Grundlagen

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Wasseramsel Agustín Povedano CC BY-NC-SA 2.0.jpg
Wasseramseln sind nicht nur gute Schwimmer, sondern auch geschickte Taucher. Sie suchen im rauschenden Wasser nach Insekten.

Gewässerklassifizierung

Fliessgewässer weisen je nach ihrer Grösse, der geographischen Lage, den topographischen und geologischen Verhältnissen sowie des Klimas, der Vegetation und der Landnutzug unterschiedliche Merkmale auf. Aufgrund dieser Merkmale lassen sie sich mithilfe verschiedener Klassifizierungsmethoden in Abschnitte oder Regionen einteilen. Diese Fliessgewässertypisierung beruht auf einer Vielzahl von unterschiedlichen Klassifizierungssystemen, die auf verschiedenen Merkmalen eines Fliessgewässers basieren. Dazu gehören beispielsweise die Grösse des Einzugsgebietes, die Abflussmenge oder die Flussordnungszahl.

Nebst der Kategorisierung anhand morphologischer und hydrologischer Merkmale werden Fliessgewässer häufig nach ihren Lebensgemeinschaften (Biozönosen) in Zonen eingeteilt. Viele Tiere zeigen aufgrund ihrer unterschiedlichen Umweltansprüche einen deutlichen Verbreitungsschwerpunkt im Längsverlauf eines Fliessgewässers. Fische etwa eigenen sich als Indikatoren, da sie gut nachweisbar sind und sensibel auf Faktoren wie Temperatur, Strömung und Untergrund reagieren. Aufgrund dieser unterschiedlichen Umweltansprüche können Bäche und Flüsse in verschiedene Fischregionen eingeteilt werden.

Das Makrozoobenthos (wirbellose Tiere, die den Gewässergrund besiedeln) ist ein guter Indikator für den Zustand der Fliessgewässer. Besonders die wenig mobilen, aber oft empfindlichen Makroinvertebraten der Gewässersohle, widerspiegeln die Gesamtheit aller auf sie einwirkenden Umgebungsfaktoren: Wasserqualität, morphologische und hydrologische Bedingungen sowie die Dynamik. Entsprechend stellt die Artengemeinschaft ein Abbild des Gesamtzustandes des Ökosystems Fliessgewässer dar. Das Fliessgewässer kann so in Qualitätsklassen unterteilt werden. Diese Untersuchungen werden mit dem Modul-Stufen-Konzept vorgenommen. Ergänzend wird bei dieser Klassifizierung auch die Untersuchung und Bewertung der Strukturen im und am Gewässer miteinbezogen (ökomorphologischer Zustand).

Links

Morphologie

Morphologie (von griechisch μορφή, morphé = Gestalt, Form und λόγος, lógos = Wort, Lehre, Vernunft) ist die Lehre von den Formen]. In der Flussmorphologie werden die Art und Weise der Gerinneausbildung, der Sohlstruktur, der Uferbefestigung, des Sohlsubstrates sowie in gewissem Umfang auch die angrenzende Aue beschrieben. Die Morphologie ist ein wesentliches Merkmal zu Beschreibung des Zustands eines Gewässers. Fliessgewässer, welche sich eigendynamisch und ohne äussere Einflüsse entwickeln können, finden die der jeweiligen Situation angemessene, richtige und stimmige Morphologie von selbst. Sind die Randbedingungen abgeändert worden (zum Beispiel durch eine eingeschränkte Geschiebezufuhr in den Gewässerabschnitt, durch Einbauten etc.), dann wird das Gewässer eine andere Morphologie ausbilden als erwartet oder als auf alten Karten ersichtlich.

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Veränderung der Gewässermorphologie entlang des Fliessweges. Bei grossem Gefälle ist die Erosionskraft gross, es bilden sich gerade Flussläufe mit Tiefenerosion. Das Geschiebe ist, je nach vorhandener Geologie, in der Regel grobkörnig. Im mittleren Abschnitt kann der Fluss gerade etwa so viel Geschiebe transportieren, wie von oben nachgeliefert wird. Es bilden sich verzweigte Gerinne, auch Umlagerungsstrecken genannt. Durch Abrieb ist das Geschiebe feiner geworden. Im untersten Abschnitt wird mehr Geschiebe angeliefert, als der Fluss zu transportieren vermag. Es kommt zu Ablagerungen und zu Seitenerosion/Mäanderbildung.

