Grünland/Praxisrelevante Ökologie

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Halbtrockenrasen as 96 dpi.jpg
Die blüten- und blumenreichen Halbtrockenrasen sind stark zurückgegangen und sollen deshalb, wie viele weitere Grünland Lebensräume, gefördert werden.

Inhaltsverzeichnis

Lebensräume des Grünlands

Auf die Entstehungsgeschichte und die Entwicklungen des Grünlandes wird im "Entstehung von Grünland" näher eingegangen. Im vorliegenden Artikel wird für die ungedüngten sowie die nicht-anthropogenen Lebensraumtypen des Grünlands die Klassifikation von Delarze et al. (2015) [1] übernommen. Das gedüngte Grünland (Fettwiesen und -weiden) wird gemäss Bosshard (2016) [2] eingeteilt. Feuchtgebiete, Moore, Waldlichtungen, Ruderalflächen und Pionierfluren werden in separaten Artikeln auf dieser Webseite abgedeckt. Nicht behandelt werden die Grasbrachen. Da es sich oft um Ruderalgesellschaften handelt, werden sie allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in einem entsprechenden Artikel aufgenommen.

Untenstehende Tabelle (nach Delarze et al. 2015) zeigt, welche Lebensräume des Bereichs „Grünland“ nach unserer Einschätzung einen Förderbedarf (siehe Kapitel "Erhalt und Aufwertung durch optimierte Bewirtschaftung") (ja/nein) aufweisen. Hergeleitet wurde diese Einschätzung aus den Angaben zum „Zustand in der Schweiz“ und der Förderbarkeit (anthropogene Schaffung möglich). Mit P = Primärlebensraum sind Lebensraumtypen gekennzeichnet, welche nicht auf einen anthropogenen Einfluss angewiesen sind bzw. mit (P), wenn oberhalb der Waldgrenze i.d.R. keine menschliche Nutzung für das Vorkommen der Lebensraumtypen notwendig ist (Quelle: Delarze et al. 2015). Gefährdungsgrad (G): LC = nicht gefährdet, NT = potenziell gefährdet, VU = verletzlich, EN = stark gefährdet. Regenerationsdauer (R): R2 = 5-10 Jahre, R3 = 10-25 Jahre, R4 = 25-50 Jahre, R5 = 50-200 Jahre (Quelle: Delarze et al. 2015). Für Fettwiesen und -weiden (Nr. 4.5, gekennzeichnet mit *) wird im Artikel die Einteilung nach Bosshard (2016) übernommen. k.A. = keine Angaben.

Nr. Bezeichnung Förderbedarf Gefährdung Regenerationsdauer
4 Grünland (Naturrasen, Wiesen und Weiden)
4.0 Kunstrasen
4.0.1 Kunstwiese auf Fruchtfolgeflächen nein
4.0.2 Kunstrasen auf Sportplätzen, im Siedlungsraum etc. nein
4.0.3 Begrünung in Tieflagen (Strassenböschungen etc.) nein
4.0.4 Begrünung in Hochlagen (Skipisten etc.) nein
4.1 Pionierfluren auf Felsböden (Felsgrusfluren)
4.1.1 Wärmeliebende Kalkfels-Pionierflur Alysso-Sedion ja, P NT R4
4.1.2 Kalkfels-Pionierflur des Gebirges (Karstfluren) Drabo-Seslerion nein, P LC R4
4.1.3 Wärmeliebende Silikatfels-Pionierflur Sedo-Veronicion ja, P VU R4
4.1.4 Silikatfelsgrusflur des Gebirges Sedo-Scleranthion nein, P NT R4
4.2 Wärmeliebende Trockenrasen
4.2.1 Wärmeliebende Trockenrasen (Kontinentaler Trockenrasen, Innerwallis, Graubünden). Stipo-Poion und Cirsio-Brachypodion ja VU R4
4.2.2 Mitteleuropäische Trockenrasen Xerobromion ja VU R4
4.2.3 Insubrischer Trockenrasen Diplachnion (ja) EN R4
4.2.4 Mitteleuropäischer Halbtrockenrasen Mesobromion ja VU R3
4.3 Gebirgs-Magerrasen
4.3.1 Blaugrashalde Seslerion z.T., (P) NT R3
4.3.2 Polsterseggenrasen Caricion firmae nein, P LC R5
4.3.3 Rostseggenhalde Caricion ferrugineae ja, (P) NT R3
4.3.4 Windkantenrasen (Nacktriedrasen) Elynion nein, P LC R5
4.3.5 Borstgrasrasen Nardion ja, (P) LC R3
4.3.6 Buntschwingelhalde Festucion variae ja, (P) NT R4
4.3.7 Krummseggenrasen Caricion curvulae nein, P LC R5
4.4 Schneetälchen
4.4.1 Kalkreiches Schneetälchen Arabidion caerulae nein, P LC R4
4.4.2 Kalkarmes Schneetälchen Salicion herbaceae nein, P LC R4
4.5* Fettwiesen und -weiden
4.5.1* Talfettwiesen (Fromentalwiese) Arrhenatherion ja LC bis VU R2
4.5.2* Bergfettwiese (Goldhaferwiese) Polygono-Trisetion ja LC R3
4.5.3* Talfettweide (Kammgrasweide) Cynosurion LC R2
4.5.4* Bergfettweide (Milchkrautweide) Poion alpinae LC R2
4.6 Grasbrachen
4.6.1 Queckenbrache Convolvulo-Agropyrion (ja) VU R2
4.6.2 Fiederzwenckenbrache k.A. k.A. k.A.
4.6.3 Fromentalbrache k.A. k.A. k.A.
4.6.4 Pfeifengrasbrache k.A. k.A. k.A.
4.6.5 Reitgrasbrache k.A. k.A. k.A.


