtigt. Im Wald werden Quellen geschützt und gefördert, indem sie nicht befahren werden, kein Astmaterial darin liegengelassen wird, Holz nicht durch Quellen und Quellabflüsse geschleift und für eine standortgemässe Baumartenzusammensetzung gesorgt wird. In Mooren ist es wichtig, den Bereich von Quellen sorgfältig zu bewirtschaften und diese nicht mit Maschinen zu queren. Über die Wiederherstellung von Quellen ist in der Schweiz wenig bekannt. In «Libellen schützen, Libellen fördern» sind auf S. 18f. mögliche Massnahmen aufgelistet. Im Sonderheft von aqua viva, «Quellen im Fokus, «Dossiers Sources» sind Erfahrungen mit dem Schutz und der Revitalisierung von Quellen aufgezeigt. Informationen zu Quellen bieten:
Kanton Bern
Quellenprojekt Basel-Landschaft und Binningen

galerie13 quellabfluesse hw 96 dpi.png
Quellabflüsse im Wald und in einem Flachmoor im Mittelland, Lebensräume der beiden Quelljungfern-Arten (Cordulegaster spp.).
galerie14 quellen hw 96 dpi.png
Quelltümpel und unscheinbarer Quellabfluss in den Alpen, Lebensräume der Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris).


Fische

Kleine Stillgewässer sollen fischfrei sein! Fische aus Gewässern entfernen, in denen sie natürlicherweise nicht vorkommen. Es ist allerdings schwierig bis unmöglich, einmal eingebrachte Fische nachhaltig zu entfernen. In Gewässern mit natürlichen Vorkommen von Fischen sollen, wenn überhaupt, nur Fischarten eingebracht werden, die natürlicherweise in solchen Gewässern vorkommen. Das oft praktizierte Aussetzen junger Forellen in kleine und kleinste Bäche soll unterlassen werden; die Fische fressen auch Libellen- und Feuersalamander Larven.

Ziel- und Leitarten

«Libellen schützen, Libellen fördern» enthält auf den Seiten 81-83 eine Tabelle mit regionalen Ziel- und Leitarten, die bei Förderprojekten eine wertvolle Grundlage darstellt.

Artenschutz

Wie im Kapitel Erhalt und Förderung ausgeführt, hat bei der Förderung von Libellen die Aufwertung der Lebensräume Priorität. In der Liste der National Prioritären Arten sind 29 Libellenarten aufgeführt. Für diese besteht vordringlicher Handlungsbedarf. Das CSCF hat in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Libellenschutz (SAGLS) für die nachfolgend aufgeführten Arten/Unterarten Merkblätter herausgegeben. Diese enthalten neben einer Kurzbeschreibung der Arten Angaben zu Ökologie, Verbreitung, Gefährdung, Erhaltungs- und Fördermassnahmen.

Artenschutzblätter

Alpen-Mosaikjungfer (Aeshna caerulea)
Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica elisabethae)
Westliche Geisterlibelle (Aeschne paisible) (Boyeria irene)
Südliche Prachtlibelle (Calopteryx virgo meridionalis)
Zarte Rubinjungfer (Späte Adonislibelle) (Ceriagrion tenellum)
Speer-Azurjungfer (Coenagrion hastulatum)
Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale)
Zweifleck (C. à deux taches) (Epitheca bimaculata)
Westliche Keiljungfer (Gomphus pulchellus)
Gelbe Keiljungfer (Gomphus simillimus)
Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas )
Kleine Binsenjungfer (Lestes virens vestalis)
Östliche Moosjungfer (Leucorrhinia albifrons)
Zierliche Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis)
Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia)
Grosse Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis)
Zwerglibelle (Nehalennia speciosa)
Westliche Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus unguiculatus)
Grüne Keiljungfer (Gomphus serpentin) (Ophiogomphus cecilia)
Östlicher Blaupfeil (Orthetrum albistylum)
Gekielter Flussfalke (Gekielte Smaragdlibelle) (Oxygastra curtisii)
Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica)
Sibirische Winterlibelle (Sympecma paedisca)
Sumpf-Heidelibelle (Sympetrum depressiusculum)
Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum )
Gebänderte Heidelibelle (Sympetrum pedemontanum)