Die in der Legende zur Graphik beschrieben Aufteilung ist nicht streng zu verstehen. Welche Gestalt ein Fluss einnimmt, hängt nicht von der Distanz zur Quelle ab, sondern von einer Anzahl natürlicher Faktoren: der Geologie, der Geomorphologie, dem Niederschlagsregime und anderen klimatische Verhältnissen. Auch kulturelle Eingriffe spielen eine Rolle: Stauhaltungen, Geschieberückhalt etc. verändern die Morphologie. Ferner lässt sich ein Fluss nicht jederzeit genau einer dieser beschriebenen Erscheinungsformen zuweisen – die Übergänge sind fliessend.

Bundesamt fuer Landestopographie Oberrhein Dufourkarte 640x480.jpg
Rhein im Elsass, um 1846 (Ausschnitt aus der Dufourkarte)

Ein gutes flussbauliches Revitalisierungsprojekt ermöglicht dem Gewässer, seine natürliche Erscheinungsform einzunehmen, soweit dies unter den jeweiligen Randbedingungen möglich ist. Die bearbeitende Fachperson muss deshalb auf die folgenden Fragen Antworten findet:

  • Welches ist hier die natürliche Gerinne Morphologie?
  • Von welchen Prozessen wird sie massgeblich bestimmt?
  • Welche Prozesse können zugelassen werden oder sollen gefördert werden, welche sind unerwünscht?
  • Auf welche verschiedenen Arten kann eingegriffen werden, um unerwünschte Prozesse zu unterbinden, zu verlangsamen oder ihre Wirkung harmloser zu machen.
  • Welcher Gewässercharakter wird sich unter den gegebenen Randbedingungen ausbilden?


Erosionsstrecke quadrat.jpg
Erosionsstrecke. Der Bach entnimmt der Sohle Material und tieft sich so ein. Die Hänge rutschen nach. Während eines Hochwasserereignisses kann sehr viel Geschiebe mobilisiert werden. Dieses kann bei Gefällen über 15% auch als Murgang (“Rüfi“) abfliessen (Seitenbach Inn, Oberengadin bei Zernez).
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Umlagerungsstrecke. Der Bach transportiert das Geschiebe, das von oben antransportiert wird, durch die Strecke hindurch. Dies in Form von Umlagerungen (Roseggbach, Engadin).
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Mäanderstrecke. Die massgebenden Prozesse sind Ablagerung (Feinmaterial) und Seitenerosion (Reuss bei Bremgarten)

Literatur und Links

  • Oesch, T., Liembd, U., 2015. Revitalisierung kleiner und mittlerer Fliessgewässer: ein Leitfaden für die Praxis, Schriftenreihe des Instituts für Landschaft und Freiraum, HSR Hochschule für Technik Rapperswil: Im Kapitel 6.5 ist der Zusammenhang von Gefälle, Morphologie und Form zusammengefasst.
  • Plattform Renaturierung, Mediathek: Suche nach Themen möglich
  • Fliessgewässertypisierung der Schweiz

Rechtliche Grundlagen

Die ersten gesetzlichen Anstrengungen zum Schutze der Schweizer Gewässer enthielt das Bundesgesetz betreffend die Fischerei aus dem Jahre 1888. Die Verfassungsgrundlage für den Gewässerschutz wurde 1953 geschaffen. Heute ist für den Gewässerschutz der Art. 76 der Bundesverfassung die relevante Basis. Das wichtigste Gesetz ist das Gewässerschutzgesetz (GSchG) und die dazugehörige Gewässerschutzverordnung (GSchV). Diese Gewässerschutzgesetzgebung wurde im Zuge der Volksinitiative „Lebendiges Wasser“ stark revidiert. Eine weitere wichtige rechtliche Grundlage ist das Aueninventar mit der dazugehörigen Verordnung.

Seit 2011 liegt die revidierte Gewässerschutzgesetzgebung vor und bildet eine starke Grundlage für die Aufwertung und den Schutz der einheimischen Gewässer. Das Gesetz fordert, dass die Defizite (u. a. schlechter Zustand, sehr viele gefährdete oder ausgestorbene Arten) angegangen werden. Geplant ist, dass ein Viertel aller Gewässer in schlechtem Zustand revitalisiert werden. Dies entspricht über die ganze Schweiz verteilt ca. 4000 Kilometer Bach und Flussstrecken sowie Seeufern.