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Einteilung des gedüngten Grünlands (Fettwiesen und -weiden).
° Zahl entspricht gleichzeitig der üblichen Anzahl Nutzungen pro Jahr (+/–1).
Quelle: Bosshard, A., 2016. Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus, Bristol-Schriftenreihe Band 50. Haupt Verlag, Bern. © Andreas Bosshard

Weitere Informationen: Im Buch „Lebensräume der Schweiz“ (Delarze et al. 2015) sind die Lebensraumgruppen mit Aussehen und Strukturmerkmalen, biologischen Merkmalen und ökologischen Faktoren beschrieben. Faktenblätter charakterisieren die einzelnen Lebensraumtypen hinsichtlich Aussehens und Ökologie, Beziehung zum Menschen, Ansprache und Abgrenzung, Klassifikation, Kennarten, biologische Werte, ökologische Ansprüche und Gefährdungen und Angaben zur Verbreitung. Im Buch „Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas“ (Bosshard 2016) wird in Kapitel 5 die Typologie der Wiesen hergeleitet und eine neue Gliederung für das gedüngte Wiesland vorgeschlagen und erläutert. Die Webseite zu den Lebensräumen der Schweiz (TypoCH) macht Angaben zu dominanten Arten, Charakterarten und weniger strikt an den Lebensraum gebundenen Arten.

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Ausgewählte Wiesentypen (von oben links): Halbtrockenrasen, Bergfettwiese, Trockenrasen, Polsterseggenrasen.

Prägende Faktoren

Welche Pflanzen und Tiere in einem Lebensraum vorkommen, ist einerseits abhängig von standörtlichen Faktoren und ökologischen Wechselwirkungen, andererseits ist die Ausprägung der Lebensräume (ausser bei den Primärlebensräumen) im Grünland stark abhängig von der menschlichen Nutzung. Je nach aktueller und historischer Bewirtschaftungsform fällt sie unterschiedlich aus. Die theoretischen Grundlagen vom Zusammenhang der Standortfaktoren Boden, klimatische Bedingungen, Wasser- und Nährstoffhaushalt mit der Vegetation sind im Artikel zu den Gefässpflanzen näher ausgeführt. Historisch betrachtet ist ein Grossteil der mitteleuropäischen Wiesen aus extensiv genutztem Weideland hervorgegangen. Auf Nicht-Ackerland wurde eine Frühjahrsvorweide durchgeführt und der nachfolgende Aufwuchs entsprechend erst später im Jahr gemäht. Damit fand eine systemimmanente Aushagerung statt und über eine lange Zeitperiode hinweg war die Nährstoffsituation der die Nutzung limitierende Faktor. Im Kapitel "Entstehung von Grünland" wird näher auf die historische Entwicklung eingegangen. Im Lauf der Jahrhunderte haben sich verschiedene Tierarten (wiesenbrütende Vögel, bestimmte Tagfalter) hinsichtlich ihrer Reproduktion optimal in die Bewirtschaftungssysteme der alten Dreizelgenwirtschaft eingepasst. Pflanzen entwickelten genetisch bestimmte Eigenschaften und passten sich an lokale Standort- und Nutzungsbedingungen an: es wurden sogenannte Ökotypen hinsichtlich Blühzeitpunkt, Weide- und Mahd Verträglichkeit, Trockenheitstoleranz etc. ausgebildet.

