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Von den etwa 200 Brutvögeln in der Schweiz sind fast 40% auf der Roten Liste aufgeführt. Sie sollen über den Lebensraumschutz oder mit gezielten Massnahmen für die einzelnen Arten gefördert werden. Der Wiedehopf (Upupa epops) braucht reich strukturierte, landwirtschaftlich extensiv genutzte, insektenreiche Flächen mit lückiger Vegetation.


Text Eva Inderwildi
Review Christian Meisser, Stefan Werner
Publikation April 2019
Aktuell Dezember 2020



Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

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Feuchtgebiete wie das abgebildete Neeracherried sind für viele seltene Vogelarten wie Bekassine (Gallinago gallinago), Tüpfelsumpfhuhn (Porzana porzana), Weissstorch (Ciconia ciconia) und verschiedene Entenarten essentielle Lebensräume.

Die rund 200 Brutvogelarten der Schweiz besiedeln alle Lebensräume von den tiefen Lagen bis in die alpine Stufe. Vögel können mit der Förderung der Lebensräume auf der gesamten Fläche (Habitatschutz, z. B. naturnaher Waldbau), mit der Ausscheidung von Schutzgebieten oder mit spezifischen Artenförderungsmassnahmen gefördert werden. Je nach Lebensraum und Art sind die Ansprüche sehr unterschiedlich, weswegen die Massnahmen im Kapitel Erhalt und Förderung nach Lebensräumen gegliedert sind und in einem eigenen Kapitel auf die spezifischen Artenförderungsmassnahmen eingegangen wird.

Knapp 40% der Brutvögel der Schweiz sind auf der Roten Liste aufgeführt. Arten der Roten Liste finden sich in allen Lebensräumen, aber der Anteil der gefährdeten Arten ist im Kulturland und in den Feuchtgebieten besonders hoch. Massnahmen zur ökologischen Aufwertung dieser Lebensräume sind deswegen besonders wichtig. Aufgrund der Stellung in der nationalen Roten Liste und der internationalen Bedeutung der Schweizer Bestände wurden 118 National Prioritäre Vogelarten bezeichnet. Von diesen wurden unter Berücksichtigung des Handlungsbedarfs sowie der Wirksamkeit bereits vorhandener Naturschutzinstrumente 50 Prioritätsarten Artenförderung bezeichnet.

Aktuell

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Der Steinkauz ist der Vogel des Jahres 2021

Fördermassnahmen für den Steinkauz umfassen ein ganzes Massnahmenpaket. Bestehende Hochstammobstgärten und Eichen­haine müssen erhalten und wieder Jungbäume gepflanzt werden. Ein ­vielfältiges Mosaik aus extensiven Wiesen mit unterschiedlichen Schnittzeitpunkten und Weiden muss im Obstgarten gefördert ­werden. Lückige Vegetation und zahlreiche Kleinstrukturen sind weitere wichtige Lebensraumelemente. Nisthilfen können fehlende natürliche Höhlen im Kulturland ausgleichen. BirdLife Schweiz hat auf seiner Webseite viele wertvolle Informationen zur Förderung des Steinkauzes aufgeschaltet.

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In den Schweizer Alpen hat die biologische Vielfalt von Vögeln in den letzten 20 Jahren immer mehr abgenommen.

Die Vogelgemeinschaften in den verschiedenen Höhenstufen gleichen sich immer mehr an und decken auch weniger ökologische Funktionen ab. Diese Entwicklung hängt wahrscheinlich mit der Klimaerwärmung und Änderungen in der Landnutzung zusammen. (Weitere Informationen)

Systematik

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Der etwa Krähen-grosse Urvogel Archaeopteryx lebte vor gut 150 Mio. Jahren. Er zeigt sowohl Merkmale von Reptilien als auch von Vögeln und war flugfähig

Vögel existieren seit rund 150 Mio. Jahren und sind die jüngste Klasse innerhalb der Wirbeltiere. Sie sind nahe mit den Reptilien verwandt und direkte Nachkommen der Dinosaurier. Die Entwicklung der heutigen Vogelgruppen begann vor gut 70 Mio. Jahren. Weltweit kommen heute rund 10'700 Arten in 36 Ordnungen vor. In der Schweiz sind rund 180 Vogelarten aus 17 Ordnungen regelmässige Brutvögel. Weitere Vogelarten treten in der Schweiz als unregelmässige Brutvögel (24 Arten), Durchzügler oder Wintergäste auf.

Links

Praxisrelevante Ökologie

Lebensräume

Vögel besiedeln alle Lebensräume von den tiefen Lagen bis in die alpine Stufe. Manche Arten konnten sich gut an vom Menschen geprägte Lebensräume wie den Siedlungsraum anpassen, andere Arten sind sehr störungsanfällig und kommen nur in abgelegenen Lebensräumen vor. Die Förderung der Vögel, basierend auf Lebensraummassnahmen, wird im Kapitel 4 Erhalt und Förderung nach folgenden Habitaten aufgeteilt:

  • Fliessgewässer und Seen
  • Moore und Riedgebiete
  • Wälder
  • Kulturland
  • Gebirge
  • Siedlungsraum
  • Abbaustellen (Kiesgruben und Steinbrüche)
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Manche Arten, wie der Haussperling (Passer domesticus, links) leben in enger Nähe zum Menschen, andere Arten wie das Birkhuhn (Tetrao tetrix, rechts) brauchen störungsarme Lebensräume.

Manche Gebiete beherbergen Vogelgemeinschaften oder Vogelansammlungen, für die wir in der Schweiz eine besondere Verantwortung tragen. Dazu zählen die - Wasser- und Zugvogelreservate von internationaler und nationaler Bedeutung WZVR: Die entsprechende Verordnung soll die Lebensräume der ganzjährig in der Schweiz lebenden Wasservogelarten sowie die wichtigen Winterquartiere und Durchzugsgebiete der Zugvögel schützen

Andere Schutzgebiete wie die verschiedenen Biotope von nationaler Bedeutung, kantonale Schutzgebiete, kommunale Schutzgebiete und Waldreservate sind ebenfalls sehr wichtige Lebensräume für gewisse Vogelarten. So sind z. B. Moore und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung wichtig für Wiesen- und Schilfbrüter. Waldreservate spielen eine grosse Rolle für Arten, die Alt- und Totholz benötigen. Generell sind Schutzgebiete bedeutende Bestandteile der ökologischen Infrastruktur.

