Grünland/Aufwertung und Neuschaffung durch Direktbegrünung und Ansaat

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Ein monotoner Bestand lässt sich mit verschiedenen Methoden innert relativ kurzer Zeit in eine blüten- und artenreiche Wiese umwandeln. In diesem Artikel werden die verschiedenen Verfahren für die Aufwertung von Wiesen vorgestellt. Das Foto zeigt die Mahd einer Spenderfläche früh am Morgen bei feuchter Vegetation.

Inhaltsverzeichnis



Einleitung

Die Neuanlage oder Wiederherstellung artenreicher Wiesen ist eine der wirksamsten Massnahmen zur Förderung der Artenvielfalt. Eine artenreiche Wiese kann 30 bis über 60 Pflanzenarten auf einem einzigen Quadratmeter aufweisen.1 Weltweit können in keinem anderen Ökosystem oder Lebensraum so viele Pflanzenarten auf so kleinen Flächen zusammen existieren. Und eine ökologische Faustregel besagt, dass pro etablierter Pflanzenart 10 Tierarten vorkommen. Schon auf wenigen Quadratmetern kann also bei einer Neuschaffung einer artenreichen Wiese enorm viel für die Biodiversität getan werden. Der Artikel beschreibt, mit welchen Methoden artenreiches Wiesland neu geschaffen werden kann, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Methoden haben, und auf welchen Standorten welche mehr oder weniger artenreichen Wiesentypen realistischerweise angestrebt werden können. Die Ausführungen richten sich primär an Praktiker, die bei ihrer Tätigkeit aber nicht nur nach Rezept handeln, sondern auch die ökologischen Zusammenhänge verstehen möchten.

1 während in intensiv genutzten Wiesen oder Rasenflächen als Vergleich höchstens ein gutes Dutzend Arten vorkommen.


Standardsaatgut und Direktbegrünung – eine Begriffsklärung

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Artenreiches, autochthones Saatgut

Im Zusammenhang mit der Förderung und Schaffung artenreicher Wiesen werden einige nicht allgemeinverständliche Fachbegriffe verwendet. Die wichtigsten sollen hier kurz erläutert werden – zumal einige noch „jung“ sind und ihre Anwendung deshalb oft nicht einheitlich erfolgt, was Verwirrung stiften kann.

Bezeichnung von Saatguttypen und Saatgutherkünften
Das bis vor wenigen Jahren übliche Saatgut für die Ansaat artenreicher Wiesen war Standardsaatgut. Bei Standardsaatgut wird jede einzelne Art in Reinkultur zur Gewinnung von Samen angebaut und das geerntete Saatgut dann nach einer bestimmten Rezeptur zusammengemischt. Man spricht deshalb auch von Vermehrungssaatgut. Das Ursprungssaatgut stammt entweder von Wildpflanzen (sog. Basissaatgut), oder es werden Zucht- bzw. Handelssorten verwendet.
Wenn eine Saatgutmischung ganz aus Arten besteht, deren Basissaatgut von besammelten Wildpflanzen einer bestimmten Region stammt und das Saatgut anschliessend in derselben Region vertrieben wird, wird vor allem in Deutschland von Regiosaatgut gesprochen.
Dem Standardsaatgut stehen die sogenannten Direktbegrünungsverfahren gegenüber. Dabei wird das Saatgut direkt auf geeigneten Spenderwiesen als Samengemisch geerntet und ohne Zwischenvermehrung auf die Ansaat- oder Empfängerfläche übertragen. Die Methode wird deshalb auch als „Wiesenkopierverfahren“ bezeichnet. Dabei kommen verschiedene Ernte- und Übertragungsmethoden zur Anwendung wie Mahdgutübertragung, der Mähdrusch oder die Sodenversetzung. In Abgrenzung zum Regiosaatgut wird das Saatgut aus Direktbegrünungsverfahren autochthones (oder manchmal auch lokales) Saatgut genannt.
Diese Begriffsdefinitionen werden in den deutschsprachigen Ländern allerdings noch nicht überall einheitlich verwendet. So wird teilweise auch autochthones Saatgut als Regiosaatgut bezeichnet, oder Direktbegrünung wird teilweise nicht als Überbegriff, sondern synonym mit Mahdgutübertragung gebraucht. Heugrassaat wird auch als synonymer Ausdruck für Direktbegrünung, Ökotypensaatgut für Regiosaatgut, oder Handelssaatgut bzw. Regelsaatgut für Standardsaatgut verwendet.
Weitere wichtige Fachbegriffe, die in diesem Artikel genannt werden, sind jeweils im Text näher erläutert, oder ihre Bedeutung erschliesst sich ohne weitere Erläuterung aus dem Zusammenhang.

Neuanlage artenreicher Wiesen: Kurzer historischer Rückblick auf eine dynamische Entwicklung

Artenreiches Wiesland aus Naturschutzgründen neu zu schaffen wurde erstmals in den 1960er Jahren in grösserem Stil praktiziert. (vgl. Bosshard & Klötzli 2003 2). Dabei war das Interesse ganz auf nährstoffarme Standorte in Schutzgebieten gerichtet. Als Methoden dienten eine natürliche Besiedlung mit Arten aus der Umgebung, aber auch Mahdgutübertragungen, Pflanzungen oder Sodenversetzungen kamen damals bereits zur Anwendung. Käufliche Saatgutmischungen mit den gewünschten einheimischen Arten existierten damals keine. Die verfügbaren Mischungen stammten alle aus dem Ausland. Sie enthielten nicht-einheimische Arten und sogar Zuchtsorten, die im Widerspruch standen zu den naturschützerischen Zielen.

2 Bosshard A. & F. Klötzli 2003: Restoration Ecology. In: Bastian O. & U. Steinhardt (Hrsg.): Development and Perspectives in Landscape Ecology: conceptions, methods, application. Kluwer. ISBN 1-4020-0919-4.

Erfolg durch neue Saatgutmischungen

Erst Ende der 1980er Jahre gab der Naturschutz seinen fast ausschliesslichen Fokus auf Schutzgebiete auf und erkannte, dass die Biodiversität nur erhalten werden kann, wenn Naturschutzmassnahmen vermehrt flächenwirksam etabliert, d.h. auch ausserhalb von Naturreservaten neue artenreiche Flächen geschaffen werden können. Damit rückte die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft und somit auch nährstoffreichere Flächen ins Zentrum von Aufwertungsbemühungen. Da im Kulturland in den tieferen Lagen kaum noch artenreichere Biotope existierten, wurden in verschiedenen Teilen der Schweiz und in anderen Ländern Europas Projekte lanciert, welche in Zusammenarbeit mit Landwirtschaftsbetrieben ökologische Aufwertungen planten und realisierten. Eines dieser Projekte war „Landwirtschaft und Naturschutz aus Bauernhand“ 3. Politisch und institutionell breit abgestützt, entwickelte und testete das Pilotprojekt Anfang der 1990er Jahre auf neun Landwirtschaftsbetrieben im Kanton Zürich Massnahmen für eine zukünftige Agrarpolitik.

3 Landwirtschaft und Naturschutz aus Bauernhand. Schlussbericht des CH91-Pilotprojektes auf 9 Bauernhöfen im Kanton Zürich 1989-1991. Zürcher Vogelschutz, Zürcher Naturschutzbund, WWF Sektion Zürich und Zürcher Bauernverband, Zürich. 58 S.


Artenvielfalt auch auf nährstoffreichen Böden möglich?

Unter diesen Massnahmen waren auch erste Versuche, bei denen damals neu verfügbares Saatgut mit verschiedenen Arten blumenreicher Wiesen ausgetestet wurde. Denn bereits damals war aufgrund vieler Untersuchungen klar, dass die Samen der meisten Wiesenarten nur kurzfristig im Boden überleben. Das heisst, dass eine intensive Nutzung über drei oder vier Jahren bereits genügte, um die Pflanzenarten artenreicher Wiesen zum Verschwinden zu bringen. Eine Wieder-Extensivierung der Nutzung bringt sie – auch nach jahrelangem Warten – alleine nicht zurück. Vielmehr müssen sie jeweils neu eingebracht, sprich angesät werden.
Allerdings war völlig unklar, ob sich die eingebrachten Arten auf den nährstoffreichen Böden überhaupt etablieren können. Zumindest widersprach dies der damals vertretenen ökologischen Lehre. Nichtsdestotrotz entwickelten sich bei den Versuchsansaaten des Zürcher Pilotprojektes auf vorher intensiv genutzten Ackerflächen im zweiten Jahr tatsächlich niederwüchsige, artenreiche, an Magerwiesen erinnernde Wiesenbestände.
Dieser unerwartete Erfolg gab Anlass zu einer Dissertation. Auf zahlreichen Landwirtschaftsbetrieben in der Ostschweiz wurden auf über einem Dutzend Hektar unzählige Versuchsflächen mit verschiedenen Mischungsvarianten von Wiesenkräutern, -leguminosen und -gräsern angelegt (Bosshard 1999 4). Die ersten Versuche führten allerdings zu instabilen Pflanzenbeständen, die nach wenigen erfolgreichen Jahren vergrasten und den Grossteil der eingesäten Arten wieder verloren. Durch Verbesserungen in der Artenzusammensetzung, insbesondere der Gräserkomponente, gelang es schliesslich, auch auf vorher intensiv genutzten Böden langfristig stabile Blumenwiesenbestände zu etablieren. Als Resultat der Dissertation wurden vier Mischungsvarianten empfohlen, die heute als Salvia, Humida, Broma und Montagna auf dem Schweizer Markt breit etabliert sind und mit denen mittlerweile Hunderte, wenn nicht Tausende von Hektaren artenreicher Wiesen angesät worden sind und weiterhin angesät werden, vor allem in der Landwirtschaft, aber auch zunehmend im Siedlungsbereich.