Unter den die Vegetationszusammensetzung bestimmenden abiotischen Faktoren sind Bodenzusammensetzung, hydrologische und klimatische Bedingungen prägend. Witterungsextreme wie Sommerdürre, harte, schneearme Winter oder auch starke Frühjahrsfröste wirken sich ebenfalls stark aus: langanhaltende Trockenperioden können zum Absterben und damit zu einer lückigeren Vegetationsdecke mit Offenbodenstellen führen, welche die erfolgreiche Vermehrung über Samen vieler Arten fördern. Des Weiteren bestimmen auch biotische Faktoren die Vegetationszusammensetzung: viele Arten können jahrelang auf einer Fläche in der Samenbank überdauern, ohne oberirdisch in Erscheinung zu treten. Wiesenpflanzen und Habitat Spezialisten von Trockenwiesen und -weiden (TWW) haben jedoch im Vergleich zu weniger spezialisierten Arten tendenziell eher kurzlebige Samen mit einer Keimfähigkeit von 1-3 Jahren (Guntern et al. 2013).

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Bosshard (2016) stellt die wesentlichen prägenden abiotischen und biotischen Einflussfaktoren sowie den Einfluss der Bewirtschaftung zur Entstehung und Entwicklung von Wiesland in einer übersichtlichen Grafik dar.
Quelle: Bosshard, A., 2016. Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus, Bristol-Schriftenreihe Band 50. Haupt Verlag, Bern. © Andreas Bosshard

Auswirkungen der Bewirtschaftung

Art und Intensität der Bewirtschaftung beeinflussen die Artenvielfalt im Grünland stark. Je nach Nutzung und Düngung entstehen Synergien oder Zielkonflikte hinsichtlich Biodiversität: sowohl eine zu intensive als auch eine zu extensive bzw. ausbleibende Nutzung beeinträchtigen die Biodiversität. Profitieren viele Pflanzenarten von der mit der Nutzung (Schnitt, Beweidung) einhergehenden Lichtverfügbarkeit, so wirkt sich eine zunehmende Schnitthäufigkeit negativ aus, indem nur noch wenige Pflanzenarten mit einem häufigen Schnitt umgehen können. Eine hohe floristische und faunistische Vielfalt korreliert in mittleren Lagen mit der Nährstoffarmut von Grünlandlebensräumen (Roth et al. 2013, Schlup et al. 2013).

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Bosshard (2016) veranschaulicht das Ertragspotenzial von Wiesland in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität und der Höhenlage. Quelle: Bosshard, A., 2016. Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus, Bristol-Schriftenreihe Band 50. Haupt Verlag, Bern. © Andreas Bosshard


Nicht nur die intensive Nutzung ist aus Biodiversitätssicht problematisch, sondern auch ein Ausbleiben der Nutzung in Grünlandlebensräumen, welche auf anthropogene Eingriffe für den Fortbestand angewiesen sind. Bleibt die Nutzung aus oder ist sie nicht adäquat, so schreitet die Sukzession mehr oder weniger rasch voran (siehe Kapitel "Sukzession und Bedeutung des Grünlands"). Bei falscher oder zu wenig häufiger Nutzung verfilzt die Vegetationsdecke, der Bestand geht zu hoch in den Winter, wodurch weniger Licht auf den Boden gelangt und die Keimung im Frühjahr negativ beeinträchtigt wird. Entsprechend verändert sich die Vegetationszusammensetzung; lichtbedürftigere Arten nehmen ab. Bleibt die Nutzung gänzlich aus, verbuscht und verwaldet ehemals genutztes Grünland unterhalb der alpinen Stufe (ausser Primärlebensräume). Bei diesem Prozess der Verbrachung beginnen Gräser, hochwüchsige Arten und Arten mit hohem Speichervermögen oder unterirdischen Ausläufern zuzunehmen. Die Verwaldung wird bei lückenhaften Beständen, auf produktiven Standorten, beim Vorhandensein von Gehölzen in der Fläche oder angrenzend sowie bei Vorkommen von Gehölzen mit Ausläufern oder leichtfrüchtigen, lichtverträglichen Samen (Bsp. Birken, Pappeln) beschleunigt (Dipner & Volkart 2010).

