Kleinstrukturen

Aus Biodivers
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Eine kleinstrukturenreiche Landschaft mit Gebüschen und Steinhaufen.
Text Verein biodivers
Publikation


Das Wesentliche kompakt

Lebensraum Kleinstrukturen kompakt – ausgewähltes Wissen in Kurzform
Argumente für die Förderung von Kleinstrukturen
  • Kleinstrukturen gliedern die Landschaft, vernetzen sie und werten sie auf.
  • Kleinstrukturen fördern Nützlinge und seltene Arten; sie sind Jagdgrund, Nistplatz, Sonnenplatz, Überwinterungsort und Deckungsort zugleich.
  • Die meisten Kleinstrukturen sind einfach und kostengünstig zu erstellen und brauchen wenig Platz (Ausnahmen: Trockenmauern, grosse Einzelbäume).
  • Kleinstrukturen können auch im Siedlungsraum z.B. mit Schulklassen angelegt werden und tragen daher auch zur Umweltbildung bei.
Planung, Anlage und Unterhalt von Kleinstukturen - besonders wichtig zu wissen ist
Grundlagen
  • Kleinstrukturen fassen ganz unterschiedliche Elemente zusammenzufassen (Beispiele sind Asthaufen, Trockenmauern oder auch Nisthilfen).
  • Es gibt holzige, feuchte, steinig-trockene und krautige Kleinstrukturen.
  • Kleinstrukturen ergänzen bereits wertvolle Lebensräume (z.B. Hecken oder Magerwiesen). Als alleinige Aufwertungsmassnahmen sind sie ungeeignet.
  • Kleinstrukturen sollen mit wenigen Ausnahmen immer von einem Krautsaum begleitet werden.
  • Die Qualität der heutigen Kulturlandschaft ist ungenügend. Es benötigt eine zwei- bis dreifache Zunahme der Dichte von Strukturen.
Anlegen von Kleinstrukturen
  • Der Aufwand und die Anlage von Kleinstrukturen ist je nach Typ unterschiedlich, viele Strukturen lassen sich einfach und kostengünstig realisieren, so z.B. Ast- und Laubhaufen.
  • Für die Anlage der Kleinstrukturen sollen, wenn immer möglich lokale Materialen verwendet werden.
  • Für die Erstellung von Trockenmauern ist viel Erfahrung und Fachwissen nötig.
Unterhalt
  • Kleinstrukturen sollen so wenig wie möglich unterhalten werden (extensiver Unterhalt).
  • Die wichtigen Krautsäume rund um die Strukturen werden gestaffelt und selten gemäht, Abschnitte über den Winter stehen gelassen.
  • Kleinstrukturen sollen von starker Beschattung freigehalten werden (Ausnahme: Ast-Laubhaufen für Igel stehen bevorzugt schattig).
  • Für die Bewirtschaftung ist schonendes Mähgerät einzusetzen.
  • Für den Unterhalt soll der Jahreskalender der Pflegemassanahmen berücksichtigt werden.

Einleitung

Mit «Klein, aber oho!» lassen sich die Kleinstrukturen am treffendsten umschreiben. Man ist geneigt sie zu vergessen oder ihnen zu wenig Beachtung zu schenken, dabei spielen sie eine wichtige Rolle. Die unbeeinflusste Natur ist voller kleiner Strukturen. In einem Flussbett hat es Asthaufen, umgestürzte Bäume, Steine, Sandflächen, kleine Pfützen, Böschungen, Prallhänge, etc. In einem Moor hat es Wurzelteller, Bulten und Schlenken, abgestorbene Bäume, Rinnsale, etc. Eine Kulturlandschaft ist z. B. ausgestattet mit Einzelbäumen, Ast- und Lesesteinhaufen, Mauern, Zäunen, Hecken und Büschen. Sie gliedern die Landschaft und geben ihr ein «Gesicht». Diese kleinen Habitate sind Lebensraum für unzählige Tiere und Teil eines Netzwerks mit Trittsteinen und Wanderkorridoren. Früher waren sie meist ein Nebenprodukt der traditionellen Kulturlandschaft, heute werden sie zur Möblierung der Landschaft wieder bewusst angelegt. Sie brauchen wenig Platz und sind einfach zu erstellen. Sie eignen sich zur Förderung von Nützlingen wie Kleinsäugern und Wildbienen. Es ist wichtig, (weiterhin) Kleinstrukturen anzulegen, um ökologisch bereits wertvolle Gebiete aufzuwerten und ausgeräumte Landschaften zu bereichern. Im zweiten Fall braucht es gegenüber den Landwirten Überzeugungskraft und gute Argumente. Wir bieten Ihnen in diesem Artikel einen Überblick zur breiten Palette von Kleinstrukturen. Zu diesem Thema gibt es bereits sehr viele Broschüren, weshalb wir im Wesentlichen auf die unseres Erachtens besten verlinken. Was es von uns ordnungsbewussten Schweizerinnen und Schweizern insbesondere braucht, ist etwas mehr Toleranz für Wildnis, angefangen im ganz kleinen, z. B. einem Laubhaufen für den Igel im eigenen Garten.