4 Bosshard A. 1999: Renaturierung artenreicher Wiesen auf nährstoffreichen Böden. Ein Beitrag zur Optimierung der ökologischen Aufwertung der Kulturlandschaft und zum Verständnis mesischer Wiesen-Ökosysteme. Dissertationes Botanicae Band 303 Stuttgart. 201 S. Online-version

Breites Saatgutangebot, erfolgreiche Mischungen

Dass dies überhaupt möglich war, ist der engagierten Pionierarbeit verschiedener Saatgutfirmen zu verdanken, die ab Mitte der 1990er Jahre in der Schweiz ein immer breiteres Spektrum an typischen Wiesenblumenarten Schweizerischer Herkunft für die neuen Mischungen verfügbar machten. Seit einigen Jahren besteht nun auch bei den Wiesengräsern ein breites Angebot an einheimischen Ökotypen für diese Mischungen. Die Erfolgsrate der artenreichen Ansaaten in der Landwirtschaft beträgt mittlerweile über 90% gemessen am botanischen Qualitätsniveau QII (s. folgendes Kapitel). Dabei zeigen umfangreiche Datensätze, dass auf trockeneren Standorten die Artenzahl und der Blumenanteil im Laufe der Jahre eher zunimmt, während an feuchteren oder schattigeren Standorten bei den bestehenden Standard-Blumenwiesenmischungen die gegenteilige Tendenz besteht 5. Die hohe Erfolgsrate hängt allerdings nicht nur mit optimiertem Saatgut zusammen, sondern ist gerade im nährstoffreicheren Böden auch stark abhängig von einer korrekten Durchführung der Ansaat (s. Kap. "Herkunft des Saatgutes: Empfehlungen, Standards und rechtliche Vorgaben". Auch wenn dazu bisher keine systematischen Auswertungen vorliegen, scheinen die Erfolgsraten in Kantonen, bei denen für Wiesenaufwertungen eine Beratung/Begleitung angeboten wird oder obligatorisch ist (z.B. LU, AG, TG), deutlich höher zu liegen als in den übrigen Regionen.

5 vgl. Brönnimann & Minloff 2015 sowie bisher unveröffentlichte Monitoringresultate aus verschiedenen Kantonen.

Fördersystem für Blumenwiesen in der Schweizer Landwirtschaft

Der hauptsächliche Treiber der Blumenwiesenansaaten auf Landwirtschaftsflächen ist der finanzielle Anreiz durch das Direktzahlungssystem. Im Zuge der Agrarreform wurden nämlich ab dem Jahr 2001 sogenannte „Öko-Qualitätsbeiträge“ (ab 2014 als sog. Biodiversitätsförderflächen-QII-Beiträge bezeichnet, kurz BFF-QII) eingeführt. Diese werden ausbezahlt, wenn in einer angemeldeten Ökowiese innerhalb einer Aufnahmefläche von 3 m Radius mindestens 6 Pflanzenarten aus einer Liste von rund 45 Zeigerpflanzenarten nachgewiesen werden. In den letzten Jahren sind diese Qualitätsbeiträge laufend angestiegen, während die „Basis-Biodiversitätsbeiträge“ im gleichen Masse abgenommen haben. Damit stieg die Attraktivität der Ansaaten entsprechend. Bereits nach 1-2 Jahren sind dank den Biodiversitätsbeiträgen die Kosten einer Neuansaat nicht selten amortisiert.

Ökologische Bedeutung von Direktbegrünungsverfahren

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Ansaat eines gefrästen Streifens mit autochthonem Saatgut.

Die Blumenwiesenmischungen mit Ökotypen aus Schweizer Herkunft wurden bald so zahlreich eingesetzt, dass diese Entwicklung von Seiten der Ökologie und des Naturschutzes zunehmend kritisiert wurde. Denn alle neu angesäten Wiesen sahen landauf landab sehr ähnlich aus, hatten immer fast dieselbe Artenzusammensetzung und basierten alle auf denselben paar wenigen Ökotypen aus dem Ursprungssaatgut der Saatgutfirmen, egal ob die angesäten Wiesen im Wallis, im Seeland, im Randen oder im Bündnerland lagen. Diese Standardisierung steht im Kontrast zur enormen Vielfalt verschiedener Wiesentypen, die sich im Naturwiesland der Schweiz von Region zu Region in Bezug auf ihre typische Artenzusammensetzung stark unterschieden.
Immer mehr Untersuchungen der letzten Jahre wiesen ausserdem darauf hin, dass kleinräumig eine grosse genetische Vielfalt auch innerhalb jeder Pflanzenart besteht. Je grösser die Entfernung und je unterschiedlicher das Klima zwischen zwei Herkunftsregionen ist, umso deutlicher fallen auch die genetischen Unterschiede aus 6. Dies zeigt sich auch im ökologischen Verhalten. Viele der untersuchten Wiesenarten wuchsen besser, wenn die Pflanzen regionaler Herkunft waren. So lieferten die regionalen Gewächse im Schnitt beispielsweise zehn Prozent mehr Blütenstände als Artgenossen, die aus anderen Gegenden stammten 7.
Von Tal zu Tal, ja von Wiese zu Wiese bestehen genetische Anpassungen und Unterschiede, sogenannte Ökotypen. Diese innerartliche genetische Vielfalt ist zwar äusserlich oft nur schwer zu erkennen, aber ökologisch von grosser Bedeutung. Denn sie bedeutet eine Anpassung an die unterschiedlichsten Standorts- und Nutzungsbedingungen und ist damit eine wichtige Voraussetzung für die Stabilität von Ökosystemen. So konnten Untersuchungen zeigen, dass der Deckungsgrad höher und damit der Ansaaterfolg besser sind, wenn Ökotypen aus der Region statt Saatgut von weiter entfernt liegenden Gegenden verwendet wird. Im Gegenzug konnten sich weniger unerwünschte, nicht angesäte Arten (z.B. Neophyten) etablieren (Weisshuhn et al. 2012 8). Ein deutliches Indiz dafür, dass diese Pflanzen regional angepasst sind. Sie kommen also in der Nähe ihrer ursprünglichen Herkunft besser zurecht. Andere Untersuchungen zeigen, dass die Inzucht von autochthonem Saatgut geringer ist als von Vermehrungssaatgut 9.

6 z.B. Durka, W. et al. (2016): Genetic differentiation within multiple common grassland plants supports seed transfer zones for ecological restoration. – Journal of Applied Ecology 54/1, 116-126. PDF.

7 Durka W. et al. (2019): Regionales Saatgut von Wiesenpflanzen: genetische Unterschiede, regionale Anpassung und Interaktion mit Insekten. Natur und Landschaft 94/4, 146-153. PDF

8 Weisshuhn K., Prati D., Fischer M., Auge H. (2012): Regional adaption improves the performance of grassland plant communities. Basic and Applied Ecology 13/6, 551-559. Zusammenfassung

9 Aavik T., Bosshard D., Edwards P., Holderegger R., Billeter R. (2014): Genetische Vielfalt in Wildpflanzen-Samenmischungen. Agrarforschung Schweiz 5 (1): 20–27. PDF

Herkunft des Saatgutes: Empfehlungen, Standards und rechtliche Vorgaben

Um die genetische Vielfalt auf Ökotypenebene zu berücksichtigen, hat bereits 1998 die schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen (SKEW), heute Teil von Info Flora, Empfehlungen herausgegeben. Diese verlangen, dass das verwendete Saat- und Pflanzgut für Blumenwiesen aus der gleichen biogeographischen Region wie die Empfänger-Parzelle stammen soll. Bei häufigen, taxonomisch wenig differenzierten Arten sollen die sechs Grossregionen der Schweiz – d. h. Jura, Mittelland, Alpennordflanke, westliche und östliche Zentralalpen und Südalpen – eingehalten werden (siehe Abbildung). Taxonomisch schwierige Arten mit unregelmässiger Verbreitung sollen die elf Kleinregionen einhalten. Ausserdem ist es gemäss den Empfehlungen wichtig, standörtliche und regionale Unterschiede wie Höhenlage, Bodenverhältnisse und Exposition zu berücksichtigen. Nur so entspricht die zu begrünende Fläche den ökologischen Anforderungen der eingebrachten Arten. Die Empfehlungen verlangen auch, dass die gefährdeten Arten nicht in Samenmischungen gehandelt werden. Für diese gelten spezifische Richtlinien.
Die Richtlinien von Info Flora entsprechen dem, was auch in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen verlangt wird, insbesondere im Natur- und Heimatschutzgesetz, welches verlangt, die einheimische Tier- und Pflanzenwelt sowie ihre biologische Vielfalt und ihren natürlichen Lebensraum zu schützen 10.
In der Praxis finden die Richtlinien von Info Flora leider nur sehr begrenzt Berücksichtigung. Die eine Seite des Problems liegt beim Handel. Auch wenn die Saatgutfirmen die Herkünfte kennen und getrennt vermehren, werden sie – aus logistischen Gründen und den damit verbundenen Kosten –leider nicht so gekennzeichnet. Der Nutzer kann damit beim Kauf von Standardsaatgut die Empfehlungen gar nicht so einhalten, weil die Herkünfte in den Handels-Saatgutpackungen vermischt sind. Gewisse Kantone haben für landwirtschaftliche Ansaaten mit Saatgutproduzenten Abmachungen und erhalten spezifische Mischungen von und für ihre Region, die den Lebensräumen angepasst sind – dies ist aber leider die Ausnahme.
Auf der anderen Seite sind die Richtlinien auch bei den Anwendern noch sehr oft nicht angekommen. So wird in der Praxis oft auch dort, wo Saatgut gemäss den Info Flora-Empfehlungen verfügbar wäre, dieses oft nicht berücksichtigt mangels Wissens oder als Folge fehlerhafter Ausschreibungen. Dies ist insbesondere im Verkehrsbereich (Böschungsbegrünungen etc.) der Fall, wo jedes Jahr Hunderte von Hektaren neu begrünt werden.

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Die Biogeographischen Regionen der Schweiz: blau = Jura und Randen; hellgrün = Hochrhein- und Genferseegebiet; dunkelgrün = Westliches Mittelland; grün = Östliches Mittelland; hellblau = Voralpen; dunkelblau = Nordalpen; gelb = Westliche Zentralalpen, orange = Östliche Zentralalpen; rot = Südalpen; braun = Südlicher Tessin
(Quelle: Gonseth, Y.; Wohlgemuth, T.; Sansonnes, B.; Buttler, A. (2001): Die biogeographischen Regionen der Schweiz. Erläuterungen und Einteilungsstandard. Umwelt Materialien Nr. 137 Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Bern. 48 Seiten.).