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Generell sind Pflanzen mit bodenblattarmen Wuchsformen wie die meisten Gräser (abgebildet ist die Aufrechte Trespe (Bromus erectus) häufig schnittempfindlich, wogegen Rosettenpflanzen wie der Wundklee (Anthyllis vulneraria) schnitttoleranter sind.

Auswirkungen der Mahd auf Flora und Fauna

Bei Mähwiesen beeinflussen die folgenden Bewirtschaftungsfaktoren die Artenvielfalt (in Abhängigkeit von der Pflanzengesellschaft und der Wüchsigkeit): Nutzungszeitpunkte, Nutzungshäufigkeit und v.a. für die Fauna zusätzlich relevant ist die Art der verwendeten Maschinen und Gerätschaften. Generell sind Pflanzenarten mit bodenblattarmen Wuchsformen meist schnittempfindlich, wogegen Rosettenpflanzen eher profitieren; auch kleinwüchsige und konkurrenzschwache Arten sind in nährstoffreicherem Wiesland unterhalb der Baumgrenze auf regelmässige Mahd oder Beweidung angewiesen (Dullau et al. 2012). Auf halbtrockenen bis feuchten Böden gelangt im genutzten Grünland die Wuchsform der Hemikryptophyten zur Dominanz. Werden die Bodenverhältnisse trockener, können sich in den Lücken zwischen diesen Horsten und Rosetten kleine Zwergsträucher und einjährige Frühblüher ansiedeln. Auch Zwiebel- und Knollenpflanzen gelingt es bei trockenen und mageren Verhältnissen, sich zu behaupten. Die spezielle Morphologie und Physiologie der Gräser lässt sie im mitteleuropäischen Grünland, welches durch seine regelmässige Störung (Mahd und Frass) gekennzeichnet ist, dominieren: Gräser sind ausgesprochen erneuerungsfähig und besitzen zahllose Erneuerungspunkte in Form von Schossen, Verzweigungen, Ausläufern oder Rhizomen. Ihre Samen keimen leicht und rasch und nach der Keimung gelangen die Gräser rasch wieder zur Blüte und Fruchtbildung (Eggenberg et al. 2001).

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Gräser als ideale Pflanzen des Grünlandes. Quelle: Eggenberg, S., Dalang, T., Dipner, M., Mayer, C., 2001: Kartierung und Bewertung der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung. Technischer Bericht. Schriftenreihe Umwelt Nr. 325. Hrsg.: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern. 252 S.

In Bezug auf die Auswirkungen der Mahd auf die Fauna wird zwischen direkten (durch den Mahd- und Ernteprozess verursachte Schädigungen der Fauna) und den indirekten (durch die Mahd verursachte Veränderungen des Lebensraumes) Wirkungen unterschieden. Durch die Mäh-, Ernte- und Aufbereitungsgeräte (Mähwerke, Futteraufbereiter, Zetter etc.) werden viele Klein- und Jungtiere bei der Bewirtschaftung verletzt oder getötet. Dieselbe Gefahr geht vom wiederkehrenden Befahren der Flächen mit den Maschinen (schwerere Geräte mit breiterer Bereifung) aus. Die direkt durch die Mahd verursachte Sterblichkeit steigt bei den einzelnen Tierarten mit der Körpergrösse und -empfindlichkeit und sinkt mit zunehmender Mobilität; des Weiteren ist das Ausmass der Verluste abhängig vom Fluchtverhalten und –vermögen, dem Aufenthaltsort zum Eingriffszeitpunkt sowie der Art und den Einstellungen des Mähwerks. Indirekt werden die Kleintiere durch Nahrungsmangel, fehlende Deckung, fehlende Nischen für Fortpflanzung oder Schlafplatz, Zerstörung von Strukturen (bspw. Spinnennetze, Ameisenhaufen) und den Verlust von Mikrohabitaten geschädigt. Jedoch weist eine gemähte Fläche für Arthropoden und gewisse Vögel günstigere thermische und physische Bedingungen (z.B. für die Eiablage und Larval Entwicklung oder einfacheren Zugang zu Futter) auf, was auf längere Sicht einen positiven Effekt auf eine Population haben kann (Braschler et al. 2009). Auch Käfer scheinen vergleichsweise robust auf Schnittregimes zu reagieren, im Gegensatz zu Wanzen, Tagfaltern und Spinnen, auf welche die Mahd einen drastischen negativen Einfluss auf Abundanz und Artenreichtum hat (Humbert 2010). Beim Abtransport des Mahdguts wird wiederum ein Teil der tierischen Biomasse mitentfernt, wobei die Silage zu deutlich höheren Vernichtungsraten führt als Heuen und Emden. Die Mahd ist ein notwendiger Eingriff zur Offenhaltung, trägt zu einer vielfältigeren Flora bei und schafft Lebensraum für eine reiche Fauna. Die obengenannten direkten und indirekten Auswirkungen stellen für viele Tierarten jedoch einen gravierenden Eingriff dar und mit zunehmender Schnittfrequenz nimmt die Artenzahl deutlich ab. Arten, welche mehr Generationen pro Jahr haben, sind gegenüber Schnitt weniger empfindlich, als solche mit nur einer Generation, da sie zwischen zwei Schnitten eher einen ganzen Entwicklungszyklus durchlaufen können (Walter et al. 2007). Wie die Mahd- und Ernteschritte biodiversitätsfreundlich ausgestaltet werden können, wird in Kapitel Erhalt und Aufwertung durch optimale Mahdnutzung ausgeführt.