Ein Teil der Kantone haben gezielt Wildruhezonen für das Auerhuhn oder das Birkhuhn ausgeschieden, um Störungen für diese Arten zu reduzieren.

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Die Wasser- und Zugvogelreservate beherbergen im Winter grosse Ansammlungen von Enten und anderen Wasservögeln für die die Schweiz internationale Verantwortung trägt.
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Die 31 Important Bird and Biodiversity Areas IBA der Schweiz decken von Gewässern bis zu hochmontanen Gebieten diverse Lebensräume der Vögel ab.

Biologie

Vögel haben zum Teil sehr verschiedene ökologische Ansprüche und leben daher in sehr unterschiedlichen Lebensräumen. Entscheidende Faktoren sind ausreichend grosse geeignete Lebensräume, das Angebot und die Zugänglichkeit von Nahrung sowie das Vorhandensein von geeigneten Brutplätzen. Zudem spielen je nach Art auch andere Faktoren eine Rolle, wie z. B. das Vorhandensein von Singwarten und Versteckmöglichkeiten, der Konkurrenzdruck durch Artgenossen oder andere Arten und die Anwesenheit von Prädatoren oder Menschen.

Die Vögel der Schweiz ernähren sich unterschiedlich. Das Spektrum reicht von tierischer Nahrung (Fleisch, Fisch, Insekten, etc.) bis zu vegetativen Pflanzenteilen (Blätter, Gräser, Knospen) oder Samen und Früchten. Die meisten bei uns vorkommenden Vögel sind an eine bestimmte Nahrung besonders gut angepasst. Sie können zwar bei Gelegenheit auch auf andere Nahrungsquellen umstellen, für das langfristige Überleben und eine erfolgreiche Fortpflanzung sind sie jedoch auf ihre (saisonal) bevorzugte Nahrung angewiesen. Das Nahrungsangebot für Standvögel und Kurzstreckenzieher verändert sich jahreszeitlich stark. Es gibt jedoch auch viele echte Nahrungsspezialisten, z. B. Eisvogel oder Mauersegler. Diese Spezialisten ziehen entweder in Gebiete, in denen ihre Nahrung auch im Winter verfügbar ist oder sie haben Nahrungsquellen erschlossen, welche auch hier das ganze Jahr über verfügbar sind.

Was den Neststandort anbelangt sind die Vögel in der Regel auf einen bestimmten Typ spezialisiert. Man unterscheidet Höhlen- und Nischenbrüter, Baum- und Gebüschbrüter, Bodenbrüter, Felsbrüter und Vögel, die in Schwimmnestern brüten. Die Nistplatztreue ist bei einigen Vogelgruppen, wie z. B. Seglern, Schwalben und Greifvögeln gross, das heisst die Vögel kehren Jahr für Jahr an die bestehenden Brutplätze zurück. Es ist deswegen wichtig, diese Brutplätze und Nester als zentralen Teil ihres Lebensraumes zu erhalten.

Bei der Jungenaufzucht haben die Vögel zwei unterschiedliche Strategien: Bei den Nesthockern (z. B. Eulen, Greifvögel und Singvögel) kommen die Jungtiere noch nicht vollständig entwickelt zur Welt. Die oft nackten und blinden Küken bleiben im Nest und werden dort von den Eltern aufgezogen. Die schon viel weiter entwickelten Küken der Nestflüchter (z. B. Enten, Hühnervögel) sind in der Lage, sofort nach dem Schlüpfen zu laufen und ihren Eltern zu folgen.

Relevant für den Schutz der Vögel ist auch ihre Reproduktionsstrategie. Es gibt langlebige Arten, die jährlich nur wenige Nachkommen haben (Störche, Greifvögel) und kurzlebige Arten, die dafür in einem Jahr viele Nachkommen produzieren (viele Eier pro Gelege, mehrere Bruten pro Jahr, z. B. viele Singvogelarten). Bei langlebigen Arten beeinflusst der frühzeitige Tod einzelner Individuen die Bestandsentwicklung in viel grösserem Masse als bei kurzlebigen Arten.

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Mehlschwalben (Delichon urbicum) kehren jedes Jahr an den gleichen Brutstandort zurück und nutzen auch die Nester vom Vorjahr. Es ist deswegen sehr wichtig, diese zu erhalten
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Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist unsere einzige Vogelart, die ihre Eier immer von einer fremden Vogelart ausbrüten lässt (Brutparasitismus). Sie ist auf ein reiches Angebot an grossen Insekten, hauptsächlich Raupen, und einen guten Wirtsvogelbestand angewiesen

Ökologie

Mobilität

Als grundsätzlich sehr mobile Tiere führen viele Vögel Ortsveränderungen durch, sowohl im Tages- und Jahresverlauf als auch über das gesamte Leben oder über Lebensabschnitte hinweg. Viele Arten verlassen die Schweiz im Herbst (Zugvögel). Unter diesen findet man Kurzstreckenzieher, die im Mittelmeerraum überwintern und Langstreckenzieher, die südlich der Sahara den Winter verbringen. Bei den Teilziehern, zieht nur ein Teil der Population, der Rest überwintert im Brutgebiet. Aber auch Arten, die das ganze Jahr in der Schweiz anzutreffen sind (Standvögel), können im Sommer und Winter andere Gebiete nutzen. So nutzen z. B. Eisvögel (Alcedo atthis) ausserhalb der Brutzeit fischreiche Gewässer, die aber keine Brutplätze aufweisen, oder weichen beim Zufrieren ihrer Bäche und Seen auf eisfreie Gewässer aus. Manche Alpenvögel ziehen im Winter etwas weiter ins Tal hinunter (Vertikalzug). Die Reviergrössen während der Brutzeit reichen von 0.25 ha oder weniger z. B. beim Buchfinken (Fringilla coelebs) bis zu mehreren 100 km2 beim Steinadler (Aquila chrysaetos). Die Reviergrösse variiert aber auch innerhalb einer Art in Abhängigkeit der Lebensraumqualität und des schwankenden Nahrungsangebots. Um tragfähige Populationen zu erhalten, brauchen viele Vogelarten grossflächig geeignete Lebensräume.