Angesichts der grossflächig stattfindenden Uniformierung und Florenverfälschung 11 durch nicht den Richtlinien entsprechenden Saatgutmischungen nahm der Druck zu, vermehrt autochthones Saatgut lokaler Provenienz zu verwenden, wo die Herkunft im Detail nachgewiesen werden kann (vgl. dazu Tab. 1). 2014 wurde die Direktzahlungsverordnung mit einem Passus ergänzt, der für landwirtschaftliche Blumenwiesenansaaten im Rahmen der Verfügbarkeit die Anwendung von Direktbegrünungen vorschreibt (DZV Art. 58 Abs. 8). Deutschland geht noch einen Schritt weiter und verlangt ab 2020 generell bei der Neuanlage von Grasland in der freien Landschaft die Verwendung von gebietseigenem Saatgut (BNatSchG §40).
Dieser Bewusstseinswandel und die damit einhergehende teilweise angepasste Rechtslage gab der Anwendung von Direktbegrünungsverfahren starken Auftrieb. So werden in der Schweiz immer häufiger Mahdgutübertragungen durchgeführt, und dies bei korrekter Anwendung mit durchwegs guten Erfolgen 12. Da Mahdgutübertragungen v.a. aus logistischen Gründen oft nur beschränkt eingesetzt werden können, wurden in den letzten 10 Jahren verschiedene Ernteverfahren für autochthones Saatgut entwickelt oder weiterentwickelt (s. Kapitel Direktbegrünungsverfahren). Damit kann das Saatgut aus den Spenderflächen getrocknet, gereinigt und abgesackt werden. Das Saatgut kann damit in Bezug auf die Ansaattechnik und den Ansaatzeitpunkt genau so flexibel wie Standardsaatgut eingesetzt werden.

10 Vgl. die ausführliche Zusammenstellung und Interpretation der rechtlichen Grundlagen im Leitfaden für naturgemässe Begrünungen, Seiten 11-15.

11 Begriffserklärung und Beispiele siehe Box «Florenverfälschung».

12 vgl. Studie Pro Natura/Ö+L 2017 (PDF).

Engpass Spenderflächen

Vor allem im Mittelland und einigen Voralpenregionen sind geeignete Spenderflächen allerdings so rar, dass die Produktion von autochthonem Saatgut den potenziellen Bedarf bei weitem nicht abdecken kann. In diesen Regionen wird Standardsaatgut mit Ökotypen aus diesen Regionen auch in Zukunft ein wichtiger Pfeiler für die Renaturierung von artenreichen Wiesen bleiben – dies umso mehr, da für das Mittelland beim Standardsaatgut auch das grösste Angebot an Arten existiert. Im Berggebiet und auf der Alpensüdseite dagegen besteht sowohl in Anbetracht der sehr unterschiedlichen Standortsbedingungen und Höhenlagen, als auch aufgrund des sehr begrenzten Angebotes von Arten aus den betreffenden biogeographischen Regionen kaum geeignetes Standardsaatgut. Dafür sind in diesen Regionen Spenderflächen meist noch zahlreich verfügbar, so dass hier in Zukunft vorwiegend autochthones Saatgut zum Einsatz kommen dürfte. Von der bisherigen Praxis, in diesen Regionen Mischungen mit Ökotypen aus dem Mittelland zu verwenden, sollten die zuständigen Amtsstellen und weiteren Akteuren wegkommen.


Was ist «Florenverfälschung»?
Unter Florenverfälschung wird die Beeinträchtigung der einheimischen Pflanzen-Biodiversität durch die Einführung fremder Pflanzenarten oder fremder Ökotypen verstanden.

Schädigende Auswirkungen auf die Biodiversität können von folgenden zwei Prozessen ausgehen:
a) Heimische Arten oder Ökotypen werden durch die eingebrachten Arten oder Ökotypen verdrängt. Bekannt sind die Auswirkungen invasiver Neophyten, also sich aggressiv ausbreitende Pflanzenarten aus anderen Kontinenten wie de Goldruten (Solidago canadensis) oder der Japanknöterisch (Reynoutria japonica). Auch einheimische Arten können invasiv sein, z. B. Schilf (Phragmites australis) oder Klappertopf (Rhinanthus alectorolophus). Ein Beispiel für eine Ökotypen-Invasion stellt der europäische Schilfrohr-Ökotyp in Amerika dar, der dortige Populationen weitgehend verdrängt hat (vgl. Kowarik 2003).
b) Die vorhandenen lokalheimischen Ökotypen kreuzen sich mit den eingebrachten Ökotypen und verlieren dadurch ihre spezifischen, zum Teil ausgeprägten physiologischen und ökologischen Anpassungen an die lokalen Bedingungen (Klima, Standort, Bewirtschaftung). Mit der Einkreuzung verschwindet auch der betreffende Ökotyp als Bestandteil der Biodiversität.

Der Prozess b) dürfte viel bedeutsamer sein als a), ist aber gleichzeitig viel schwieriger zu beobachten und nachzuweisen. Beide Prozesse haben nicht auf die Flora, sondern ebenso auf die Tierwelt negative Auswirkungen.

Quelle: Bosshard, A., Mayer, P., Mosimann, A., 2015. Leitfaden für naturgemässe Begrünungen in der Schweiz. S. 21.


Die Verfügbarkeit von Ökotypensaatgut regionaler Herkunft (Regiosaatgut) war ein grundlegender Fortschritt gegenüber dem früher aus dem Ausland importierten „Billigsaatgut“, das nicht nur Ökotypen aus vielen anderen Ländern enthielt, sondern teilweise sogar Zuchtformen oder auch Arten, die gar nicht in der Schweiz heimisch waren. Ein Beispiel war der Wiesenknopf (Sanguisorba muricata), der dem heimischen Kleinen Wiesenknopf (Sanguisorba minor) sehr ähnlich sieht. Andere Beispiele sind Rotklee (Trifolium pratense) und Hornklee (Lotus corniculatus) oder Fromental (Glatthafer) (Arrhenaterum elatius), bei denen noch bis vor wenigen Jahren regelmässig Zuchtformen verwendet wurden.

Wo lassen sich welche artenreichen Wiesentypen neu anlegen?

Artenreiche Wiesen können praktisch überall neu angelegt werden, vorausgesetzt Ansaatmethode und Saatgut sind sachgemäss auf den Standort und die zukünftige Nutzung abgestimmt. Je nach Standort und Nutzung entstehen dabei unterschiedliche Wiesentypen mit einer unterschiedlichen Artenzusammensetzung und Artenvielfalt.
Die wichtigsten Anwendungsbereiche für die Neuanlage artenreicher Wiesen sind Naturschutzgebiete, ehemaliges Ackerland, bisher intensiv genutzte verarmte Wiesen im Landwirtschaftsgebiet, Hochwasserschutzdämme und Gewässerräume, Böschungen von Verkehrswegen, Rasenflächen in Gärten oder Parks, neu geschaffene Umgebungen von Siedlungen, aber auch kleinflächige Objekte wie Verkehrsinseln oder kleine Gartenbereiche.
Besonders artenreich werden Wiesen auf relativ nährstoffarmen Standorten mit extensiver Nutzung, das heisst auf Flächen, die nicht gedüngt und nur ein- bis höchstens zweimal pro Jahr gemäht werden (Abb. 2). Bei erhöhtem Nährstoffgehalt und etwas häufigerer Mahd nimmt die Artenzahl zunehmend ab. Doch auch auf ehemals intensiv genutzten, nährstoffreichen Böden können bei sachgemässer Ausführung und Bewirtschaftung blumenreiche Wiesentypen langfristig erfolgreich angelegt werden. Sogar in Rasenflächen, die bis zu sechsmal jährlich gemäht werden, können sich viele attraktive und für Insekten wertvolle Blumenarten wie Salbei, Margerite, Brunelle, Thymian etc. langfristig halten.
Bei sehr nährstoffarmen Verhältnissen (z.B. Rohböden) ist die Artenzahl und die Blühfreudigkeit der Wiesentypen etwas geringer, dafür lassen sich unter solchen Standorten besser gefährdete Arten ansiedeln.
Die Standortansprache, also die Beurteilung, welcher artenreiche Wiesentyp an einem gegebenen Ort angelegt werden kann, ist entscheidend für den späteren Erfolg. Doch die Standortbeurteilung bereitet oft Mühe. Es lohnt sich deshalb, für diesen ersten ausschlaggebenden Schritt eine erfahrene Fachperson beizuziehen. Sie kann für den individuellen Fall die wichtigsten Hinweise zum anzustrebenden Wiesentyp, zur richtigen Bodenvorbereitung, zur Ansaatmethode, zum geeigneten Saatgut und zu den Anforderungen an Bewirtschaftung und Pflege geben.

Die wichtigsten Wiesentypen und ihre Standorte für die Neuanlage artenreicher Wiesen

Im Wesentlichen sind folgende fünf Wiesentypen für die Neuanlage artenreicher Wiesen bis in eine Höhenlage von maximal 1000 m ü. M. relevant (siehe Kapitel «Typologie des Grünlands»). Die Reihenfolge in der nachfolgenden Abbildung richtet sich nach einem Gradienten von trocken bis feucht und von nährstoffarm bis mässig nährstoffreich.

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Ökogramm mit den wichtigsten Wiesentypen, die für eine Neuanlage artenreicher Wiesen in Frage kommen. Wo es sehr trocken ist, ist die Verfügbarkeit von Nährstoffen stark eingeschränkt, weshalb es keine Wiesentypen in der Ecke oben rechts gibt.