Auswirkungen des Schnittzeitpunktes auf Flora und Fauna

Der Nutzungszeitpunkt hat einen wesentlichen Einfluss auf die Menge und Qualität des Schnittgutes sowie auf die Zusammensetzung des Pflanzenbestandes. Die meisten Wiesenpflanzen sind in ihrer Phänologie sehr gut an die traditionellen Mahdtermine angepasst, tolerieren einen ersten Schnitt im Juni und kommen regelmässig zur Blüte und auch zur Fruchtreife; es sind dies Arten mit vegetativer Vermehrungsmöglichkeit oder solche, die im zweiten Aufwuchs blühen und Samen produzieren können. Die aktuell üblichen Schnitttermine in Biodiversitätsförderflächen sind der Agridea-Broschüre «Biodiversitätsförderung auf dem Landwirtschaftsbetrieb – Wegleitung» (Agridea 2023) zu entnehmen. Eine sehr frühzeitige Mahd oder zu häufige Nutzung kann die Regenerationsfähigkeit von Wiesenpflanzen überfordern, was sich meist erst nach einigen Jahren zeigt. Neben dem Schnittzeitpunkt beeinflusst auch das Nutzungsintervall, ob und welche Arten sich erfolgreich vermehren können: wenn nach der ersten Nutzung die zweite Nutzung frühestens sechs bis acht Wochen später erfolgt, können viele Arten einer zweischürigen Wiese noch zur Fruchtreife gelangen. Wird hingegen der Abstand zwischen den beiden Mahdterminen um zwei oder mehr Wochen verkürzt, kommen innerhalb eines Jahres nur noch ca. die Hälfte der Arten zur Fruchtreife (Poschlod 2011). Erfolgt die erste Mahd erst nach der Ausbildung reifer Früchte (Samen), gelangen die meisten Arten nicht nochmals ins Blüh- und Fruchtstadium – daher können sich spät gemähte Wiesen langfristig im Hochsommer genauso blütenarm wie Grünlandbrachen präsentieren (in Abhängigkeit von der Vegetationszusammensetzung und den Temperaturbedingungen am entsprechenden Standort). Späte Schnitttermine in nährstoffärmeren Wiesen führen häufig zur einseitigen Vergrasung mit Obergräsern und der Keimhorizont wird lichtärmer, wodurch niedrigwüchsige, konkurrenzschwache Arten verdrängt werden. Für die längerfristige Bestandesentwicklung sind die Veränderungen im ersten Aufwuchs entscheidend. Eine nährstoffreiche Wiese, welche spät, wenig oder gar nicht genutzt wird, hat die Tendenz zur Verunkrautung (Schmid et al. 2007). Auch für die Fauna entscheiden die Nutzungszeitpunkte darüber, ob die Fortpflanzungszyklen abgeschlossen werden können (Buri et al. 2013, 2014). Die Habitatansprüche und somit auch die Ansprüche an die Mahdzeitpunkte mit erfolgreicher Reproduktionsmöglichkeit sind für jede Art oder Artengruppe wie auch bei den Pflanzen unterschiedlich. So ist für viele Wiesenbrüter ein Sommerschnitt nach der Schlüpfzeit der Jungen vorteilhaft, hingegen werden Spinnen dadurch mehr dezimiert als bei einem Frühjahrs- oder Herbstschnitt. Für Tagfalter und Widderchen führt Poschlod (2011) Ergebnisse aus verschiedenen Studien bezüglich der optimalen Schnittzeitpunkte zusammen. Zwischen zwei Nutzungszeitpunkten sollten aus faunistischer Sicht zehn Wochen Abstand liegen (Walter et al. 2007). Das Vorkommen möglichst verschiedener Nutzungen und Nutzungstermine in einem Gebiet wirkt sich positiv auf die Fortpflanzung vieler Arten und damit die Biodiversität aus.