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Vertreter der unterschiedlichen Zugstrategien der Vögel: Buntspecht (Dendrocopos major, Standvogel), Singdrossel (Turdus philomelos, Kurzstreckenzieher), Mauersegler (Apus apus, Langstreckenzieher), Rotkehlchen (Erithacus rubecula, Teilzieher), Wasseramsel (Cinclus cinclus, Vertikalzieher)

Vögel als Indikatoren

Das Vorkommen von Vogelarten ist gebunden an das Vorhandensein von geeigneten Lebensräumen (Wald, Gewässer, Offenland, usw.), Habitatstrukturen (z. B. Höhlenbäume) und von Nahrung z. B. in Form von Insekten, Kleintieren oder Samen. Verliert die Landschaft an Strukturen oder gehen die Insekten zurück, so werden auch die davon abhängigen Vogelbestände abnehmen. Durch ihre eher auffällige Lebensweise (Gesang) und im Vergleich zu anderen Gruppen gute Bestimmbarkeit sind die meisten Vogelarten in ihren Beständen im Vergleich zu anderen Organismengruppen einfach zu erfassen. Daher eignen sich die Vögel gut als Indikatoren für den Zustand der jeweiligen Lebensräume.

Links

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Der Mittelspecht (Dendrocopos medius) ist ein Indikator für eichen- und totholzreiche Wälder in tieferen Lagen. Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) kommt typischerweise in artenreichen, spät gemähten Heuwiesen vor

Erhalt und Förderung

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Im Landwirtschaftsgebiet braucht es mehr und qualitativ deutlich bessere Ökoflächen wie Buntbrachen oder extensive Wiesen

Wie im Naturschutz allgemein, kann der Vogelschutz auf drei Ebenen ansetzen: Förderung der Vögel auf der ganzen Flächen indem z. B. der Waldbau naturnah gestaltet wird (Habitate), Förderung der Vögel durch Schutzgebiete (Gebiete) und Förderung der Vögel durch zusätzliche spezifische Massnahmen auf Artniveau (Artenförderung), falls die beiden anderen Ansätze für den Erhalt einer Art nicht genügen. In den folgenden Unterkapiteln werden Massnahmen für die unterschiedlichen Lebensräume genannt (betrifft hauptsächlich die erste Ebene). Näheres zu den spezifischen Massnahmen auf Artniveau ist im Kapitel 5 Artenförderung zu finden.

Konkrete Fördermassnahmen nach Lebensraum

Bei vielen der hier beschriebenen Massnahmen handelt es sich um allgemeine Massnahmen zur Verbesserung des Lebensraums. Sie haben einen indirekten Einfluss auf die Vogelarten, indem sie z. B. auf die Insekten wirken und so die Nahrungsgrundlage für die Vögel verbessern.

Seen und Fliessgewässer

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Karte aller Wasser- und Zugvogelreservate in der Schweiz (Stand 2015)

Trotz der geringen Landesfläche liegen einige der grössten, im Winter eisfreien Binnenseen Europas ganz oder teilweise in der Schweiz. Entsprechend wichtig ist die Schweiz für Wasservögel, und sie trägt eine hohe internationale Verantwortung für diesen Lebensraum und die hier vorkommenden Arten. Obwohl die Wasserqualität der meisten Seen heute als gut bezeichnet werden kann, ist die Nähr- und Schadstoffbelastung vor allem bei einigen kleineren Seen nach wie vor problematisch. Zudem ist auf vielen Seen und entlang von Fliessgewässern der Störungsdruck durch Freizeitaktivitäten sehr hoch, was sowohl brütende als auch überwinternde oder auf dem Zug rastende Wasservögel betrifft. Die überlebenswichtigen Energiereserven rastender Vögel können durch Störungen und Flucht angegriffen werden. Die Uferzonen sind zudem sehr häufig zugebaut oder melioriert, die noch vorhandenen Naturbereiche oftmals einem starken Nährstoffeinfluss oder sonstigem Nutzungsdruck ausgesetzt.

Massnahmen:

  • konsequenter Schutz aller wichtigen Wasser- und Zugvogelgebiete
  • Benennung weiterer wichtiger Wasservogelgebiete als WZVV-Reservate nationaler Bedeutung
  • Gewässerräume ausscheiden und einhalten, auch bei Zuflüssen
  • Biodiversität beim Wasserstandsmanagement der Seen besser berücksichtigen
  • Revitalisierungen von begradigten Bächen und Flüssen
  • Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gewässer- und Geschiebedynamik
  • natürliche Ufervegetation erhalten und fördern
  • Erhöhung der Restwassermenge in Flussabschnitten unterhalb von Wasserkraftwerken
  • Besucherlenkung durch Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten über einen ganzen Fluss, Bach oder Uferabschnitt mit Schwerpunkten für die Naherholung und ungestörten Bereichen für die Natur
  • Informations- und Sensibilisierungsarbeit insbesondere für neue Sportarten (Paddle) verstärken
  • Sanierungen des Schwall/Sunk-Regimes der Gewässer
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Kiesbänke werden gerne von Erholungssuchenden genutzt. Die häufigen Störungen verunmöglichen das Brüten des stark gefährdeten Flussuferläufers (Actitis hypoleucos, rechts) und anderer Bodenbrüter

Moore und Riedgebiete

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Es braucht grossflächige Wiedervernässungen wie sie in den Nachbarländern schon länger umgesetzt werden, wie zum Beispiel im Peenetal in Nordostdeutschland

Entwässerungen in grossem Stil haben die Feuchtgebiete der Schweiz auf einen Bruchteil der ursprünglichen Fläche reduziert (-90%). Eingriffe in den Wasserhaushalt und die Nährstoffbelastung setzen dem verbliebenen Rest nach wie vor zu, denn sie führen zu Vegetationsveränderungen und Verbuschung. Entsprechend sind viele Vogelarten der Feuchtgebiete stark gefährdet oder bereits ausgestorben.