Im Kanton Zürich existieren für die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) und die Grosse Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) Aktionspläne. Der Kanton Luzern hat für Leitarten, darunter 24 Libellenarten, kurze Steckbriefe erarbeitet. Empfehlenswert sind die kompakten Artporträts in «Die Libellen Europas». Bei jeder Art wird auf die Primärliteratur verwiesen. Das Buch «Die Libellen Baden-Württembergs Band» enthält ausführliche Angaben zu den einzelnen Arten. Informativ sind auch die Artenporträts auf libellenschutz.ch In die Datenbank des Projekts «Virtual Data Center VDC» werden seit 2014 die Fundorte sämtlicher Organismengruppen eingespeist, um sie bei naturschutzrelevanten Projekten berücksichtigen zu können. Mit der Datenbank sollen insbesondere die Bedürfnisse der kantonalen Fachstellen abgedeckt werden. Diese Daten sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Weitere Grundlagen für Artenschutzprojekte:
▪ Aus der Artengruppe der Libellen sind in Deutschland 8 Arten im Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführt.
Artensteckbriefe der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg LUBW
Synthèses bibliographiques sur les traits de vie d'espèces – Odonates (Frankreich).

galerie15 prioritaereArten hw 96 dpi.png
Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) und Gebänderte Heidelibelle (Sympetrum pedemontanum) sind Beispiele national prioritärer Arten.

Gefährdung

Rote Listen

Gemäss der aktuellen Roten Liste der Libellen (BAFU 2002) gelten von den 72 beurteilten Arten 36% als gefährdet. Seit 1987, dem Erscheinungsdatum des ersten Schweizer Libellenatlas, hat sich die Situation der am meisten gefährdeten Arten weiter verschlechtert. Momentan ist eine neue Rote Liste in Erarbeitung. Sobald diese veröffentlicht ist, werden wir den aktuellen Zustand hier zusammenfassen.

Gemäss der europäischen Roten Liste sind 15% der Libellen in Europa gefährdet und weitere 11% potenziell gefährdet. Ein Viertel der Arten haben abnehmende Bestände und ungefähr 10% nehmen zu. Bei ca. der Hälfte der Arten sind die Bestände stabil. Von den verbleibenden 12% der Arten ist die Datenlage für Aussagen zu gering.

Allgemeine Gefährdungen

▪ Grundwasserabsenkung, Entwässerung, Wasserentnahme
▪ Nährstoffeintrag, Eutrophierung
▪ Nutzungsänderungen: Intensivierung, Aufgabe
▪ Baumassnahmen in und an Gewässern
▪ Gewässerausbau und Begradigung, harte Uferverbauung
▪ Räumung der Gewässersohle
▪ Falscher oder bei Sukzession und Verlandung fehlender Unterhalt von Gewässern und Uferbereichen
▪ Extreme Hochwasser
▪ Dichte Uferbestockung
▪ Verfüllung, Materialablagerung
▪ Intensive Beweidung von Quellbereichen und Uferzonen, besonders auch in der alpinen Region
▪ Freizeitnutzung
▪ Wellenschlag durch Motorboote (ein Grossteil der Flussjungfern schlüpft nahe dem Wasserspiegel. Durch plötzlichen Wellenschlag, wie er z.B. von Motorbooten verursacht wird, werden die schlüpfenden Tiere überflutet; siehe «Die Libellen im Kanton Aargau», S. 64f, 72
▪ Abrupte Pegelschwankungen durch Schwallbetrieb von Wasserkraftwerken
▪ Fehlende Dynamik in Fliessgewässern

galerie16 unterhalt hw 96 dpi.png
Links: Unsachgemässer Grabenunterhalt. Hier wurde nach der gründlichen maschinellen Sohlenräumung auch die Oberfläche der Böschung abgetragen. Das Gewässer ist lediglich ein Gerinne für Entwässerung. Rechts: Die vollständige Abholzung eines grabenbegleitenden Gehölzes führt zur Verarmung des Lebensraums.