Praxisbeispiel: Auswirkungen verschiedener Schnittverfahren auf die Vegetation von ungedüngten Fromental- und Magerwiesen
Agrofutura hat in einem mehrjährigen Versuch verschiedene Schnittregimes auf einer Fromentalwiese und auf einer zweischürigen Magerwiese angewandt. Dabei wurden die Heuschnittzeitpunkte (25.5. / 15.6. / 15.7.) und auf der Magerwiese der Emdschnittzeitpunkt variiert (kein Emdschnitt, frühes Emd Mitte August, spätes Emd Mitte September). Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass beide Wiesentypen gegenüber den Veränderungen des Schnittzeitpunktes sehr resilient sind und auf Vegetationsniveau bisher kaum Veränderungen festgestellt wurden. Allerdings profitierten tendenziell einige spätblühende, grosse Kräuter sowie hochwachsende Gräser von einem späten Schnitt Mitte Juli. Die Emdschnittverfahren führten dagegen im Unterschied zu den Heuschnittverfahren zu klaren Änderungen in der Vegetation: von einem Auslassen des Emdschnitts profitierten v.a. die grosswüchsigen Gräser (Bromus erectus, Arrhenatherum elatius) auf Kosten der kleinen Kräuter und der Leguminosen. Das Auslassen des zweiten Schnitts führte also zu einer Vergrasung der Wiese. Ein später Emdschnitt Mitte September führte zur gegenteiligen Entwicklung; eine Vergrasung des Bestandes und die Abnahme der Kräuter wird damit verhindert, kleine Gräser und Seggen sowie Leguminosen nahmen zu. Deutlich war auch der Unterschied zwischen Emdschnittzeitpunkt Mitte August oder Mitte September: je höher die Vegetation im Herbst (also je früher der Emdschnittzeitpunkt liegt), desto weniger Licht erreicht im Frühling den Boden. Geht ein Bestand zu hoch in den Winter, bildet sich ein Grasfilz, der im Frühjahr sehr wenig Licht auf den Boden lässt und die Kräuter am Keimen und Wachsen hindert. Zweischürige Magerwiesen könnten demnach mit einem späten Emdschnitt aufgewertet und das Blütenangebot deutlich erhöht werden – zurzeit ist noch unklar, ob sich die Erkenntnisse auch auf nährstoffreichere Wiesen übertragen lassen. Ein später Emdschnitt scheint für Kräuter klar vorteilhaft zu sein, was insbesondere durch die klimatisch bedingte, immer länger werdende Vegetationsperiode von Bedeutung sein kann (Landolt & Lüthy 2018).


Weitere Informationen

  • Auswirkungen der Mahd auf die Flora sind im Grünlandleitfaden beschrieben.
  • Auswirkungen der Mahd auf die Fauna: Van de Poel & Zehm (2014) haben zur Wirkung der Mahd auf die Wiesenfauna eine Literaturauswertung für den Naturschutz vorgenommen.
  • Ergebnisse aus verschiedenen Untersuchungen liefern Walter et al. 2007, Humbert et al. 2009, Humbert et al. 2010, Humbert 2010.
  • Im Agridea-Merkblatt von Schiess-Bühler et al. (2011) sind die Auswirkungen der Erntetechniken auf die Artenvielfalt in Wiesen zusammengefasst und Empfehlungen aufgeführt.

Auswirkungen der Beweidung

Beweidung mit Ziegen as 96 dpi.jpg
Mit der "richtigen" Beweidung können Lebensräume und Arten aufgewertet und gefördert werden.