Erinaceus europaeus 12, Egel, Saxifraga-Rudmer Zwerver zg 96 dpi .jpg
Der Igel (Erinaceus europaeus) ist auf Kleinstrukturen für die Überwinterung angewiesen.
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Wildbienen, wie hier für die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) profitieren stark von Kleinstrukturen in der Landschaft.
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Kleinstrukturen können in einem urbanen Umfeld auch kunstvoll integriert werden.

Praxisrelevante Ökologie

Typen von Kleinstrukturen

Kleinstrukturen lassen sich wegen Ihrer Heterogenität nicht «in eine Schublade» stecken. Es ist ein Sammelbegriff für kleine, punktuelle oder lineare Landschaftselemente. In der nachfolgenden Liste haben wir aufgeführt, was in Literatur und Broschüren als Kleinstrukturen geführt wird. Bei Bedarf kann man sie gruppieren, z. B. in feuchte, trockene, holzige, krautige Kleinstrukturen. Wichtiger ist allerdings, dass sie landschaftstypisch sind (s. unten). Die Liste ist nicht abschliessend. Zu den blau markierten gibt es weitergehende Informationen, die grünen werden in einem anderen Artikel (später) abgehandelt. Nicht aufgeführt sind aquatische Kleinstrukturen wie Raubäume. Diese werden wir zu einem späteren Zeitpunkt ergänzen.

Altgrasstreifen
Asthaufen
(Ast-)Laubhaufen
Baumstrunk und Wurzelteller
Böschungs- /Uferanriss
Brennnesselflur
(Brombeer-)Gestrüpp
Efeubewuchs an Bäumen
Einzelbäume
Felsaufschlüsse
Felsblöcke/Findlinge
Gebüsche/Hecken
Gräben (mit und ohne Wasser)
Hochstaudenflur
Holzbeigen
Holzpfähle
Kopfweiden
Nisthilfen Wildbienenhotels
Nisthöhlen
Pfützen und Tümpel (Kleinstgewässer)
Quellfluren
Ruderalflächen offener Boden
Sitzstangen
Steinhaufen
Steinkörbe
Steinlinsen
Strukturreiche Waldränder
Totholzbäume Totholz
Tristen (Streuhaufen) Grashaufen Komposthaufen
Trockensteinmauern
Wurzelstöcke

Ökologische Bedeutung

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Ein Grashaufen in Ergänzung zu einer Hecke ist idealer Schlupfort für div. Reptilien und Amphibien.
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Trockenmauern sind wohl die bekanntesten und landschaftsprägendsten Kleinstrukturen.
Zauneidechse auf Lesesteinhaufen 2 Andreas Meyer zg 96 dpi.JPG
Eine Zauneidechse (Lacerta agilis) sonnt sich auf einem Steinhaufen.

Kleinstrukturen haben folgende Funktionen und Eigenschaften, auf die nachfolgend summarisch eingegangen wird:

  • Vernetzungselemente, Trittsteine
  • Artenreiche Lebensräume
  • Wichtig für die Schädlings-Regulierung

Kleinstrukturen bieten verschiedensten Tierarten Rückzugsmöglichkeiten (Sicherheit vor Fressfeinden), Jagdlebensraum, Aufwärmstellen, Platz für die Fortpflanzung oder Überwinterungsorte. Sie bilden Mikrohabitate und haben ihr eigenes Mikroklima. Einige Beispiele für den Artenreichtum von Kleinstrukturen:

  • Auf einer alleinstehenden Eiche kommen bis zu 400 Arten von Wirbellosen vor.
  • Auf Trockenmauern können 50 Flechtenarten vorkommen. Für seltene Flechten sind Bäume mit einem minimalen Brusthöhendurchmesser von 38 cm wichtig (siehe Flechten-Artikel).
  • Im Raum Stuttgart wurden auf 37 Kopfweiden 223 Käferarten nachgewiesen.[1] Im Weiteren bieten sie Nischen für Höhlen bewohnende Vögel und Fledermäuse sowie Nahrung für rund tausend Insekten.[2]

Um Kleinstrukturen soll es immer einen Kraut- oder Altgrassaum haben. Dieser hat ähnliche Funktionen wie die Kleinstruktur selbst (bietet Deckung, Besonnung, Nahrung). Wie stark die Holz- und Steinstrukturen mit Gebüschen bewachsen sein sollen ist unterschiedlich und vor allem von den Zielarten abhängig. Für die Förderung von Amphibien, Reptilien und Insekten braucht es viel Wärme und entsprechend gering soll der Verbuschungsgrad sein (für Reptilien ist z. B. ein Verbuschungsgrad von 10 – 25% ideal (siehe Reptilienartikel)). Trockensteinmauern sollen i. d. R. gehölzfrei sein, weil die Wurzeln die Mauer zerstören können. Bereichernd können beispielsweise kleine (Rosen-)Büsche oberhalb einer Mauer sein.