Fischbesatz und invasive Krebse

▪ Der Besatz (kleiner) Stillgewässer mit Fischen wirkt sich für die Kleintierwelt fatal aus.
▪ Ein Besatz von Fliessgewässern und grossen Stillgewässern mit Fischarten, die natürlicherweise nicht vorkommen, hat negative Folgen für die angestammten Lebensgemeinschaften.
▪ Die Broschüre «Die Libellen im Kanton Aargau» befasst sich intensiv mit dem Fischbesatz. Als besonders gravierend wird das Wühlen der Fische beurteilt (siehe Seite 39f, 45).
▪ Wenig Beachtung finden bisher die gebietsfremden invasiven Krebse wie z.B. Kalikokrebs (Orconesctes immunis – noch nicht in der Schweiz festgestellt) und Kamberkrebs (Orconectes limosus), die den Gewässerboden von kleinen Stillgewässern aufwühlen, sich stark vermehren und Libellenlarven wie auch andere wirbellose Tiere der Weiher und Teiche sehr stark dezimieren (interner Link). Gebietsfremde Krebse können zudem die Krebspest verbreiten.

Erfolgskontrolle

Die Broschüre «Libellen schützen, Libellen fördern» widmet ein ganzes Kapitel der Erfolgskontrolle. Wer eine Erfolgskontrolle plant, durchführt und auswertet sollte diese fünf kompakt zusammengefassten Seiten lesen. Was es zu beachten gilt:
▪ Wichtige Grundlagen einer Erfolgskontrolle sind die verfügbaren Daten und die Erfassung des Ausgangszustands vor der Umsetzung von Massnahmen.
▪ Als Indikatoren eignen sich vor allem die Habitat-Spezialisten bzw. die Zielarten, die man bei der Planung festgesetzt hat: siehe Fauna Indicativa.
▪ Erhebungsmethode festlegen: Die üblichste Methode ist die Erfassung von Imagines. Dies bedingt zwischen April/Mai bis September/Oktober vier bis fünf Begehungen während drei Jahren. Wenn man sich auf drei Begehungen beschränken muss, können etwa zwei Drittel des Artenspektrums erfasst werden.
▪ Die Begehungen sollen zwischen 10:00 und 16:30 Uhr MESZ stattfinden, bei sonnigem und möglichst windstillem Wetter.
▪ Fortpflanzungsindizien (Paarungen, Tandems, Eiablagen, frisch geschlüpfte Individuen) sollen notiert werden. Exuvien und frisch geschlüpfte Libellen sind die besten Belege für erfolgreiche Entwicklung im Untersuchungsgewässer.
Es lohnt sich, für die Erfolgskontrolle eine Fachperson beizuziehen. Ein interessantes Beispiel einer Erfolgskontrolle ist der Nachweis von Exuvien von Flussjungfern (Gomphidae) an renaturierten Flussabschnitten und neu geschaffenen Seitenarmen an den Flüssen Aare und Reuss im Kanton Aargau.

Wissenslücken

Biologie und Ökologie der meisten mitteleuropäischen Arten sind recht gut bekannt. Dies gilt auch für die Verbreitung. Allgemein zu wenig Beachtung geniessen hingegen kleine und kleinste Stillgewässer und Quellen, dadurch fehlt das Wissen zu den darin vorkommenden Arten.
Über die langfristigen Veränderungen von Beständen ist zu wenig bekannt. Wichtig ist, die Dynamik über grössere Zeiträume zu verfolgen. Wie entwickeln sich die Bestände und Vorkommen der einzelnen Arten im Verlauf von zwei, drei Jahrzehnten?
Man weiss auch zu wenig darüber, wie unerwünschte Fische in Stillgewässern eliminiert werden können. Blosses Abfischen genügt nicht, weil damit nur ein Teil der Fische entfernt werden kann.
Alternative Unterhaltsmassnahmen wie Beweidung sollen vermehrt erprobt und von Erfolgskontrollen begleitet werden.