Massnahmen:

  • Austrocknen der Feuchtgebiete verhindern
  • Verbuschen der Feuchtgebiete verhindern
  • Wasserstandsregime an die Zielarten anpassen
  • ökologisch ausreichend grosse Pufferzonen einhalten (Nährstoffpuffer, hydrologischer Puffer und Störungspuffer)
  • differenzierte Pflege- und Gebietsmanagementpläne (menschliche Aktivitäten kanalisieren) erarbeiten und umsetzen
  • Wiedervernässungen und Regenerationen durchführen

Links

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Der Grosse Brachvogel (Numenius arquata) brütet in grossflächigen Mooren und Feuchtwiesen. In der Schweiz ist er inzwischen als Brutvogel ausgestorben

Wälder

Natürlicherweise wäre die Schweiz grösstenteils von Wald bedeckt. Wieviel Offenland historisch durch Moore, Waldbrände, Grossherbivoren oder andere Einflussfaktoren bestand, ist nicht bekannt. Heute macht der Wald noch etwa einen Drittel der Landesfläche aus. Im Mittelland ist die Waldfläche stabil, während sie auf der Alpensüdseite und in den Alpen zunimmt (seit 1985 je nach Region 8 bis 28% laut Landesforstinventar 2013). Im Wirtschaftswald sind durch den naturnahen Waldbau häufige Arten häufig geblieben, doch sind zahlreiche anspruchsvollere Arten gefährdet durch den gleichförmigen Hochwald, der den Wald sehr stark verdunkelt, und durch den Mangel an Totholz und Zerfallsstrukturen im Wald.

Massnahmen:

  • naturnaher Waldbau auf der ganzen Fläche des bewirtschafteten Waldes
  • Totholzanteil deutlich steigern auf 30-60m3 pro Hektare
  • Ausscheidung von mind. 10 für diesen Zweck geeigneten Biotopbäumen pro Hektare
  • Altholzinseln
  • Lichte Wälder
  • breite Übergangsbereiche Wald-Kulturland
  • Totalreservate und Sonderwaldreservate einrichten
  • keine Pflanzung und Förderung exotischer Baumarten als Anpassung an den Klimawandel

Links


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Die Höhlen, die Schwarzspechte (Dryocopus martius) zimmern, werden später noch von vielen anderen Vogelarten, sowie Fledermäusen und Insekten genutzt. Das Stehenlassen von solchen Höhlenbäumen ist eine wichtige Fördermassnahme nicht nur für Vögel, sondern allgemein für die Biodiversität im Wald

Kulturland

Die Landwirtschaft wurde um ca. 5500 v. Chr. in Europa etabliert und schuf neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Zahlreiche Vogelarten siedelten sich im neuen Kulturland an – darunter einheimische Arten von offenen Lebensräumen wie Mooren und alpinen Wiesen, Waldarten, die sich anpassen konnten, aber auch eingewanderte Arten, die ursprünglich zum Beispiel aus Steppengebieten stammten. Das Kulturland umfasst Habitate wie Wiesen und Weiden, Ackerland, Obstgärten, Reben, Hecken und Feldgehölze. Durch die intensivierte landwirtschaftliche Nutzung verlor das Kulturland in den letzten Jahrzehnten viel von seinem ursprünglichen Wert für die Vögel und andere Tiere. Die Intensivierungstendenz geht noch weiter. Problematisch ist unter anderem der massive Dünger- und Pestizideinsatz, der die Vielfalt der Pflanzen und Insekten stark reduziert und somit den Vögeln die Nahrungsgrundlage entzieht. So ist der Anteil der Arten der Roten Liste bei den Kulturlandvögeln besonders hoch. Aber nicht nur die Intensivierung schafft Probleme, sondern auch die Versiegelung von Kulturland sowie die Nutzungsaufgabe. Da Wiesland an natürlicherweise bewaldeten Standorten geschaffen wurde, bedeutet die Nutzungsaufgabe unterhalb der Waldgrenze eine Wiederbewaldung.

Massnahmen:

  • weiteren Qualitätsverlust bei Trockenwiesen- und Weiden verhindern (kein Nährstoffeintrag, keine Beregnung, Pufferzonen einrichten, geeignete Bewirtschaftung)
  • gestaffelter Schnitt, späterer Schnittzeitpunkt und/oder weniger Schnitte/Jahr bei Wiesen
  • Hochstammobstbäume mit extensiv genutztem Unterwuchs, gestaffelter Mahd, offenen Bodenstellen und hoher Strukturvielfalt fördern
  • Rebberge mit lückiger Bodenbegrünung, sowie artenreichen Hecken und Baumgruppen
  • Anlage von Hecken im Kulturland fördern
  • Anlage von bevorzugt mehrjährigen Brachen (und anderen Biodiversitätsförderflächen) sowie Vernetzungsprojekte im Kulturland fördern
  • Verhinderung der völligen Nutzungsaufgabe von abgelegenen Flächen
  • Biodiversitätsfreundliche Produktion fördern
  • Pestizideinsatz minimieren
  • Düngereinsatz reduzieren

Links
Hochstammobstgärten:

Rebberge:

Lückige Vegetation

Landwirtschaft:

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Reich strukturierte Hochstammobstgärten mit angepasstem Unternutzen (gestaffelter Schnitt) sind ein wertvoller Lebensraum für den Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) und andere Arten der halboffenen Landschaft

Vielen Vögeln des Landwirtschaftsgebiets geht es in ganz Europa schlecht, allen voran jenen Arten, die in Afrika überwintern. Sind also Veränderungen in den Zug- und Überwinterungsgebieten für die Bestandsverluste verantwortlich? Eine neue Studie zeigt nun, dass dies zumindest für das Braunkehlchen nicht der Fall ist. Die Verantwortung liegt in Europa. (Weitere Informationen)

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Sinkende Braunkehlchenbestände: Das Hauptproblem liegt in Europa.

Siedlungsraum

Noch stärker als das Kulturland ist der Siedlungsraum ein vom Menschen geschaffener und geprägter Lebensraum. Obwohl die Artenzahl hier meist tiefer ist als in naturnahen Lebensräumen, sind Siedlungsgebiete für einige Arten zu einem wichtigen Sekundärhabitat geworden.

Massnahmen:

  • Grünflächen fördern und erhalten und mit einheimischen Pflanzen begrünen (Blumenwiesen, Sträucher, Bäume)
  • Anlage von naturnahen Gärten und Umgebungsgestaltungen (auch bei Mehrfamilienhaussiedlungen, Firmen und öffentlichen Gebäuden)
  • Verzicht auf Pestizide und Dünger
  • Nistmöglichkeiten beim Bau und der Renovation von Gebäuden einplanen
  • Glasflächen so gestalten, dass das Kollisionsrisiko für Vögel möglichst gering ist
  • Beleuchtung naturfreundlich planen, unnötige Lichtemissionen vermeiden
  • wo immer möglich auf Versiegelung der Böden verzichten
  • intensiv begrünte Dächer und begrünte Hauswände fördern
  • Beleuchtung optimieren (Leuchtkörperdichte verringern, gezielt beleuchten, Lichtmenge reduzieren bis Zeitabschaltung, Leuchtspektrum)

Links

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Blumenwiesen, einheimische Bäume und Sträucher sowie in Bauten integrierte Nisthilfen bieten den Vögeln im Siedlungsraum Nahrung und Brutplatz

Gebirge

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Schneesperling (Montifringilla nivalis) und Alpenbraunelle (Prunella collaris) sind zwei typische Vertreter der Alpen.