Einen informativen Überblick zu den Auswirkungen einer durch Beweidung auf Boden, Flora und Fauna gibt der Grünlandleitfaden.
Wie eine Mahd, wirkt auch eine Beweidung selektiv auf ihre jeweilige Artengemeinschaften. Bei einer höheren Nutzungsfrequenz (mittelintensive Weide) wird die Vegetation durch die Beweidung niedriger gehalten und es gelangt mehr Licht in tiefere Vegetationsschichten. In dieselbe Richtung wirkt der Tritt der Herbivoren und ihr selektiver Frass: lokal werden unterschiedliche Nischen und Keimstellen für Pflanzen geschaffen, die offenen Bodenstellen sind für Arthropoden attraktiv und die dauernd stehende Vegetation bietet ihnen Lebensraum und Winterquartiere. Bosshard (2016) führt in Kapitel 2.4.3 die für die Artenvielfalt besonders relevanten Auswirkungen von Mahd im Vergleich zur Beweidung näher aus. Bis zu einem gewissen minimalen Beweidungsdruck gilt, dass die faunistische Artenvielfalt umso höher ist, je geringer die Beweidungsintensität ist. Strukturen wie Gehölze, Steinhaufen, offene Bodenstellen, Wasserlachen, Quellen, Abbruchkanten sind für die Fauna sehr wichtig (Martin et al. 2018).
Eine extensive Beweidung fördert die lokale Heterogenität und die aktive Verbreitung von Pflanzen durch die Weidetiere. Für die Flora sind Art und Intensität einer Beweidung nebst den standörtlichen Gegebenheiten entscheidend: auf einer extensiv beweideten Fläche können sich beweidungsresistente Pflanzenarten wie beispielsweise verholzende, intensiv riechende, giftige, behaarte oder dornige Pflanzen gut halten oder werden sogar gefördert. Auf artenreichen, nährstoffarmen Magerwiesen muss jedoch von einer Beweidung abgeraten werden, da tritt- und frassempfindliche, vor allem ein- bis zweijährige Pflanzenarten zu sehr darunter leiden. Alternativ können Teilflächen mit Vorkommen solcher Arten auch ausgezäunt und besonders gepflegt werden. Generell sollten bisher wertvolle Schnittwiesen keinesfalls beweidet werden. Ausschlaggebend für die Biodiversitätsförderung ist eine dem Standort angepasste Weideführung und -pflege.
Auf Mähwiesen ist wichtig, dass der Bestand nicht zu hoch in den Winter geht: dadurch werden Nährstoffe akkumuliert und der sich bildende Grasfilz beeinflusst die Artenvielfalt negativ. Dem kann mit einer Herbstweide entgegengewirkt werden. Die ökologischen Auswirkungen und die Anwendung einer Frühjahrsvorweide (Etzen) werden im Kapitel Entstehung von Grünland näher beschrieben.

Die nachfolgende Abbildung gibt eine schematische Übersicht der verschiedenen Lebensraumqualitäten bei Mahd respektive bei Beweidung (Briemle et al. 2014). Hierbei ist zu beachten, dass auch eine sehr kleinteilige Mahd die entsprechenden Merkmale der Weide annähern kann und auch in Mähwiesen Strukturvielfalt hergestellt werden kann.

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Teilaspekte der Lebensraumqualität unter Mahd und extensiver Beweidung. Quelle: Briemle et al., 2014: Wiesen und Weiden. Kapitel XI-2.8 in Konold, 1999. Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege: Kompendium zu Schutz und Entwicklung von Lebensräumen und Landschaften. Wiley-VCH, Weinheim.

Weitere Informationen

Pflanzen und Tiere des Grünlands

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"Top und Flop" der Biodiversität: Artenreiche und farbenfrohe Magerwiese und monotone Fettwiese.