Allgemeine Links

  • Informationen zu Libellen auf der Webseite des CSCF: Neben allgemeinen Informationen zu Libellen können als wichtiger Service Daten abgefragt und Artenlisten erstellt werden
  • Kartenserver info fauna
  • libellenschutz.ch ist eine neue, sehr informative, gut bebilderte Webseite mit ausführlichen Porträts aller einheimischen Libellenarten inkl. Angaben zu Fördermöglichkeiten. Alle für die Libellen relevanten Lebensräume werden vorgestellt.
  • Die Webseite der Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen (GdO) enthält umfangreiche Literaturlisten. Die von der GdO herausgegebene Zeitschrift LIBELLULA mit wissenschaftlichen Beiträgen kann mit Ausnahme der jeweils neusten Ausgaben gratis heruntergeladen werden. Zu ausgewählten Themen gibt es Supplementausgaben, die teilweise als Download zur Verfügung stehen. Die GdO organsiert jährlich eine Tagung.
  • Rote Liste von 2002. Demnächst wird ist eine neue Rote Liste verfügbar sein.
  • Europäische Rote Liste
  • Die von Andreas Hein privat betriebene Webseite enthält hervorragende Fotos, Artenlisten von Europa und den deutschsprachigen Ländern, allgemeine Angaben zu den Libellen und eine Bestimmungshilfe.
  • Im Libellen-Handbuch von Dirk Pape-Lange sind die Unterscheidungsmerkmale ähnlicher Arten hervorragend dargestellt.

Libellenorganisationen

Glossare

Literaturempfehlungen

Grundlagen- und Übersichtswerke

  • Wildermuth, H. & A. Martens (2018): Die Libellen Europas – Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. Quelle & Meyer, Wiebelsheim: Es werden alle 140 Arten Europas vorgestellt. In den Artenporträts ist alles, was zu jeder Art bekannt ist, konzis zusammengefasst: Namen und deren Herkunft, Kennzeichen, Verbreitung (mit Karten), Lebensräume, Entwicklung, Lebensweise und Verhalten der Larven und Imagines, Schlüpf- und Flugzeiten, Gefährdung, Schutz- und Förderungsmassnahmen. Praktische Beobachtungstipps zu jeder Art. Ausführliches Literaturverzeichnis. Im Einführungskapitel ist das Wichtigste zur Biologie der Libellen – Lebenszyklus, Ökologie, Evolution, Systematik, Bestimmung und Fotografie – zusammengefasst.
  • Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.) (1999, 2000): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 1 und 2, Ulmer, Stuttgart: Das Buch ist das Standardwerk für Mitteleuropa! Der allgemeine Teil gibt eine detaillierte Einführung in die Biologie, Ökologie, Lebensweise, der Fortpflanzung, der Verbreitung, den Lebensräumen sowie Arten- und Biotopschutzmaßnahmen der Libellen. Die Artensteckbriefe sind sehr ausführlich, die Literatur allerdings nur bis 1998 berücksichtigt.
  • Corbet P. S. (2004): Dragonflies – behaviour and ecology of odonata, Revised edition. ed. Brill, Leiden: Dieses anspruchsvolle und meist zitierte Standardwerk des weltweit bekanntesten Odonatologen fasst das Wissen über Ökologie und Verhalten der Libellen bis zur Jahrhundertwende zusammen. Naturschutzaspekte sind allerdings nur allgemein und wenig praxisorientiert abgehandelt.

Praxisrelevante Literatur

Bestimmungsliteratur

  • Lehmann, A.W., J.H. Nüß & R.I. Nüß (2015): Libellen. Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, Hamburg, 6. Auflage.
    • Bestes und erst noch billigstes Bestimmungsbuch; mit zahlreichen schwarz-weissen Detailzeichnungen und Flügelbildern
    • Mit dichotomem Bestimmungsschlüssel für Imagines; Artbeschreibungen
    • Verbreitungskarten
    • Gleichermassen für interessierte Anfänger und Fortgeschrittene geeignet
  • Brochard, C., D. Groenendijk, E. van der Ploeg & T. Termaat (2012): Fotogids Larvenhuidjes van Libellen. KNNV Uitgeverij, Zeist.
    • Hervorragendes Buch für die Bestimmung von Exuvien.
    • Der Bestimmungsschlüssel basiert auf Fotos mit allen nötigen Details.
  • Grand, D., J.-P. Boudot & G. Doucet (2014): Cahier d’identification des Libellules de France, Belgique, Luxembourg, et Suisse. Biotope, Mèze (collection Cahier d’identification).
    • Bestimmungsbuch für Larven (Exuvien) und Imagines, mit guten Fotos und Zeichnungen, Bestimmungsschlüssel
  • Dijkstra, K.-D.B & R. Lewington (Hrsg.) (2014): Libellen Europas – Der Bestimmungsführer. Haupt-Verlag, Bern.
    • Umfassender Bestimmungsführer für alle Libellenarten Europas mit Artbeschreibungen (nur Imagines) und Verbreitungskarten
    • Ohne dichotomen Bestimmungsschlüssel
    • Hervorragende Farbzeichnungen
    • Eine (englische) Neubearbeitung ist in Vorbereitung.
  • Bellmann, H. (2013): Der Kosmos Libellenführer'. Franck-Kosmos, Stuttgart
    • Kompakter Feldführer mit kurzen Artbeschreibungen und guten Fotos
    • Beinhaltet die Arten Mittel- und Südeuropas
    • Bestimmungsschlüssel für Larven und Adulte
    • Geeignet für Einsteiger und allgemein an Insekten Interessierte
  • Heidemann, H. & R. Seidenbusch (2002): Die Libellenlarven Deutschlands: Handbuch für Exuviensammler, Odonata. Goecke & Evers, Keltern.
    • Ausführliches Handbuch mit viel Text und zahlreichen Detailzeichnungen, allerdings etwas schwer handhabbar, da Text und Zeichnungen meist nicht beisammen sind.