Gebirgslandschaften dominieren weite Teile der Schweiz. Sie bieten Lebensraum für viele spezialisierte Tier- und Pflanzenarten, darunter auch einige Vogelarten. Mehrere Bergvogelarten haben in den Schweizer Alpen grosse Bestände, die von europäischer Bedeutung sind, z. B. die Alpenbraunelle (Prunella collaris). Deshalb trägt die Schweiz für viele Gebirgsarten eine hohe Verantwortung. Aufgrund der topografischen und klimatischen Bedingungen sind Gebirge wesentlich weniger dicht von Menschen besiedelt und weniger intensiv genutzt als das Mittelland. Deshalb haben in den Alpen und im Jura einige früher im Mittelland ebenfalls verbreitete Arten noch überlebt. Doch auch in den Bergregionen gerät die Natur zunehmend unter Druck. Die Landwirtschaft wird vielerorts entweder intensiviert oder gänzlich aufgegeben, was unterhalb der Baumgrenze zur Wiederbewaldung oder Intensivierung wertvoller, extensiv genutzter Heuwiesen führt. Problematisch ist auch der zunehmende Nutzungsdruck durch den Tourismus, da immer mehr Leute Erholung in der „unberührten“ Bergwelt suchen und mit technischen Hilfsmitteln (Seilbahnen, E-Bikes) auch die hintersten Winkel erschlossen sind. Auch die Zonen oberhalb der Baumgrenze mit typischen Arten wie Alpenschneehuhn (Lagopus muta) und Birkhuhn (Tetrao tetrix) geraten zunehmend unter Druck – im Sommer wie im Winter.

Art Lebensraum Anteil (%)
Schneesperling (Montifringilla nivalis) Alpine Gipfel 25
Bergpieper (Anthus spinoletta) Alpine Wiesen und Weiden 25
Alpenbraunelle (Prunella collaris) Alpine Gipfel 21
Alpendohle (Pyrrhocorax graculus) Alpine Gipfel 19
Ringdrossel (Turdus torquatus) Baumgrenze 15
Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) Bergregionen, Städte 13
Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) Bergwälder 12
Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapilla) Misch- und Nadelwälder 10
Steinhuhn (Alectoris graeca) Trockenwarme Bergregionen 8
Zitronengirlitz (Serinus citrinella) Bergwälder, Baumgrenze 7
Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra) Nadel- und Bergwälder 6
Steinadler (Aquila chrysaetos) Bergregionen 6
Schwarzmilan (Milvus migrans) Kulturland, Seeufer 6
Mäusebussard (Buteo buteo) Kulturland 6
Rotmilan (Milvus milvus) Kulturland 5
Tannenmeise (Periparus ater) Misch- und Nadelwälder 5

Erläuterung zur Tabelle: Unter den Arten mit im internationalen Vergleich grossen Vorkommen in der Schweiz (aufgeführt der Anteil am europäischen Bestand) finden sich viele Gebirgsarten (Tabelle ergänzt mit Spalte "Lebensraum" nach Maumary L., L. Vallotton & P. Knaus (2007) Die Vögel der Schweiz. Schweizerische Vogelwarte, Sempach, und Nos Oiseaux, Montmollin).

Massnahmen:

  • keine Bewässerung und Düngung der wertvollsten Trockenwiesen und Weiden in den Bergen
  • Fortführung der extensiven Nutzung wertvoller Wiesen und Weiden
  • Besucherlenkungsmassnahmen (Wildtierruhezonen, Weggebote, ganzjährige oder saisonale Flug- und Kletterverbote an Brutfelsen)
  • keine Ausdehnung von touristischen Infrastrukturen in noch unbebaute Gebiete

Links

Abbaustellen (Kiesgruben und Steinbrüche)

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Kiesgruben sind für einige Vogelarten wie die Uferschwalbe (Riparia riparia) oder den Bienenfresser (Merops apiaster) zu einem wichtigen Ersatzlebensraum geworden

Abbaustellen wie Kiesgruben und Steinbrüche sind vom Menschen geschaffene künstliche Lebensräume, die von der Struktur her natürlichen Felswänden oder Ufern von Flüssen (vegetationsloser Boden, Sandwände) ähneln und deswegen von manchen spezialisierten (Vogel)arten besiedelt werden. Da in der Schweiz kaum noch natürliche Flussläufe vorhanden sind, sind Kiesgruben für manche Arten (z. B. Flussregenpfeifer Charadrius dubius, Uferschwalbe Riparia riparia) ein wichtiger Ersatzlebensraum geworden. Allerdings bestehen diese Lebensräume meist nur für eine befristete Zeit.

Massnahmen:

  • bestehende Brutplätze in Abbaustellen nach Möglichkeit erhalten (mit Absperrungen sichern, Brutwand jährlich ausserhalb der Brutzeit neu abstechen, um Erosion entgegen zu wirken)
  • bei Schliessung der Abbaustelle Ersatzbrutplätze schaffen (z. B. Sandschüttung für Uferschwalben)
  • Besucherdruck verringern
  • Naturnahe Rekultivierung nach Aufgabe der Nutzung

Link

Allgemeine Fördermassnahmen

In allen Lebensräumen wird die Vielfalt der Kleinlebewesen durch das Anlegen von Kleinstrukturen (Stein- und Asthaufen, Altgrasstreifen, usw.) gefördert. Vögel profitieren direkt von den vorhandenen Strukturen (z. B. Brutplatz) und indirekt durch ein höheres Nahrungsangebot.