Kleinstrukturen dienen als Trittsteine und Wanderkorridore. Es braucht ein möglichst engmaschiges Netz. Selbst für die agilen und mobilen Wiesel ist es wichtig, dass sie regelmässig Deckung finden können (z.B. in Hecken, Säumen oder ungemähten Restflächen), wenn die Distanz zwischen ihren Unterschlüpfen und ihren Jagdgebieten mehr als 20 Meter beträgt. Erdkröten sind ihre häufigen Bewegungen auf Strukturen angewiesen: Bei der Migration von Winterquartier zum Gewässer, bei der täglichen Mobilität im Sommerlebensraum und bei der Dispersion, wenn einzelne Tiere über weiter Strecken wandern.

Reichhaltig strukturierte Lebensräume sind für die Reptilen von zentraler Bedeutung (siehe Reptilienartikel).

Aus der Literatur und den verschiedensten Broschüren haben wir eine Zusammenstellung gemacht, welche Kleinstrukturen für welche Artengruppen besonders wichtig und wertvoll sind.

Förderung von Nützlingen für die Landwirtschaft

Mit der Anlage von Kleinstrukturen lassen sich Nützlinge fördern. Die Broschüre «Fördermassnahmen für Wiesel im Landwirtschaftsgebiet» zeigt sehr detailliert auf, wie die kleinen Marder zur Reduktion von Wühlmausschäden gefördert werden können.

In landwirtschaftlichen Produktionsflächen empfehlen das FiBL und die Vogelwarte die Anlage von Kleinstrukturen auch innerhalb der Kulturen und nicht nur an Randbereichen, um die Artenvielfalt, die Schädlingsregulierung, die Nützlingsförderung und Bestäubung zu unterstützen [3]. Hierfür eigen sich vor allem Teilflächen, in denen die Bewirtschaftung erschwert ist, wie Gräben, Böschungen oder Felsaufschlüsse sowie Bereiche, die wegen Infrastrukturbauen nicht genutzt werden können.

Planung, Anlage, Unterhalt und Aufwertung

Gemäss «Flächenbedarf für die Erhaltung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen in der Schweiz» [4] sind Strukturen und Kleinstgewässer Mangelware in der heutigen Landschaft. Die Qualität der Kulturlandschaft bezüglich Strukturen wird als ungenügend eingeschätzt. Es benötigt eine zwei- bis dreifache Zunahme der Dichte von Strukturen.

Planung und Anlage

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Eine ungestörte Ecke mit aufgeschichtetem Totholz.

Der Aufwand für Planung und Anlage variiert sehr stark. Sehr einfach sind sie z. B. für Asthaufen, aufwändiger für Trockensteinmauern und Steinlinsen. Kleinstrukturen können fast überall angelegt werden. Folgendes soll beachtet werden:

  • Keine bereits wertvollen Flächen (z. B. Magerwiesen, Moore) beeinträchtigen, sei es direkt oder indirekt durch Nährstoffeintrag aus verrottendem Material.
  • Die Struktur soll landschaftstypisch sein. Trockensteinmauern passen dort, wo es bereits solche hat oder Lesesteinhaufen neben einen steinigen Acker. Unpassend sind z. B. die «Möblierung» einer traditionell offenen Landschaft mit Bäumen und Hecken (siehe auch im Heckenartikel oder Steinhaufen in Mooren.
  • nicht im Hochwasserbereich von Fliessgewässern.
  • Gut besonnt (für Insekten, Amphibien, Reptilien)

Wenn möglich sollen biologische Aspekte berücksichtigt werden, d. h. insbesondere für diejenigen Arten und Artengruppen Kleinstrukturen anlegen, die man fördern möchte. Kleinstrukturen sollten für die maschinelle Bewirtschaftung kein Hindernis darstellen. Für die Anlage soll nach Möglichkeit Material aus Umgebung verwendet werden. Wenn man, wie bei Steinstrukturen oft der Fall, einen Teil unterirdisch anlegt, dann ist es wichtig, dass Wasser in der Senke nicht liegen bleiben kann! Ansonsten ist das Innere nass und für die Überwinterung für Tiere ungeeignet oder gar tödlich.

Die Kosten sind für viele Kleinstrukturen sehr gering. Bei Einzelbäumen ist es abhängig von der Grösse des Baums. Teuer ist der Bau von Steinlinsen, Trockensteinmauern und Gabionen. Detaillierte Angaben können der Tabelle entnommen werden.
  1. Konold, 2014: Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege, Kap. XIII-7.17, S. 6
  2. Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, 2003: Kleinstrukturen-Praxismerkblatt 5. Kopfweiden, Zürich.
  3. Graf et al., 2016: Biodiversität auf den Landwirtschaftsbetrieb. Ein Handbuch für die Praxis. 1. Auflage. FiBL Forschungsinstitut für biologischen Landbau und Schweizerische Vogelwarte Sempach. Frick/Sempach. S. 137.
  4. Guntern et al. 2013: Flächenbedarf für die Erhaltung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen in der Schweiz. Hrsg.: Forum Biodiversität Schweiz, Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT), Bern. 234 Seiten.