Nationale und überregionale Faunenwerke

  • Boudot, J.-P. & V.J. Kalkman (eds) (2015): Atlas of the European dragonflies and damselflies. KNNV publishing, the Netherlands.
  • Boudot, J.-P., D. Grand, H. Wildermuth & C. Monnerat (2017): Les libellules de France, Belgique, Luxembourg et Suisse. Biotope, Mèze (Collection Parthénope), 2e éd.
  • Brockhaus, T., H.-J. Roland, T. Benken, K.-J. Conze, A. Günther, K.G. Leipelt, M. Lohr, A. Martens, R. Mauersberger, J. Ott, F. Suhling, F. Weihrauch & C. Willigalla (2015): Atlas der Libellen Deutschlands (Odonata). Libellula Supplement 14: 1-394.
  • Raab, R., A. Chovanec & J. Pennerstorfer (2006): Libellen Österreichs. Springer, Wien.
  • Riservato, E., A. Festi, R. Fabbri, C. Grieco, S. Hardersen, G. La Porta, E. Landi, M.E. Siesa & C. Utzeri (2014): Odonata. Atlante delle libellule italiane – preliminare. Società Italiana per lo Studio e la Conservazione delle Libellule. Edizione Belvedere, Latina.
  • Wildermuth, H., Y. Gonseth & A. Maibach (2005): Odonata – die Libellen der Schweiz. Fauna Helvetica 12, CSCF/SEG, Neuchâtel.

Weitere Literatur und Websites

  • Gonseth, Y. & C. Monnerat (2002): Rote Liste der gefährdeten Libellen der Schweiz. Hrsg. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern, und Schweizer Zentrum für die Kartographie der Fauna, Neuenburg. BUWAL-Reihe Vollzug Umwelt.
  • Eine sehr ausführliche Literaturliste findet sich in „Die Libellen Europas“.
  • Auf libellenschutz.ch hat es eine Literaturliste, welche auf ‚Die Libellen Europas’ und auf ‚Odonata – die Libellen der Schweiz’ beruht.

Verschiedenes

Libellenbeobachtungen melden

Für den Schutz und die Förderung der Libellen ist es wichtig, dass Sie Ihre Beobachtungen melden. Dafür steht Ihnen die Webfauna-App zur Verfügung. Informationen zur Meldung findet man zudem auf der Webseite des CSCF.

Rechtliches

Gemäss eidgenössischen Natur- und Heimatschutzverordnung (NHV) sind 22 Arten gesamtschweizerisch geschützt.

Libellen wecken Emotionen

galerie22 motivation xj hw 96 dpi.png
Libellen sind harmlos (sie stechen nicht, wie manche Leute glauben) machen neugierig, begeistern und eignen sich, den Kindern die Natur näher zu bringen.

Newsletter

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann melden Sie sich für unseren monatlichen Newsletter an und bleiben Sie informiert über aktuelle Artikel zur Förderung von Arten und Lebensräumen.

Autoren

Text Hansruedi Wildermuth hansruedi@wildermuth.ch
Verein biodivers info@biodivers.ch
Review Daniel Küry Life Science AG
Daniela Keller FORNAT
Christian Monnerat info fauna, CSCF