Relevant für den Schutz unserer Gewässer sind zusätzlich insbesondere das Bundesgesetz über den Wasserbau (WRG), das Bundesgesetz über die Fischerei (BGF), das Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG), das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG), die Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV), sowie die kantonalen Gewässerschutzgesetze.

Links

Sicherung Gewässerraum

Grafik Gewaesserraum AWEL 640x480.GIF
Der Gewässerraum bemisst sich vor allem aufgrund der der Breite der Sohlenbreite des Gewässers. Im Gewässerraum ist die Verwendung von Dünger und Pflanzenschutzmittel untersagt.

Ein wichtiger Aspekt zur Aufwertung der Gewässer der Schweiz ist die Ausscheidung der Gewässerräume. Das Gewässerschutzgesetz (Art. 36a) schreibt die Ausscheidung der Gewässerräume vor. Die Gewässerschutzverordnung legt die Gewässerraumbreiten (Art. 41a und 41b) und die zulässige Nutzung (Art. 41c) fest. Dünger und Pflanzenschutzmittel dürfen im Gewässerraum grundsätzlich nicht ausgetragen werden. Zudem dürfen nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse stehende Bauten und Anlagen im Gewässerraum erstellt werden. Unter bestimmten Bedingungen kann auf die Ausscheidung des Gewässerraumes verzichtet (GSchV Art. 41a Abs. 5) oder die Breite reduziert werden (GSchV Art. 41a Abs. 4).

Zur Festlegung des Gewässerraums hat der Bund eine Arbeitshilfe herausgegeben (Juni 2019).

Vom BAFU gibt es einen erläuternden Bericht zu den Änderungen der Gewässerschutzverordnung.

Wissenslücken

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Bei der Wanderung flussabwärts werden bei der Passage von Kraftwerken viele Fische getötet (ca. 1-jährige Junglachse)

Allgemein ist es betreffend Revitalisierungen und Aufwertungen von Fliessgewässer schwierig eine entsprechende Referenz – also ein zu erreichender Zielzustand – zu definieren, da die meisten Fliessgewässer in der Schweiz heute durch den Menschen beeinflusst sind und somit auch keine natürliche Struktur und Artenvielfalt mehr aufweisen. Ebenfalls bestehen noch viele Wissenslücken betreffend die Lebensraumansprüche vieler aquatischer Organismen. Dies erschwert die Ausrichtung der Revitalisierung auf standorttypische Arten und die Definition geeigneter Zielarten für die Erfolgskontrolle. Es ist weiterer Forschungsbedarf zu den Lebensraumansprüchen und zum Verhalten aquatischer Organismen inkl. Fische vorhanden.

Bei der Sicherstellung der Fischwanderung hinkt der Stand der Forschung den Anforderungen teils noch hinterher. Während der Fischaufstieg mittels Fischtreppen oder Umgehungsgewässern weitgehend gut gelöst ist, bleibt der schonende Fischabstieg eine weit grössere Herausforderung. In einem vierjährigen “Projekt Fischabstieg” wurden Lösungen für den Fischabstieg an grösseren, direkt angeströmten Flusskraftwerken untersucht. Das Projekt hat auf Stufe Labor interessante Resultate geliefert, der Forschungsbedarf ist aber nach wie vor gross. Aktuell läuft die Planung der Fortsetzung dieses Forschungsprojekt. In einer zweiten Phase sind zwei Pilotprojekte zum Fischabstieg an Aarekraftwerken und weitere Laborunterschuchungen vorgesehen.

Aus- und Weiterbildung

Verschiedenes

Link- und Literatursammlung

Links

Hier sind wichtige Links aufgeführt. Auf der Webseite der Plattform Renaturierung sind viele weitere aufgelistet.

Bund (Bundesamt für Umwelt BAFU)

Kantone

Organisationen und Institutionen

Fachstellen

Forschung

Naturzentren
Verschiedene Naturzentren haben einen Schwerpunkt auf Fliessgewässer, so zum Beispiel La Maison de la Rivière (deutsch französisch) oder das Naturzentrum Thurauen

Literatur

Das wichtigste an Literatur ist in den einzelnen Kapiteln aufgeführt.

Lehrbücher zu Wasserbau und Gewässerpflege

Glossar

Weitere Artikel zum Thema Fliessgewässer

Autoren

Text Aqua Viva
Verein biodivers info@biodivers.ch
Review Robert Bänziger Bänziger Kocher Ingenieure AG
Willy Müller LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur, Fischerei
Bruno Schelbert Umwelt, Natur und Landschaft Aargau
André Stapfer