1. Trockenrasen13 (Xerobromion): Dieser Wiesentyp bildet sich nur auf sehr sonnigen, heissen Standorten mit sehr mageren Böden aus (z.B. Rohböden wie Kies- oder Sandflächen). Trockenrasen sind lückig, sehr artenreich, aber oft etwas weniger blühfreudig als die Halbtrockenrasen. Trockenrasen werden oft nur jedes zweite Jahr gemäht, so dass auch verholzte niedrige Sträucher wie verschiedene Ginsterarten aufkommen können.
2. Trespen-Halbtrockenrasen13 (Mesobrometum): Verbreiteter, blumen- und artenreicher Wiesentyp an sonnigen, nährstoffarmen, (zumindest schwach) humusierten Standorten. Wird jährlich im Juli geheut und im Herbst je nach Wüchsigkeit noch ein zweites Mal gemäht. Charakterarten sind das bestandesbildende Gras Aufrechte Trespe (Bromus erectus) und bei den Kräutern z.B. Thymian (Thymus sp.), Esparsette (Onobrychis viciifolia), Salbei (Salvia pratensis) und bei schwacher Nutzung Dost (Eupatorium cannabinum) und Hauhechel (Ononis sp.).
3. Fromentalwiese trockene Ausprägung (Arrhenatheretum salvietosum): Ziemlich artenreiche, sehr blütenreiche Wiese, die in der Regel in der zweiten Junihälfte geheut wird und danach noch 1-2 weitere Emdschnitte benötigt. Sie bildet sich auf humusreicheren, vormals oft intensiv gedüngten Böden an sonnigen Lagen aus. Charakterarten sind Salbei (Salvia pratensis), Wiesenbocksbart (Tragopogon pratensis) oder Margerite (Leucanthemum vulgare).
3a. "Blumenrasen": Auf Fromentalwiesenstandorten, also auf humusreicheren, gut mit Nährstoffen versorgten Böden auf mittleren oder trockeneren Standorten bilden sich bei sehr häufiger Mahd Rasen im gartenbaulichen Sinne aus. Wird ein Rasen alle 1-2 Wochen gemäht, überleben nur wenige Pflanzenarten, vor allem ausläufertreibende, niederwüchsige Gräser und einige Klee- und Kräuterarten. Wird die Schnittfrequenz auf maximal 5-6 Schnitte pro Jahr reduziert und die Düngung eingestellt, haben viele Arten der Fromentalwiesen und teilweise auch der Trespen-Halbtrockenrasen eine Chance, sich zu etablieren und zu reproduzieren. Dieser «Wiesentyp» wird in der Regel Blumenrasen genannt und findet zunehmend Verbreitung im Siedlungsbereich.
4. Fromentalwiesen frische Ausprägung (Arrhenatheretum cirsietosum oleracei): Ziemlich arten- und blütenreiche Wiese. Bewirtschaftung/Pflege wie bei (3). Sie bildet sich auf humusreicheren, vormals oft intensiv gedüngten Böden an schattigeren und/oder frischen bis feuchten Standorten aus. Charakterarten sind Kuckuckslichtnelke (Lychnis floc-cuculi) und Kohldistel (Cirsium oleraceum). An schattigen oder feuchten Standorten bilden sich bei sehr extensiver Nutzung (Mahd alle 2 Jahre oder jährlich im Spätherbst) Hochstaudensäume (Filipendulion, 4b) mit farbenprächtigen Arten wie Mädesüss (Filipendula ulmaria), Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) oder Blutweiderich (Lythrum salicaria) aus.
5. Streuwiesen (Molinion, Caricetum davallianae u.a.): Magere, feuchte bis vernässte Standorte sind für Wiesenneuanlagen eher selten und werden vor allem bei Naturschutzprojekten gezielt geschaffen mittels baulichen Massnahmen, z.B. bei Wiedervernässungen oder bei der Schaffung von Weihern. Unter diesen Standortbedingungen bilden sich niederwüchsige, teilweise sehr artenreiche Streuwiesentypen aus, die in der Regel einmal jährlich im Spät-herbst gemäht werden.

13 «Rasen» wird hier in pflanzensoziologischer Terminologie verwendet und bedeutet «niederwüchsige Vegetation aus Kräutern».

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Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität, Ertrag und Vielfalt (Artendichte) an Pflanzenarten in Naturwiesen, schematisch; Orientierungswerte für Wiesen trockener und mesischer Standorte der kollinen bis montanen Stufe der Schweiz. Düngung und Nutzungshäufigkeit nehmen von links nach rechts zu. TS = Trockensubstanz. Der mit 1 bezeichnete Bereich entspricht in den tieferen Lagen den Trespen-Halbtrockenrasen, 2 den Fromentalwiesen. Quelle: Bosshard, A., 2016. Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas: Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus, Bristol-Schriftenreihe. Haupt Verlag, Bern. (ergänzt)

Standort- und Vegetationsbeurteilung

Eine grundlegende Voraussetzung für den Erfolg von artenreichen Wiesenansaaten ist die korrekte Standortbeurteilung14 sowie die Beurteilung der vorhandenen Vegetation. Diese beiden Schritte bestimmen, ob und welche Massnahmen für eine Ansaat getroffen und welches Saatgut für eine erfolgreiche Durchführung gewählt werden soll, aber auch, wo eine Ansaat am meisten Sinn macht, sofern mehrere Varianten zur Verfügung stehen.

14 bzw. die künstliche Schaffung entsprechender Standortbedingungen beispielsweise mittels Bodenabtrag/Bodenaufschüttung, vgl. Kapitel «Aufwertung durch Aushagerung»

Wo es keine Ansaaten braucht, sondern Geduld und angepasste Pflege genügen

Auf Flächen, auf denen bereits einzelne Blumen der gewünschten Arten vorhanden sind, kann unabhängig von einer Standortdiagnose oft auf eine Ansaat verzichtet werden. So weisen artenarme Naturwiesen, auch wenn sie intensiv bewirtschaftet werden, oft noch Reste von Zielarten auf, beispielsweise in Randbereichen oder an flachgründigen Stellen. Zudem sind Naturwiesen 15 generell deshalb wertvoll, weil die verbliebenen Arten noch aus alten, lokalen Ökotypen bestehen, so dass beim Umbruch von alten Naturwiesen generell grosse Zurückhaltung geübt werden sollte. Sie können nach und nach durch ein Ausbleiben der Düngung und ein reduzierte Mahdfrequenz – meist genügt ein zweimaliger Heuschnitt pro Jahr – wieder artenreicher werden.
Auch in alten Rasenflächen, die über längere Zeit nicht gedüngt wurden, wächst vereinzelt oft noch eine erstaunliche Vielfalt an Wiesenblumen wie Margeriten, Hornklee oder Salbei. Kommen solche Arten noch regelmässig vor, genügt es, den Mährhythmus stark zu reduzieren (auf maximal 6 Schnitte pro Jahr), und eine mehr oder weniger artenreiche Blumenwiese kehrt in wenigen Jahren von selbst zurück.

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Um zu klären, ob eine Ansaat nötig ist oder Abwarten vielmehr genügt, bietet das Agridea-Merkblatt "Der Weg zur artenreichen Wiese" eine gute Entscheidungshilfe.

15 Naturwiesen sind Wiesen, die seit mindestens 30 Jahren nicht mehr umgebrochen und neu angesät worden sind.

Botanische Aufwertung von verarmten Naturwiesen mittels Einsaaten

Ist eine Wiese beispielsweise durch intensive Nutzung einmal botanisch verarmt und weist auch keine Relikte der angestrebten Pflanzengesellschaft mehr auf, kommt die Pflanzenvielfalt auch bei wieder extensiverer Nutzung selbst nach Jahrzehnten oft nicht von selbst zurück. Dies zeigen viele Untersuchungen (z.B. Bosshard 1999, Kiehl 2010 16). Zum einen breiten sich die meisten Wiesenarten nur langsam aus, zum anderen verhindert die bestehende Grasnarbe die Etablierung neuer Pflanzenarten wirkungsvoll und ein Samenvorrat der meisten erhofften Wiesenarten fehlt, da die Samen der meisten Wiesenarten nur wenige Jahre im Boden überleben.

Soll ein verarmter Wiesenbestand also wieder mit Arten angereichert werden, bleibt nichts anderes übrig, als die fehlenden Arten mit geeigneten Massnahmen wieder einzubringen 17. Dabei existieren grundsätzlich drei Möglichkeiten – wobei eine angepasste Nutzung (keine Düngung, geeignetes Schnittregime u.a.) immer vorausgesetzt wird:

  1. Übersaatmethode: Alte, vergraste und blumenarme Naturwiesen, die bezüglich der Grasartenzusammensetzung aber noch einigermassen den Fromentalwiesen im engeren Sinne entsprechen, sollten nicht umgebrochen/gefräst und angesät werden. Eine Aufwertung mit einer einfachen Übersaat in den bestehenden Bestand, wie dies in intensiver genutzten Wiesen mit Futterbaumischungen gemacht wird, funktioniert mit Wiesenblumensaatgut nicht. Dagegen gibt es zwei etwas aufwändigere Übersaatmethoden, die ohne Umbruch funktionieren. Zum einen lassen sich Wiesenblumenarten ansiedeln, indem über mehrere Jahre hinweg gesammeltes Saatgut ausgewählter Arten der Umgebung gezielt oberflächlich auf Blössen (Narbenschäden, Maushaufen, gezielt verursachte Öffnungen etc.) ausgebracht wird. Die andere Möglichkeit besteht darin, über mehrere Jahre das frische Erntegut von blumenreichen Heuwiesen (Fromentalwiesen) auf der aufzuwertenden Fläche zu trocknen. Die ausfallenden Samen führen nach einigen Jahren zu einer deutlichen Zunahme der Arten- und Blumenvielfalt. Voraussetzung ist allerdings, dass eine geeignete Heuwiese als Spenderwiese auf dem Betrieb oder in der Nachbarschaft vorhanden ist. Mit diesen beiden Methoden wird die bestehende Pflanzen-/Boden-Garnitur und -Struktur nicht unnötig zerstört und die noch vorhandenen Ökotypen der bestehenden Naturwiese bleiben erhalten. Allerdings brauchen sie viel Geduld, sind ziemlich aufwändig und gelingen nur auf Standorten mit eher tiefem Nährstoffniveau.
  2. Streifensaat. Diese Methode ist einfacher und sicherer und erlaubt es ebenfalls, die gewünschten Arten wieder in den Bestand zu bringen, ohne dass die ganze bestehende Naturwiese eliminiert werden muss. Dazu werden in einem Abstand von 15-20 m Streifen von 3-6 m Breite mit einer zapfwellengetriebenen Egge (z.B. Kreiselegge) oder auch einer Gartenfräse in die bestehende Wiese gefräst. Meist ist eine mindestens 3-malige Wiederholung im Abstand von ca. 2 Wochen nötig, bis die alte Vegetation vollständig abgestorben ist. Im Frühling können die vegetationsfreien, gut abgesetzten Streifen mit geeignetem Saatgut oder einer Direktbegrünung angesät. Je breiter die Streifen sind, desto eher lassen sich Schäden durch Schnecken reduzieren. Von den angesäten Streifen aus können dann die dort etablierten Arten nach und nach in den umliegenden Bestand auswandern, sofern Bodenheu gemacht und das Heu mit dem Kreiselheuer über die Fläche verteilt wird.
  3. Ganzflächige Ansaat: Ist der Ausgangsbestand keine erhaltenswerte Naturwiese, empfiehlt es sich, die bestehende Wiesenvegetation ganzflächig durch Pflügen und anschliessendes Eggen, oder allein durch mehrmaliges Eggen mit einer zapfwellengetriebenen Kreiselegge (oder ähnlichem Gerät), vollständig zu entfernen. Details zu einer erfolgreichen Saatbettbereitung und Ansaat siehe Kapitel «Standort- und Vegetationsbeurteilung».