Artenförderung

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Der Weissstorch (Ciconia ciconia) und das Auerhuhn (Tetrao urogallus) gehören sowohl zu den National Prioritären Vogelarten wie auch zu den Prioritätsarten Artenförderung

Für manche Vogelarten sind die Massnahmen des Naturschutzes auf der ganzen Fläche oder das Ausscheiden von Schutzgebieten allein nicht ausreichend. Sie benötigen zusätzliche, spezifische Artenförderungsprogramme. 2003 haben BirdLife Schweiz, die Schweizerische Vogelwarte Sempach und das Bundesamt für Umwelt BAFU das Programm „Artenförderung Vögel Schweiz“ gestartet, um bestehende Artenförderungsprojekte zu koordinieren, neue Vorhaben zu lancieren und die verschiedenen Akteure fachlich zu unterstützen. Aufgrund der Stellung in der nationalen Roten Liste und der internationalen Bedeutung der Schweiz für eine Art wurden 118 National Prioritäre Vogelarten bezeichnet und davon wurden unter Berücksichtigung des Handlungsbedarfs sowie der Wirksamkeit bereits vorhandener Naturschutzinstrumente 50 Prioritätsarten Artenförderung bezeichnet.

Links

Für folgende Arten sind nationale Aktionspläne erstellt worden:

Merkblätter und Informationen für die Förderung einzelner Arten:


Für Gemeinden

Für Private


Kompetente Beratung für Artenschutzprojekte erhalten Sie bei BirdLife Schweiz oder der Schweizerischen Vogelwarte Sempach.


Weitere Grundlagen für Artenschutzprojekte:

Nisthilfen

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Diese künstliche Wiedehopfbrutnische in einer Trockensteinmauer hilft den Mangel an natürlichen Nisthöhlen zu überbrücken

Nisthilfen sind dort, wo nicht ausreichend natürliche Strukturen als Nistplätze vorhanden sind, ein Teil der Artenförderung für Höhlenbrüter. Langfristiges Ziel sollte sein, dass mit Lebensraummassnahmen mit der Zeit wieder ausreichend natürliche Nistmöglichkeiten existieren. Im Kapitel Artenschutz sind unter den Links zu den Arten auch Angaben zu spezifischen Nisthilfen zu finden.

Links

Fütterung

Eine sachgemässe Zufütterung in Zeiten mit Nahrungsmangel kann den Kleinvögeln im Siedlungsbereich das Überleben erleichtern, vor allem bei Schnee und gefrorenem Boden im Winter. Seltene und gefährdete Arten kommen kaum an die Futterstellen in den Siedlungsräumen. Fütterung ist keine nachhaltige Artenförderungsmassnahme. Futterstellen bieten aber eine gute Gelegenheit, Vögel aus der Nähe zu beobachten und ermöglichen somit schöne Naturerlebnisse und eine Sensibilisierung für die Vogelwelt. Deshalb ist gegen ein sachgemässes und massvolles Füttern im Winter nichts einzuwenden. Es ist besonders auf die Hygiene am Futterhäuschen zu achten, sowie auf das Verabreichen von artgerechter Nahrung (z. B. kein Brot).

Links

Wiederansiedlung von Vögeln

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Wiederansiedlung von Bartgeiern (Gypaetus barbatus) in der Innerschweiz

Das Konzept Artenförderung des Bundes, sowie die IUCN haben klare Richtlinien erstellt, wann eine Wiederansiedlung von Vögeln (und anderen Organismen) in Frage kommt. Unter anderem gilt es abzuklären, ob das Ziel-Gebiet zum natürlichen historischen Verbreitungsgebiet der Art gehört, ob die Ursachen für das Aussterben der Art behoben sind, ob nicht eine natürliche Wiederbesiedlung mittelfristig zu erwarten ist und ob die künstliche Wiederansiedlung Teil eines nationalen oder internationalen Konzeptes ist. Bei der erfolgreichen Ansiedlung des Bartgeiers war dies der Fall.

Links

«Virtual Data Center VDC»

In die Datenbank des Projekts «Virtual Data Center VDC» werden seit 2014 die Fundorte sämtlicher Organismengruppen eingespeist, um sie bei naturschutzrelevanten Projekten berücksichtigen zu können. Mit der Datenbank sollen insbesondere die Bedürfnisse der kantonalen Fachstellen abgedeckt werden. Diese Daten sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Gefährdung

Gemäss der aktuellen Roten Liste der Brutvögel der Schweiz von 2010 sind 78 (39%) der 199 beurteilten Vogelarten gefährdet. Arten der Roten Liste finden sich in allen Lebensräumen, aber der Anteil der gefährdeten Arten ist im Kulturland und in den Feuchtgebieten deutlich höher als im Wald oder in alpinen Lebensräumen.

Lebensraumverlust

Die wichtigste Gefährdungsursache für Vögel ist die anhaltende Zerstörung der Lebensräume, sowie die schleichende Verschlechterung der Lebensraumqualität. Letzteres betrifft insbesondere das Kulturland und die Feuchtgebiete. Im Kulturland führen die fortschreitende Industrialisierung und Intensivierung zu immer monotoneren, artenarmen Flächen. Auch lassen die häufigen Bearbeitungsschritte in den Flächen den Bodenbrütern kaum noch Brutchancen. Die Feuchtgebiete werden zunehmend trockener und verlieren die typischen Arten. Für Massnahmen siehe Kapitel Erhalt und Förderung unter dem jeweiligen Lebensraum.

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Eine solche strukturarme, homogene Kulturlandschaft bietet (fast) keiner Vogelart mehr einen Lebensraum.

Störungen

Für viele Arten sind die zunehmenden Störungen durch menschliche Aktivitäten ein immer gravierenderes Problem. Freizeitaktivitäten finden immer mehr auch weit ab von Wegen statt. Störungen des Brutgeschäftes führen zum Verlassen des Brutplatzes, zur Aufgabe von Gelegen oder zum Auskühlen und Absterben von Eiern und Jungvögeln. Störungen im Winter zehren an den Energiereserven, senken die Überlebenschancen sowie die Reproduktionschancen in der nachfolgenden Brutsaison. Wichtig sind daher ausreichende Störungspufferzonen bei Vorranggebieten, besonders Biotopen von nationaler Bedeutung, Besucherlenkungskonzepte und Wildtierruhezonen.

Links

Kollisionen und andere Unfälle

Hunderttausende von Vögeln kollidieren jedes Jahr in der Schweiz an Glasflächen, Windenergieanlagen, Stromleitungen und Strommasten oder kommen um, weil sie sich in Rebnetzen oder anderen Ernteschutznetzen verfangen. Viele dieser Gefahrenstellen könnten durch eine sorgfältige Planung und einen angepassten Bau, eine korrekte Montage, respektive das Anbringen von Schutzmassnahmen entschärft werden.