Die Bandbreite zwischen artenreichem und artenarmem Grünland ist riesig. Generell gehört das Grünland mit bis zu 80 Pflanzenarten pro Quadratmeter potenziell zu den artenreichsten Lebensräumen Europas und bildet für viele Pflanzen- und Tierarten das Haupthabitat. Artenreich sind die extensiv genutzten Grünlandlebensräume: mehr als 900 Tier- und Pflanzenarten der Schweiz sind beispielsweise auf die Trockenwiesen und -weiden (TWW) angewiesen und fast die Hälfte dieser Arten ist gefährdet. Am anderen Ende des Spektrums bietet das Intensivgrünland hingegen für die meisten Tier- und Pflanzengruppen keinerlei Lebensraum mehr. Auf landschaftlicher Ebene betrachtet, spielt das Vorhandensein und die Verteilung verschieden genutzter Grünlandlebensräume eine Rolle, ob das Grünland einer Region insgesamt eine hohe Artenvielfalt aufweist oder nicht. Viele Tierarten und -gruppen sind nicht an bestimmte Vegetationstypen gebunden, sondern benötigen i.d.R. ein Nebeneinander verschiedener Habitatstrukturen (Schmidt 2007). Merkmale für die Habitatbindung können die Strukturierung, die Vernetzung, die Flächengrösse oder die räumliche und zeitliche Dynamik eines Lebensraumes sein. Die ökologischen Grundlagen sind in den Artikeln zu den jeweiligen Artengruppen ausgeführt (Tagfalter, Wildbienen, Heuschrecken). Tagfalter und Heuschrecken sind Artengruppen mit einem hohen Verbreitungsschwerpunkt in Wiesen und Weiden: unter den Tagfaltern können sich 85%, unter den Heuschrecken 80% der in der Schweiz vorkommenden Arten im Grasland entwickeln. Für beide Artengruppen ist von Bedeutung, dass die extensiven Graslandflächen möglichst gross und miteinander vernetzt sind. Zu kleine Habitatflächen sowie die zunehmende Isolation durch grössere Distanzen zwischen den Flächen wirken sich nachteilig auf die Populationsgrössen von Arten und ihre Überlebensfähigkeit aus. Artenreiches Grünland bietet ausserdem für wiesenbrütende Vogelarten einen Brut- und/oder Nahrungslebensraum.

In verschiedenen Datenbanken lassen sich die Artvorkommen nach Lebensräumen abfragen:

  • Die Öko-Fauna-Datenbank enthält ökologische Informationen zu Arten aus elf verschiedenen Tiergruppen und Angaben zum Trockenwiesen-Kennarten-Status.
  • Umweltziele Landwirtschaft (UZL): In der Liste der UZL-Arten ist ebenfalls das Vorkommen in Lebensraumtypen (Extensivwiese, Extensivweide) erfasst.
  • Die Flora indicativa umfasst ökologische und biologische Eigenschaften von rund 5500 Gefässpflanzen-, 600 Moos- und 200 Flechtenarten der Flora der Schweiz und der Alpen. Die zugehörige Datenbank ermöglicht ebenfalls Abfragen zu den Lebensräumen.
  • Die Fauna indicativa erfasst ökologische Präferenzen und biologische Eigenschaften aller in der Schweiz einheimischer Libellen-, Heuschrecken-, Laufkäfer- und Tagfalterarten.
  • Klassifikation Phytosuisse: das Nachschlagewerk mit Kurzbeschrieb zu jeder Pflanzengesellschaft (und Klassifikation nach Delarze et al.) befindet sich noch im Aufbau. Unter den Grünlandlebensraumtypen sind erst Angaben zur Gesellschaft «IV – Gebirgsrasen und Schneetälchen» aufgeschaltet.
  • Für die Mähwiesen im Kt. Luzern geben Schmid et al. (2007) Kenn- und Leitarten der Flora und Fauna für verschiedene Wiesentypen an. Für die Lebensräume des Kantons Luzern wurden Leitarten bezeichnet.
  • Im Schlussbericht zum Nationalen ökologischen Netzwerk REN wurden Zeigerarten-Gilden für verschiedene Lebensraumgruppierungen definiert (Berthoud et al. 2004).
  • Für das gedüngte Grünland weist der Vegetationsschlüssel Leit- und Charakterarten auf (Bosshard 2016).
  • Zahlreiche nützliche Angaben zu Artvorkommen und Negativarten bieten der Kartierbericht sowie die Vollzugshilfe TWW sowie weitere Grundlagen TWW von infohabitat.

Weitere Kapitel zum Grünland

Autoren

Text Karin Loeffel faunatur
Review Andreas Bosshard Ö+L GmbH
Jean-Yves Humbert Universität Bern, Conservation Biology
Heiri Schiess
André Stapfer
Markus Staub Projekte Ökologie Landwirtschaft
Gaby Volkart atena

  1. Delarze, Raymond; Gonseth, Yves; Eggenberg, Stefan; Vust, Mathias (2015): Lebensräume der Schweiz. Ökologie - Gefährdung - Kennarten. 3., vollst. überarb. Aufl. Bern: Ott.
  2. Bosshard, Andreas (2016): Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus. Bern: Haupt Verlag (Bristol-Schriftenreihe, Band 50)