16 Plant species introduction in ecological restoration: Possibilities and limitations. Basic and Applied Ecology 11/4, 281-284

17 vgl. dazu insbesondere Agridea-Merkblatt «Der Weg zu artenreichen Wiesen» sowie Huguenin-Elin et al. 2012

Welche Flächen eignen sich (nicht) für Neuansaaten?

Mittels Ansaaten können auf fast jedem Standort (Boden, Exposition, Höhenlage etc.) artenreiche, stabile Wiesen erfolgreich wieder etabliert werden – vorausgesetzt, es werden die richtigen Arten und Ökotypen fachgerecht angesät und die anschliessende Pflege erfolgt dem Pflanzenbestand angepasst.

Generell gilt: Auf mageren sonnigen Standorten können sich mehr Pflanzen- und Tierarten und auch seltenere Arten entwickeln als auf nährstoffreicheren oder schattigeren Flächen. Auf sehr armen trockenen Böden nimmt die Artenvielfalt natürlicherweise wieder ab (siehe Abbildung zu Artenreichtum), und die Ansaat gestaltet sich oft schwierig, insbesondere auf kiesigen Rohböden mit geringem oder fehlendem Feinkornanteil (Sand, Schluff, Ton).

Weniger geeignet bzw. schwierig für die Neuansaat artenreicher Wiesen sind:

  • Schattige Standorte. Solche sind von Natur aus meist arten- und blumenärmer als Wiesen an besonnten Lagen. Zudem können Schnecken den Keimlingen, vor allem der Wiesenblumen, an solchen Standorten besonders zusetzen. Dieser teilweise unterschätzte Faktor wird noch verschärft, wenn die Ansaatflächen an solchen Standorten klein oder schmal sind und deshalb von den Schnecken vom Rand her leichter aufgesucht werden können. Tipp: Anzusäende Flächen, die von bestehenden Wiesen oder Gehölzen umgeben sind, sollten nicht schmaler als 6 m und kleiner als eine Are (10x10m) sein.
  • Entwässerte Moorböden. Auf solchen Böden werden durch den Abbau des Torfs so viele Nährstoffe freigesetzt, dass rasch wenige Arten zur Dominanz gelangen und die meisten der angesäten Arten verdrängen. Unter dieser (seltenen) Voraussetzung lohnen sich artenreiche Ansaaten in der Regel nicht. Ökologisch aufgewertet werden können sie jedoch mit einer Vernässung.
  • «Verunkrautete“ Flächen»: Auf Standorten, die vorher mit Stumpfblättrigem Ampfer («Blacke», (Rumex obtusifolius)) verunkrautet waren, ist Vorsicht geboten. Blackensamen bleiben viele Jahrzehnte keimfähig im Boden. Auch wenn auf einer Fläche vor der Ansaat keine Blacken sichtbar sind, können Blackensamen beim Pflügen oder auch Eggen von Wiesland aus einer früheren Verunkrautung in grosser Zahl keimen. Die Bekämpfung dieser Problemart kann sehr aufwändig sein 18. Als weitere Problemarten sind Ackerkratzdisteln und einige wenige invasive Neophyten zu nennen, insbesondere Goldruten und einjähriges Berufskraut. Was die genannte, ausläufertreibende Distelart anbelangt, deren Blüten übrigens für Bienen und Schmetterlinge sehr attraktiv sind, verschwindet sie bei regelmässiger Mahd meist von selbst wieder. Die genannten Neophyten dagegen sollten von Beginn weg konsequent eliminiert („gezupft“) werden. Praktisch alle anderen Pflanzenarten, die landläufig als Unkraut bezeichnet werden, sind bei einer fachgerechten Pflege kein Problem für die gewünschte Entwicklung des Wiesenbestandes. Das gilt insbesondere für die im Ansaatjahr oft massenweise auftretenden einjährigen Ackerbeikräuter wie Gänsefuss (Chenopodium sp.) oder Ackerhirsen (Echinochloa crus-galli, Setaria spp., Panicum spp.). Sie verschwinden alle bereits im zweiten Jahr nach der Ansaat von selbst.

18 Der Umgang mit Flächen, die einen hohen Blackendruck aufweisen, kann hier nicht weiter vertieft werden.

Standortbeeinflussung

Besteht in einem Ansaatprojekt die Möglichkeit, die Bodeneigenschaften zu beeinflussen, können folgende Massnahmen ins Auge gefasst werden, um – in der Regel – nährstoffärmere Bedingungen zu schaffen (Reihenfolge mit abnehmender Wirksamkeit und abnehmenden Kosten):

  1. Oberbodenabtrag (meist A-Horizont, ggf. auch B-Horizont),
  2. Aufschüttung eines nährstoffarmen Substrates auf oder Einarbeitung desselben in den bestehenden Boden – meist Kies oder Sand – wobei es für die Aufschüttung meist eine Schicht von mindestens 30 cm braucht,
  3. Ausmagerung, beispielsweise durch die Kultur eines Starkzehrers wie Mais oder Raygras. Die Wirksamkeit dieser Methode ist allerdings umstritten. Eine deutlich stärkere Reduktion verfügbarer Nährstoffe wird allein dadurch erreicht, indem vor der Ansaat der Boden möglichst nicht mehr gewendet oder bewegt wird (Verhinderung der oxidativen Nährstoffmobilisation, s. Bosshard 1999). Dies ist auf wenig verunkrauteten Ackerflächen möglich, indem die Ansaat ohne Bodenbearbeitung direkt in die Stoppelbrache erfolgt.

Ebenso besteht überall dort, wo der Boden neu aufgesetzt wird wie z.B. bei Bauprojekten, die Möglichkeit, den Boden so zu „designen“, dass er standörtlich der Zielvegetation am besten entspricht.

Weitere Standortfaktoren können beispielsweise durch die Gestaltung des Geländes (Exposition, Grundwassereinfluss etc.) oder durch Reduktion von Schatteneinflüssen (Waldrandstufung, zurückschneiden von Hecken etc.) zugunsten der angestrebten Wiesentyps gezielt beeinflusst werden.


Tabelle: Vereinfachter Entscheidungsbaum für die Wahl der geeigneten Ansaat in Lagen unterhalb 1000 m ü. M. (Quelle: In Anlehnung an Bosshard 2000, Blumenreiche Heuwiesen aus Ackerland und Intensiv-Wiesen. Eine Anleitung zur Renaturierung in der landwirtschaftlichen Praxis. Naturschutz und Landschaftsplanung 32/6, 161-171. Zur Bestimmung der Wiesentypen siehe Kapitel «Typologie des Grünlands

Typ Beschreibung
1a Boden eher bis sehr tiefgründig, bisher mittel bis sehr intensiv genutzt (oder Phosphor über 100 ppM), mit ausgeglichenem Wasserhaushalt: -> Zielvegetation typische Fromentalwiese (Arrhenatheretum). Details siehe Text.
1b Boden flachgründig oder durchlässig (kiesig, sandig) oder Standort sehr trocken oder nährstoffarm aufgrund bestehender Vegetation (Ertrag < 30 dt/J); an sonniger Lage:
1b1 Boden kalkhaltig oder pH >6: -> Zielvegetation typische Trespen-Halbtrockenrasen (Mesobrometum). Zur Wahl der Ansaat siehe Text.
1b2 weitgehend fehlender Kalkgehalt bzw. pH <6: -> Zielvegetation Rotschwingel-Straussgraswiese (Festuca-Agrostion), ev. Borstgrasrasen (ab 600 m ü. M. (Nardion)); Direktbegrünung, kein geeignetes Standardsaatgut verfügbar.
1c Wie 1b, aber schattige Lage:
1c1 Eher trockener Standort (vorwiegend Nordexposition, Beschattung durch Waldrand u.ä.): -> Zielvegetation Rotschwingel-Straussgraswiese (Saatgut s. 1c1),
1c2 wie 1c1, aber bei Niederschlägen >1200 mm/J und mind. leichtem Bodenkalkgehalt bzw. pH >6: -> Rotschwingel-Straussgraswiese (s. 1c1) oder magere Variante einer feuchten Fromentalwiese mittels Direktbegrünung oder Standardsaatgut Humida.
1d Boden zur Vernässung neigend (wechseltrocken):
1d1 Boden eher tiefgründig und/oder eher nährstoffreich: -> Zielvegetation frische Fromentalwiese, Saatgut über Direktbegrünung oder mit Standardsaatgut Humida
1d2 Boden mager oder flachgründig: -> Streuwiesengesellschaften durch Direktbegrünungsverfahren (kein geeignetes Standardsaatgut auf dem Markt). Pflanzensoziologische Detailabklärungen nötig zur Wahl geeigneter Spenderflächen (Molinion, Caricion u.a.)
1e Boden vernässt bzw. wechselnass: Wie 1d2.
1f Rohboden: -> Zielvegetation: Ruderalflora oder lückiger Trespenrasen (s. Text); je nach Situation auf Ansaat verzichten, Ansaat einer Ruderalflora-Mischung, oder (sofern Boden kalkhaltig) Direktbegrünung mit Trespen-Halbtrockenrasen (Mesobrometum) bzw. Trockenrasen (Xerobrometum) sofern verfügbar. Kleinflächen: Anpflanzung von Einzelpflanzen prüfen.

Saatgut: Richtige Artenzusammensetzung, richtige Herkunft

Standörtliche/geographische Herkunft, Qualität und Zusammensetzung des Saatgutes sind eine ausschlaggebende Voraussetzung für den Erfolg bei einer Neuanlage oder Wiederherstellung artenreicher Wiesen. Auch im Hinblick auf die Biodiversität spielen die Zusammensetzung und Herkunft des Saatgutes eine zentrale Rolle.

In diesem Kapitel werden die verschiedenen Saatguttypen mit ihren Vor- und Nachteilen sowie die vorhandenen Anbieter in der Schweiz beschrieben. Eine einfache erste Entscheidungshilfe, wo welcher Saatguttyp am besten geeignet ist, liefert die Entscheidungsmatrix (siehe Tabelle unten). Weiterführende Informationen zu den einzelnen Saatguttypen und ihren Anwendungsmöglichkeiten enthält der Leitfaden für naturgemässe Begrünungen, Kap. 6 (s. 39 ff.).