Links
Massnahmen zur Verhinderung von Kollisionen an Glasflächen:

Vogelfalle Kamin:

Vogelschutz an Starkstrom-Freileitungen:

Windenergieanlagen:

  • Empfehlungen zu Minimalabständen zwischen Vorkommen von sensiblen Vogelarten und Windenergieanlagen

Landwirtschaft:

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Transparente oder spiegelnde Glasflächen stellen ein grosses Kollisionsrisiko für Vögel dar. Das Verwenden von gemustertem Glas und konsequente Planung machen das Hindernis für die Vögel sichtbar
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Ein sachgerechtes Anbringen von Rebnetzen verhindert solche Vogelfallen (junger Grünspecht Picus viridis)

Eingeführte Arten

Gemäss der Biodiversitäts-Konvention sind vom Menschen eingeschleppte oder eingeführte Arten die zweitwichtigste Bedrohung für die weltweite Artenvielfalt gleich nach dem Lebensraumverlust. Probleme bereiten sowohl eingeführte Pflanzen (Neophyten) wie auch eingeführte Tiere (Neozoen). Für Vögel sind invasive Neophyten problematisch, da diese den Lebensraum stark verändern und das Nahrungsangebot (Pflanzensamen, Insekten) drastisch verringern können. Es bestehen in Europa aber auch Probleme mit eingeführten Vogelarten, da diese mit einheimischen Arten hybridisieren können und so heimischen Arten gefährden (Schwarz- Oxyura jamaicensis und Weisskopfruderente Oxyura leucocephala) oder Konkurrenten sind (Rostgans Tadorna ferruginea, Nilgans Alopochen aegyptiaca). Wenn eine Art sich stark ausbreitet, ist es meist schon zu spät für Massnahmen. Es sollte deswegen beim Auftreten gebietsfremder Arten sofort eine Ansiedlung verhindert werden.

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Gefangenschaftsflüchtlinge der ursprünglich aus Asien stammenden Rostgans (Tadorna ferruginea) haben sich in Europa etablieren können, breiten sich aus und können einheimische Entenarten, Turmfalke (Falco tinnunculus) und Schleiereule (Tyto alba) konkurrenzieren

Menschliche Verfolgung

Der Mensch tötet absichtlich oder unabsichtlich Vögel. Zu nennen sind hier die Jagd, die Wilderei, sowie die absichtliche und die unabsichtliche Vergiftung. In der Schweiz ist die Jagd auf drei Prioritätsarten Artenförderung erlaubt (Birkhuhn Tetrao tetrix, Alpenschneehuhn Lagopus muta und Waldschnepfe Scolopax rusticola), davon wird die Waldschnepfe auf der Roten Liste als verletzlich geführt. Grosse Zahlen an Zugvögeln werden im Mittelmeerraum legal oder illegal geschossen oder gefangen, auch Arten, für die bei uns Schutzprojekte laufen. In der Schweiz spielt die Wilderei keine wesentliche Rolle. Seit ungefähr 10 Jahren treten vermehrt absichtliche Vergiftungen von Greifvögeln (insbesondere Wanderfalke Falco peregrinus durch Taubenzüchter) auf. Unabsichtliche Vergiftungen entstehen durch die Aufnahme von Bleimunition (z. B. durch Steinadler, Enten) oder die Aufnahme von Gift, das gegen andere Tiere (z. B. Wühlmäuse) verwendet wird.

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Klimaerwärmung

Grundsätzlich sind mit einer Klimaerwärmung weitere Arten in der Schweiz zu erwarten. Einige südliche Arten werden ihr Areal nach Norden ausdehnen können, doch benötigen auch diese intakte Lebensräume. Allerdings gibt es auch Verlierer: für manche an hohe Gebirgslagen angepasste Arten (z. B. Alpenschneehuhn Lagopus muta) wird es zu einer Verkleinerung des zur Verfügung stehenden Lebensraums kommen. Offen ist auch, ob alle Vogelarten sich ausreichend schnell an die sich verändernden Lebensräume anpassen können.

Wissenslücken

Vögel sind eine vergleichsweise gut untersuchte Organismengruppe. Für die Brutvogelarten der Schweiz besteht in vielen Fällen ausreichend Wissen über die Gefährdungsursachen und die nötigen Schutzmassnahmen. Oft ist das Wissen zwar unvollständig, es reicht aber, um aufgrund von Experteneinschätzungen, die nötigen Massnahmen einzuleiten, während weitergehende Forschung betrieben wird. Für eine Minderheit der prioritären Arten (z. B. Steinhuhn Alectoris graeca, Grauspecht Picus canus, Fitis Phylloscopus trochilus) ist fraglich, ob ausreichend Wissen für erste Massnahmen vorhanden ist. Hier ist insbesondere ökologische Forschung, z. B. zur Nahrungsverfügbarkeit und ihrem Zusammenhang mit dem Bruterfolg, dringend notwendig.

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Praxisbeispiele

Praxisrelevante Links

Literaturempfehlungen

Grundlagen- und Übersichtswerke

  • Die Vögel der Schweiz. L. Vallotton, L. Maumary, P. Knaus. Schweizerische Vogelwarte, Sempach. 2007. Grossformatiges Nachschlagwerk über Aussehen, Verhalten, Verbreitung und Zug der 419 in der Schweiz brütenden und als Durchzügler vorkommenden Vogelarten. Alle Arten werden in derselben Weise vorgestellt, indem ihre Verbreitung, ihr Lebensraum und Verhalten, ihre Wanderungen, die Entwicklung der Bestände, die Brutbiologie in der Schweiz und ihr Schutz beschrieben werden. Zusätzlich stellen Karten die Ringfunde von in der Schweiz beringten Vögeln im Ausland und hierzulande abgelesene Ringe anderer Beringungsstationen dar.
  • Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. H.-G. Bauer, E. Bezzel, W. Fiedler. AULA-Verlag, Wiebelsheim, 2005. Ein bewährtes Nachschlagwerk in drei Bänden über Vorkommen, Biologie, Verbreitung, Bestandsentwicklung, Gefährdung und Schutz der Vogelwelt Europas. Der erste Band enthält die Artkapitel zu allen Ordnungen ausser den Sperlingsvögeln. Im zweiten Band wird die grosse Gruppe der Sperlingsvögel abgehandelt. Der dritte Band enthält das Literaturverzeichnis, Informationen zu Neozoen, Roten Listen und Konventionen zum Schutz der Vögel, sowie ein Glossar zu den wichtigsten Fachbegriffen.
  • Handbuch der Vögel Mitteleuropas (17 Bände in 23 Teilen). U. N. Glutz von Blotzheim et al. AULA-Verlag, Wiesbaden, 1966-1997. Auch wenn manche Bände des Handbuchs schon etwas älter sind, gilt es nach wie vor als Standardwerk der mitteleuropäischen Ornithologie. Jede Art wird detailliert abgehandelt mit Beschreibung (Aussehen und Stimme), Verbreitung, Bestand und Bestandsentwicklung, Wanderungen, Biotop, Fortpflanzung, Verhalten und Nahrung.