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Entscheidungsmatrix für die Saatgutwahl bei Begrünungen in der Schweiz. Eine Saatgutwahl nach dieser Matrix ist konform mit dem Natur- und Heimatschutzgesetz sowie mit der Biodiversitätskonvention. Die zuerst genannten Verfahren sind aus ökologischer Sicht vorzuziehen. Angaben in Klammern: Verfügbarkeit des Saatgutes je nach Region eingeschränkt. A = Autochthones Saatgut oder Pflanzenmaterial (ausgebracht über Heugrassaat, Sodenverpflanzung oder ähnliche Verfahren), W = Wildpflanzensaatgut (Regio-Saatgut), Z = Regel-Handelssaatgut.
Quelle: Leitfaden für naturgemässe Begrünungen in der Schweiz - Mit besonderer Berücksichtigung der Biodiversität, Bosshard A., Mayer P., Mosimann A., 2015

Direktbegrünungsverfahren

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Vergleich der Begrünungsverfahren. Quelle: Bosshard, A., Mayer, P., Mosimann, A., 2015. Leitfaden für naturgemässe Begrünungen in der Schweiz. Mit besonderer Berücksichtigung der Biodiversität. Ö+L Ökologie und Landschaft GmbH.

Direktbegrünungsverfahren sind für die Erhaltung der Biodiversität in der Regel deutlich besser als der Einsatz von Standardsaatgut. Bei Ansaaten auf Flächen mit Naturschutzcharakter sollten generell Direktbegrünungen, also Mahdgutübertragung oder autochthones Saatgut aus dem Sack, eingesetzt werden und nur im Ausnahmefall (z. B. für extensive Vernetzungsflächen, die nicht direkt Naturschutzflächen sind) Standardsaatgut.

Die Ansaatmethode der Direktbegrünung bzw. mit sog. autochthonem Saatgut wird oft als Wiesenkopierverfahren bezeichnet. Statt einzelne Arten zu vermehren, in Monokulturen anzubauen und dann als definierte Mischungen auf den Markt zu bringen, werden die Samen, welche in artenreichen Wiesen, den sogenannten Spenderflächen, jedes Jahr produziert werden, direkt, ohne Zwischenvermehrung, genutzt. Die Ansaat dieser Samen auf die Ansaat- oder Empfängerfläche sollte möglichst in engem räumlichem Umkreis, im Idealfall lokal, d.h. im Umkreis von beispielsweise 15 km, erfolgen. Deshalb wird auch von lokalem Saatgut gesprochen 19.

Ebenso wichtig wie dieses Prinzip «Aus der Region für die Region» ist das Prinzip Standortäquivalenz: Spenderfläche und Ansaatfläche müssen sich standörtlich, also bezogen auf den Bodentyp, die Höhenlage, die Exposition, die Nutzung/Pflege etc., so weit als möglich entsprechen (vgl. dazu die Entscheidungshilfe von Regio Flora).

Direktbegrünungsverfahren wurden in den letzten Jahren in der Schweiz, aber auch im Ausland 20 stark weiterentwickelt und verbessert und funktionieren mittlerweile bei fachgemässer Ausführung zuverlässig und erfolgreich.

Heute wird von einigen Firmen autochthones Saatgut für die meisten Teile der Schweiz angeboten 21. Die von Pro Natura initiierte und zusammen mit Info Flora, AGRIDEA und verschiedenen Kantonen aufgebaute Plattform Regio Flora beschreibt die Methoden von Direktbegrünungen, gibt ausführliche Literaturhinweise und enthält auch eine Zusammenstellung von verschieden Samenanbietern und Fachpersonen. RegioFlora unterhält auch eine – derzeit allerdings je nach Region noch lückenhafte – Spenderflächendatenbank, die Nutzern helfen soll, eine geeignete Spenderfläche für eine Direktbegrünung zu finden.

Entscheidend für Direktbegrünungsverfahren ist eine gute Zusammenarbeit mit den Besitzern und vor allem den Bewirtschaftern der Spenderflächen. Denn dank ihnen ist die gesuchte Artenvielfalt in diesen Flächen noch vorhanden. Die Nutzung einer Wiese als Spenderfläche bedeutet für die Bewirtschafter oft eine besondere Wertschätzung. Ihnen diese Wertschätzung bei einer Nutzung entgegenzubringen genügt aber nicht. Für die Erlaubnis, eine Ernte durchführen zu können, ist eine Entschädigung, die über den anfallenden Mehraufwand hinausgeht, angemessen.

19 Anmerkung: Bei der Sodenversetzung, die ebenfalls zu den Direktbegrünungsverfahren gezählt wird, gilt dasselbe, wobei anstelle von Samen ganze Vegetationsstücke inkl. der obersten Bodenschicht übertragen werden.

20 Siehe ausführliche Literaturliste z.B. bei Regio Flora und HoloSem.

21 Umfangreiche Informationen zum aktuellen Angebot auf Floretia, wo neben autochthonem auch das Angebot von regionalem Vermehrungssaatgut aufgelistet ist.

Die verschiedenen Direktbegrünungsverfahren im Detail

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Die neben der Mahdgutübertragung weiteren Methoden im Vergleich. Quelle: "Direktbegrünung artenreicher Wiesen in der Landwirtschaft" (Hrsg.: Agridea, 2015)

Mahdgutübertragung

Die Spenderfläche wird zum Zeitpunkt der optimalen Samenreife der meisten Arten (Teigreife) in feuchtem Zustand gemäht 22 und das ganze Material auf die Ansaatfläche übertragen, meist etwa im Umfang 1:1. Die Praxis der Mahdgutübertragung wird im Merkblatt «Direktbegrünung artenreicher Wiesen in der Landwirtschaft» (Agridea 2015) detailliert beschrieben (s. auch FiBL-Infofilm). Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer Durchführung mit Geräten, die auf jedem Landwirtschaftsbetrieb existieren, und den relativ geringen Kosten, wenn der Landwirt die Arbeiten selber durchführen kann. Zudem werden so auch Kleintierarten und Moose auf die Ansaatfläche übertragen, und die Mahdgutauflage schafft einen ersten Erosionsschutz und verbessert die Keimungsbedingungen.

Nachteile sind eine oft schwierige Logistik, ein relativ grosser Zeitaufwand und vor allem, dass das Ausbringen des Mahdgutes sogleich nach der Ernte im Sommer durchgeführt werden muss. Zum einen ist Sommer als Ansaatzeitpunkt oft nicht optimal, zum anderen stehen viele Flächen, beispielsweise bei Bauprojekten, nicht genau dann zur Ansaat bereit, wenn das Erntegut anfällt und ausgebracht werden muss. Ein weiterer Nachteil ist, dass verschiedene Erntezeitpunkte und verschiedene Spenderflächen nur beschränkt und mit stark erhöhtem Aufwand kombiniert werden können.

22 Ideal ist eine Mahd mit Messerbalken oder mit Sense. Es können aber je nach Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Fläche auch Saugmulcher eingesetzt werden, die in einem Arbeitsgang das Mähgut mähen und einsaugen. Dabei wird aber ein Grossteil der Kleintierfauna getötet, der erwähnte Vorteil einer Übertragung von Tieren fällt damit weg.

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Mahdgutübertragung

Wiesendrusch

Das Saatgut wird auf der Spenderfläche mit einem Mähdrescher mit spezieller Einstellung geerntet. Die Methode funktioniert allerdings nur auf flachem Gelände, während die meisten nicht angesäten und damit für Direktbegrünungen in Frage kommenden Spenderflächen an Hängen liegen. Zudem werden einzelne Arten technisch kaum erfasst. Vorteile liegen in der relativ grossen Flächenleistung. Zudem kann das Saatgut verschiedener Wiesen und Erntezeitpunkte mit geringem Aufwand gemischt und das Saatgut bis 2 oder 3 Jahre (je nach Lagerung) nach der Ernte zu einem beliebigen Zeitpunkt ausgesät werden. In der Schweiz liegen erst wenige Erfahrungen mit dieser Methode vor, vor allem durch Untersuchungen der landwirtschaftlichen Fachhochschule HAFL in Zollikofen bei Bern. Als erste Firma bietet Regiosaat.ch seit 2019 autochthones Saatgut aus Wiesendrusch auf dem Markt an.

Eine Abwandlung des Wiesendruschs stellt der Heudrusch® dar, eine von Joe Engelhardt in Deutschland entwickelte und praktizierte Methode, bei der das feuchte Erntegut wie bei der Mahdgutübertragung geerntet wird, dann aber statt direkt übertragen mit einer speziellen Infrastruktur getrocknet und ausgedroschen wird.

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Sammeln von Saatgut mit dem Mähdrescher.

Seedbrushing

Bei dieser Methode werden die Samen mit speziellen Bürstenmaschinen aus dem stehenden Pflanzenbestand geerntet. Die Methode ist weniger schlagkräftig als der Wiesendrusch, es können aber mit den Geräten der neuesten Generation auch steile, vernässte oder topographisch schwierige Spenderflächen beerntet werden. Zudem erlaubt die Methode je nach verwendetem Gerät eine sehr individuelle Nutzung, indem einzelne Arten spezifisch beerntet oder auch ausgeschlossen werden. Bei zu dichten oder zu hohen Beständen sind der Methode aber Grenzen gesetzt, beispielsweise bei nährstoffreicheren Fromentalwiesen oder Hochstaudenfluren. Wie beim Wiesendrusch können verschiedene Spenderflächen und Erntezeitpunkte mit geringem Aufwand kombiniert und so die Artenzusammensetzung des Saatgutes optimiert werden 23. Ebenso ist der Ansaatzeitpunkt flexibel. Die Methode wird in der Schweiz derzeit nur von Ö+L angeboten. Die Firma hat dazu ein eigenes Gerät, den eBeetle, entwickelt.

23 Dies gilt selbstredend nur dann, wenn alle kombinierten Spenderflächen aus derselben Kleinregion und von demselben Wiesentyp vergleichbarer Standorte stammen.

Weitere Verfahren

Neben den drei erwähnten Hauptmethoden gibt es weitere, allerdings deutlich weniger schlagkräftige und damit nur kleinflächig anwendbare oder die obigen Verfahren ergänzende Methoden der Direktbegrünung. Dazu gehören:

Sammeln von Hand
Natürlich können die gewünschten Arten in den Spenderflächen auch von Hand geerntet werden. Dies erlaubt zwar eine sehr gezielte und individuelle Beerntung einzelner Arten zum optimalen Reifezeitpunkt der Samen (die je nach Art in der Regel bei der Teigreife einsetzt), ist aber sehr zeitaufwändig und nur für kleine Flächen realistisch. Handernte kann allerdings zur Ergänzung beispielsweise von Wiesendrusch oder von Mahdgutübertragungen eine wichtige Rolle spielen, indem Samen von Pflanzenarten damit effizient ergänzt werden können, die aus verschiedenen Gründen (Reifezeitpunkt, nur sehr vereinzeltes Vorkommen etc.) nicht übertragen bzw. maschinell nicht geerntet werden. Sammeln mit tragbaren Kleingeräten
Es existieren auf dem Markt Sauger und andere tragbare Techniken, mit denen das Saatgut aus dem stehenden Bestand der Spenderwiese geerntet werden kann. Diese Methoden sind aber nur wenig schlagkräftig und ebenfalls nur für kleine Flächen geeignet. Gegenüber einer Handernte bieten sie nur in speziellen Fällen wirklich Vorteile. In der Schweiz werden solche Geräte nur sehr punktuell angewendet.

Heublumen
Diese Methode war bis Mitte des letzten Jahrhunderts das übliche Verfahren bei der Verbesserung oder Neuanlage von Wiesen. Dabei wird der Samenausfall aus dem Heustock gesammelt und direkt ausgesät. Da bis in die 1950er Jahre fast nur artenreiche Wiesen existierten (Bosshard 2016 24), hat diese Methode damals ausgezeichnet funktioniert. Heute bestehen Heublumen vor allem aus Samen von artenarmen Fett- und Intensivwiesen und beinhalten oft viele unerwünschte Arten wie Blacken oder Disteln, so dass von dieser Methode in aller Regel dringend abgeraten werden muss.

Sodenversetzung
In denjenigen Fällen, wo ein artenreicher Wiesenbestand zerstört und nachher wiederhergestellt werden soll, eignet sich die Methode der Sodenversetzung bzw. Sodenschüttung besonders gut. Dabei wird die Ursprungsvegetation mit dem Bagger als grosse Rasenziegel gelagert und nach dem Bau wieder auf die zu begrünende Fläche aufgetragen. Am meisten Erfahrungen mit dem Verfahren bestehen im Kanton Graubünden, wo vor allem beim Strassenbau und bei Meliorationsprojekten die Sodenversetzung heute zur hauptsächlich angewandten Methode gehört.

Spontanbegrünung
Überall dort, wo noch artenreiche Flächen mit den Zielarten in der näheren Umgebung vorhanden oder in der Samenbank des Bodens zu erwarten sind, kommt auch eine Spontanbegrünung in Betracht. Bei dieser Methode wird nichts angesät, sondern einfach gewartet, bis sich die passenden Arten von selbst wieder etablieren. Die Methode kann vor allem im Berggebiet empfohlen werden, sofern nur kleine bzw. wenige Meter breite Flächen zu begrünen sind und sofern in der unmittelbaren Umgebung noch artenreiche Wiesen vorhanden sind (Distanz <20 m).

24 Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Bosshard A. 2016. Haupt-Verlag, Bern. 265 S. Inhaltsübersicht, Zusammenfassung und Leseprobe S. 1-34.

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Saatguternte mit dem eBeetle.

Hohe Anforderungen an die Planung

Bei den Methoden «Mahdgutübertragung» bis «Sammeln von Hand» ist eine sorgfältige Planung essentiell. Da die Ernte nur im lokalen Rahmen erfolgt, ist oft kein geeignetes Saatgut an Lager, sondern dieses wird, v.a. bei grösserem Bedarf, spezifisch «on demand» produziert. D.h. es muss bis spätestens im Mai klar sein, welcher Saatgutbedarf für welche Lokalitäten und Standortbedingungen besteht. Wenn also im Frühjahr, dem optimalen Aussaatzeitpunkt, angesät werden soll, muss die Ernte bereits im Sommer des Vorjahres erfolgt sein.

Weitere Informationen zu den Direktbegrünungsverfahren

Anwendung und Bezug von Blumenwiesen-Standardsaatgut

In Regionen, in denen zu wenig qualitativ hochwertige Spenderflächen existieren, oder wo aus anderen Gründen keine Direktbegrünungen möglich sind, ist artenreiches Wiesenblumensaatgut mit Ökotypen aus der betreffenden Biogeographischen Region (s. Abb. 1) eine gute Alternative.

In der Schweiz bieten folgende Firmen geprüftes Blumenwiesen-Standardsaatgut an: Ufa, Hauenstein, Sativa und Schweizer Samen. Das grösste Angebot haben Ufa und Hauenstein, Saatgut in Bio-Qualität bietet Sativa. Einige der angebotenen Mischungen wechseln fast jährlich, und es ist entsprechend zu empfehlen, jeweils aktuell die Web-Informationsseiten oder die reich bebilderten Prospekte der betreffenden Firmen zu konsultieren, um die für den jeweiligen Anwendungszweck am besten geeignete Blumenwiesenmischung zu bestimmen.

Beim Kauf ist unbedingt darauf zu achten, aus welcher biogeographischen Region das Saatgut stammt. Die Angabe, dass das Saatgut aus Schweizer Ökotypen besteht, genügt nicht, weil solches Saatgut oft ein Gemisch aus Herkünften verschiedener biogeographischer Regionen ist. Noch immer sind verbreitet Mischungen auf dem Markt, bei denen nur der Wiesenblumenanteil aus einheimischen Ökotypen besteht, während der Gräseranteil, der oft weit über 90% des Saatgutanteils ausmacht, nicht spezifiziert ist und dann in der Regel aus dem Ausland stammt und nicht selten auch Zuchtsorten enthält. Solches Saatgut ist deutlich kostengünstiger, aber aus den in der Einleitung erläuterten Gründen nicht zu empfehlen bzw. je nach Anwendungsbereich nicht rechtskonform.

Von den meisten artenreichen Mischungen besteht nur Saatgut mit Ökotypen aus der Biogeographischen Region Mittelland. Solches Saatgut sollte nicht im Jura, im Berggebiet oder in der Südschweiz ausgebracht werden. In diesen Regionen kommt für die meisten Anwendungszwecke mangels eines entsprechenden Standardsaatgutangebotes nur autochthones Saatgut in Frage.

Einige wenige Kantone (z.B. LU und AG) haben für den Landwirtschaftsbereich in Zusammenarbeit mit dem Handel kantonal angepasste Blumenwiesenmischungen entwickelt. Diese weichen teilweise in der Artenzusammensetzung leicht ab von den gängigen Mischungen, teilweise stammt das Basissaatgut einzelner Arten aus dem betreffenden Kanton. Der Bezug erfolgt teils über den Handel, teils über den Kanton bzw. von ihm beauftragte Stellen.

Qualitätssicherung

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Gemäss HoloSem-Standard frisch angesäte Böschung.

Die im Kapitel «Herkunft des Saatgutes» erwähnten Empfehlungen von Info Flora und RegioFlora, im Hinblick auf die Auswahl des Basissaatgutes bzw. der Spenderflächen und die räumliche Ausbreitung des Saatgutes, betreffen sowohl Standardsaatgut wie Direktbegrünungen.

Was das Standardsaatgut anbelangt einigten sich die Schweizer Saatgutfirmen in einem mehrjährigen Prozess in den 1990er Jahren zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für den Futterbau und der Forschungsanstalt Reckenholz auf eine Vereinbarung, welche die Empfehlungen von Info Flora (damals SKEW) berücksichtigt. Die Samenfirmen erklärten sich bereit, nur einheimische CH-Ökotypen für Blumenwiesenmischungen zu verwenden, den Forschungsanstalten die für die Ernte vorgesehenen Felder mit den geforderten Angaben (z.B. Herkunft des Ursprungssaatgutes, Parzellengrösse) zu melden, und die Vermehrungen stichprobenweise durch die Forschungsanstalten überprüfen zu lassen. Allerdings wird diese Vereinbarung nur für den Wiesenblumenzusatz des Saatgutes eingehalten, der Gräseranteil stammt v.a. bei Mischungen, die im Verkehrsbau verwendet werden, bis heute noch häufig aus ungeprüftem Saatgut aus dem Ausland.

Für Direktbegrünungen existiert neben den Empfehlungen von Info Flora/RegioFlora ein von der Branche selber entwickelter Qualitätsstandard HoloSem. Dieser existiert seit 2014 und definiert, welche standörtlichen und qualitativen Anforderungen bei der Ernte des Saatgutes zu berücksichtigen sind, definiert eine maximale Distanz der Verbreitung des autochthonen Saatguts von 15 km aus, wobei zusätzlich die biogeographische Region der Standort, die Höhenlage u.a. mitberücksichtigt werden müssen. Zudem bestehen Anforderungen zur Dokumentation, zur Spenderflächenauswahl u.a. Der Standard wird zunehmend für Ausschreibungen genutzt, um eine einheitliche Mindestqualität von Direktbegrünungen sicherzustellen.

Ebenso wichtig und zielführend wie ein Standard sind für eine fachgemässe Ausführung v.a. von Mahdgutübertragungen in der Landwirtschaft eine gute Begleitung und Beratung der jeweils beteiligten Akteure, beispielsweise der Bewirtschafter der Flächen, welche die Mahdgutübertragung auch selber durchführen können. Eine fachliche Beratung kann den Erfolg und die Qualität der so angesäten Flächen wesentlich verbessern. Das zeigt sich beispielsweise im Kanton Aargau, wo interessierten Landwirten eine solche Beratung kostenlos zur Verfügung steht und wo der Erfolg der Mahdgutübertragungen mit einem Monitoring überprüft wird. Eine wertvolle Hilfe für die korrekte Ausführung von Mahdgutübertragungen bietet auch die Internetseite regioflora.ch, wo umfangreiche Informationen leicht verständlich aufgearbeitet sind.

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Übersicht über die wichtigsten Begrünungsverfahren und ihre optimalen Ausführungszeitpunkte, bezogen auf Lagen bis ca. 1000 m ü.M. In der angegebenen Literatur hat es auf Seite 31 eine Tabelle, die auch auf höher gelegene Flächen eingeht. Quelle: Bosshard, A., Mayer, P., Mosimann, A., 2015. Leitfaden für naturgemässe Begrünungen in der Schweiz. Mit besonderer Berücksichtigung der Biodiversität. Ö+L Ökologie und Landschaft GmbH.