Praxisrelevante Literatur

Turmfalke und Schleiereule:

  • Schaad, M. 2008. Turmfalke und Schleiereule: wie sie leben - wie wir helfen können. Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Zürich.
  • Spiess, M., Schaad, M., 2010. Turmfalken und Schleiereulen fördern. Schweizerische Vogelwarte Sempach und BirdLife Schweiz.

Kiebitz:

  • Schifferli L, Rickenbach O, Koller Und A, Gruebler M, 2009. Massnahmen zur Förderung des Kiebitzes Vanellus vanellus im Wauwilermoos (Kanton Luzern): Schutz der Nester vor Landwirtschaft und Prädation. Ornithologischer Beobachter 106, 311–326.

Landwirtschaft:

  • Kohli, L., Spiess, M., Herzog, F., Birrer, S., 2004. Auswirkungen ökologischer Ausgleichsflächen auf typische Kulturlandvögel und ihre Lebensräume. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.

Nisthilfen:

  • Nisthilfen für Vögel und andere heimische Tiere (2010) K. Richarz & M. Hormann. Aula Verlag. Dieses Buch zeigt, wie 48 Vogelarten aus allen Lebensräumen dank geeigneter Nisthilfen, aber auch anderer Massnahmen gefördert werden können. Nisthilfen für Säugetiere, Amphibien/ Reptilien und Insekten werden ebenfalls beschrieben. Dem umfassenden Buch ist eine CD mit den Bauanleitungen und mit Merkblättern beigelegt.

Bestimmungsliteratur

  • Der Kosmos-Vogelführer: Alle Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. L. Svensson, K. Mullarney, D. Zetterström. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2017. Der Kosmos-Vogelführer ist das umfassendste Bestimmungsbuch aller Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. 900 Vogelarten werden auf über 4.000 Farbzeichnungen mit den verschiedenen Kleidern, Unterarten und Geschlechtern dargestellt. Erklärungen im Bild verweisen auf wichtige Merkmale. Detaillierte Texte beschreiben Lebensraum, Kennzeichen, Verbreitung und Stimme. Aktuelle Verbreitungskarten mit Brut- und Überwinterungsgebieten, Zugrouten runden das Standardwerk von den führenden Ornithologen und Vogelzeichnern der Welt ab.
  • Handbuch der Vogelbestimmung. Europa und Westpaläarktis. M. Beaman, S. Madge. Ulmer-Verlag, 2007. Das Handbuch beschreibt alle in Europa und der Westpaläarktis vorkommenden Vogelarten, inkl. Zugvögel und nicht heimische Arten. Auf mehr als 8000 Farbzeichnungen werden die unterschiedlichen Federkleider der Vögel abgebildet. Die Verbreitung der einzelnen Arten ist auf über 600 Karten dargestellt. Die wichtigen Merkmale jeder Art sind ausführlich beschrieben.

Nationale und überregionale Faunenwerke

  • Schweizer Brutvogelatlas 2013 – 2016. Verbreitung und Bestandsentwicklung der Vögel in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. Knaus P., Antoniazza S., Wechsler S., Guélat J., Kéry M, Strebel N. & Sattler T. Schweizerische Vogelwarte, Sempach 2018. Auf 648 Seiten werden die aktuellen Vorkommen, die Häufigkeit und die Höhenverbreitung aller Brutvögel der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein präsentiert, was 249 Arten oder Unterarten ausmacht. Der Atlas zeigt auch die markanten Veränderungen der Schweizer Vogelwelt in den letzten zwanzig bis sechzig Jahren. Dargestellt werden die Entwicklungen auch getrennt nach Lebensraum und dem darin vorkommenden Artenspektrum. Das umfangreiche Werk ist eine zentrale Grundlage für den Schutz und die Förderung der einheimischen Vögel und ihrer Lebensräume.
  • Atlas des oiseaux de France métropolitaine. Nidification et présence hivernale. Issa N. & Muller Y. (eds). LPO, SEOF, MNHN. Delachaux et Niestlé, Paris 2015.
  • Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. K. Gedeon et al. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster 2014

Vögel in den verschiedenen Lebensräumen

  • Burkhardt, M., Keller, V., 2003. Vögel am Wasser. Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2003.
  • Graf, R., Kestenholz, M., 2002. Vögel in den Alpen. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.
  • Kohli, L., Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2004. Vögel im Kulturland. Schweizerische Vogelwarte Sempach, Sempach.
  • Mollet, P., Pasinelli, G., Zbinden, N., 2011. Vögel im Wald, Themen aus der Vogelwelt. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.
  • Martina Müller, Mathias Ritschard, 2014. Brutvögel an Fliessgewässern - Naturnahe Gewässer - ornithologische Vielfalt. Orniplan AG.

Die Broschüren der Vogelwarte können hier bestellt werden.

Weitere Literatur und Websites

  • Bruderer, B., 2017. Vogelzug: Eine schweizerische Perspektive. Der ornithologische Beobachter. Ala, Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz, Sempach.
  • Heer, L. et al. 2008. Important Bird Areas IBA Schweiz - Suisse - Svizzera – Switzerland. Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz und Schweizerische Vogelwarte Sempach, Zürich und Sempach.

Glossar

Glossar im dritten Band von Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. H.-G. Bauer, E. Bezzel, W. Fiedler. AULA-Verlag, Wiebelsheim, 2005.

Französisch

Verschiedenes

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Autoren

Text Eva Inderwildi BirdLife Schweiz
Review Christian Meisser viridis environnement
Stefan Werner Schweizerische Vogelwarte