Praktische Durchführung von Ansaat und anschliessender Pflege artenreicher Wiesen

Artenreiches Saatgut ist zu kostbar, um es nicht optimal einzusetzen. Denn auch das beste Saatgut führt nur bei einer fachgerecht durchgeführten Ansaat und Pflege/Bewirtschaftung zum Erfolg.

Saatbettvorbereitung

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Dieses Saatbett wurde zur Vorbereitung geackert und anschliessend in Zeitabständen von etwa drei Wochen mehrmals geeggt.

Ein vegetationsfreies, gut abgesetztes, feinkrümeliges Saatbett ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ansaat. Der Boden kann durch Pflügen oder mehrmaliges Eggen vegetationsfrei gemacht werden, in speziellen Fällen auch durch Abdecken mit schwarzer Gärtnerfolie; Abspritzen mit Herbiziden ist nicht zu empfehlen. Einsaaten (Übersaaten) in bestehende Wiesen ohne Entfernen des alten Wiesenbestandes führen nur mit hohem Aufwand zum Erfolg (siehe «Übersaatmethode»!

„Gut abgesetzter Boden“ heisst: Die letzte tiefere Bodenbearbeitung (Pflügen, Eggen, Aufbringen einer Bodenschicht) liegt mindestens drei bis vier Wochen vor der Ansaat. Grund: Ist der Boden bei der Ansaat zu locker, fehlt der sogenannte Bodenschluss, und die jungen Keimlinge laufen Gefahr, nicht richtig wurzeln zu können; zudem ist die Wasserzufuhr aus dem Unterboden mangelhaft, was bei Trockenperioden zu grossen Ausfällen führen kann. Unmittelbar vor der Saat darf der Boden falls nötig („Unkrautkur“) nur noch sehr flach (ca. 3 cm tief) geeggt oder gefräst werden.

Saatzeitpunkt

Die Ansaaten sollten, wenn immer möglich, im April oder Mai erfolgen. Dies gilt nicht für Mahdgutübertragungen, die bei optimaler Reife der Spenderflächen durchgeführt werden müssen, also in der Regel im Juni oder Juli. Spätere Ansaaten können durch Trocken- und Hitzeperioden empfindlich beeinträchtigt werden (v.a. die Gräser). Bei Herbstansaaten sind die Verluste über den Winter ebenfalls meist beträchtlich (insbesondere der Kräuter/Wiesenblumen). Können Ansaaten, z.B. aus Gründen des Erosionsschutzes, nicht im April oder Mai erfolgen, bietet sich der Einsatz von Zwischen- und Deckfrüchten an. Eine Beratung von Fachpersonen ist dabei zu empfehlen.

Saat

Hydrosaat mit autochthonem Saatgut 96 dpi.JPG
Hydrosaat mit autochthonem Saatgut.

Die angegebene Saatmenge wird je nach Situation und Ausrüstung von Hand oder mit geeigneten Maschinen (Hydroseeder, Sämaschine, Düngerstreuer etc.) oberflächlich ausgebracht. Saatgut nicht in den Boden einarbeiten! Bei kleineren Flächen empfiehlt sich eine Handsaat, wobei je die Hälfte des Saatgutes kreuzweise (d.h. zuerst von links nach rechts, dann von hinten nach vorne) ausgebracht wird, um eine gleichmässige Saat sicherzustellen. Auf lockeren Böden (z.B. Landwirtschaftsflächen) muss unmittelbar nach der Saat gewalzt werden. Geeignet sind Gliederwalzen (z.B. Cambridgewalze). Kleine Flächen können auch „angeklopft“ oder „angestampft“ werden.

Nachsaatpflege im Ansaatjahr

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Mit der Mahdgutübertragung wurden aus der Trockenwiese Schnecken miteingebracht.

Fast alle Pflanzen artenreicher Wiesen keimen erst einige Wochen nach der Ansaat und entwickeln sich auch danach nur sehr langsam. Die „Unkräuter“ dagegen keimen meist sofort nach der letzten Bewegung des Bodens und legen dann sofort mit Wachstum los. Vor allem auf humosen Böden können einjährige Pflanzen aus der bodenbürtigen Samenbank schon nach kurzer Zeit völlig überhandnehmen.

Jetzt heisst es Ruhe bewahren, denn dies ist normal und beeinträchtigt die spätere Entwicklung der Wiese in keiner Weise. Wichtig ist jedoch, dass nicht zu lange mit dem sogenannten Pflegeschnitt zugewartet wird, damit die Keimlinge der angesäten Arten nicht unter einer dicken Pflanzendecke aufgrund von Lichtmangel absterben.

Faustregel: Sobald der Boden nach der Ansaat stellenweise so stark mit „Unkraut“ bedeckt ist, dass er nicht mehr sichtbar ist, sollte ein Pflegeschnitt durchgeführt werden:

  • Hoch mähen (5-10 cm).
  • Das Mähgut muss abgeführt werden.
  • Eventuell muss der Pflegeschnitt im Ansaatjahr ein zweites Mal durchgeführt werden, wenn sich die einjährigen Arten nochmals rasch entwickeln.
  • Auch wenn vorher kein Pflegeschnitt nötig war: Im Herbst vor dem Einwintern, idealerweise in der ersten Septemberhälfte, sollte ein Pflegeschnitt gemacht werden.

Wichtig ist, im Herbst nochmals einen Blick auf den Bestand zu werfen: Die Vegetation sollte nicht höher als fausthoch in den Winter gehen, damit die jungen Pflänzchen nicht mit einer vom Schnee zusammengedrückten „Vegetationsmatte“ zugedeckt werden. Meist ist deshalb vor dem Einwintern, idealerweise in der ersten Septemberhälfte, zumindest der erste, oder aber einfach der letzte von 2 Pflegeschnitten angesagt.

Entwickeln sich Blacken (Rumex obtusifolius) oder invasive Neophyten, empfiehlt es sich, diese bereits im Ansaatjahr zu zupfen oder auszustechen. Bei allem anderen „Unkraut“ hilft Jäten nichts, im Gegenteil, der Schaden wäre grösser als der Nutzen, der Pflegeschnitt reicht vollauf.

Oft wird vergessen: Im Ansaatjahr ist von den angesäten Arten noch so gut wie nichts zu sehen, und es ist nur schwer zu beurteilen, ob eine Ansaat gelungen ist oder nicht. Im Jahr der Ansaat sollten also keine vorschnellen Urteile über das Gelingen gefällt werden.

Bewirtschaftung/Pflege in den Nachfolgejahren

Erst im Jahr nach der Ansaat lässt sich erkennen, ob sich die Saat gut entwickelt, und das Gesicht der zukünftigen Wiese beginnt sich nach und nach zu zeigen. Es dauert aber je nach Standort und angesäten Arten meist nochmals ein Jahr oder mehr, bis sich alle Pflanzen richtig etabliert haben und sich ein stabiler Pflanzenbestand entwickelt hat. Wie bei einem guten Wein ist bei der Neuansaat artenreicher Wiesen also Geduld angesagt! Gut Ding will Weile haben.

Doch bereits jetzt, im Jahr nach der Ansaat, kann zur regulären Pflege/Nutzung mit jährlich ein bis zwei Mähschnitten übergegangen werden. Die Mahd muss unbedingt dem angestrebten Pflanzenbestand und damit den angesäten Arten angepasst sein. Generelle Empfehlungen sind hier schwierig. Folgendes lässt sich aber allgemein festhalten (siehe auch Kapitel «Erhalt und Aufwertung durch optimale Mahdnutzung»):

  • Mehr als zwei Mähschnitte sind bei ungedüngten Wiesen in keinem Fall nötig, sondern schaden der Artenvielfalt und verursachen darüber hinaus unnötig Aufwand, Kosten und Ressourcenverbrauch.
  • Die Mahd sollte in der Regel rund 1-2 Wochen nach der Hauptblüte der Wiese durchgeführt werden, damit ein Absamen möglich ist. In vielen Fällen liegt der optimale erste Schnittzeitpunkt in den tieferen Lagen in der zweiten Juni- oder in der ersten Julihälfte.
  • Wo keine Vorgaben für den ersten Schnittzeitpunkt bestehen (z.B. bei Ökoflächen in der Landwirtschaft), ist eine jährliche Variation des Schnittregimes für die Artenvielfalt förderlich (mal eher früh, mal eher spät mähen etc.).
  • Bei der Mahd immer kleine Reste stehen lassen, damit sich dort Tiere in die verbleibenden Strukturen zurückziehen und sich spät blühende Arten noch bis zur Samenreife entwickeln können. Am besten ist es, bei jedem Schnitt 10% der Fläche in Form von Rückzugsstreifen ungemäht zu lassen, jedes Mal wieder an einem anderen Ort. Empfehlenswert ist auch eine gestaffelte Mahd (kleinflächig unterschiedliche Schnittzeitpunkte mit mindestens 3 Wochen Intervall), wo dies vom Aufwand her möglich ist.
  • Wenn möglich nach der Mahd Bodenheu bereiten, d.h. das Gras am Ort an 2-3 niederschlagsfreien Tage trocknen, damit die Pflanzensamen ausreifen und ausfallen können.
  • Das Mähgut ist auf jeden Fall abzuführen. Mulchen vermindert in der Regel die Pflanzenartenvielfalt rasch.
  • Entwickeln sich Stumpfblättriger Ampfer („Blacken“) oder invasive Neophyten wie amerikanische Goldruten oder Einjähriges Berufskraut, müssen diese regelmässig und möglichst von Beginn an gejätet werden. Je früher und konsequenter man damit beginnt, desto mehr Arbeit lässt sich längerfristig sparen.

Wer diese Empfehlungen befolgt, kann schon nach 1-2 Jahren mit einer farbenprächtigen Blumenwiese rechnen.

Wenn die Biodiversität nach erfolgreicher Ansaat noch wirksamer gefördert werden soll, ist zu empfehlen, die Blumenwiese mit Strukturen wie Asthaufen, einer Trockenmauer, Kiesflächen, einem kleinen Teich, einer Hecke oder Einzelbäumen weiter aufzuwerten (siehe auch Allgemeine Massnahmen).

Weitere Informationen:

Information und Motivation für eine anspruchsvolle Verbundaufgabe

Bei Wiesenaufwertungen und artenreichen Grünlandansaaten die richtige Methode zur richtigen Zeit am richtigen Standort zu wählen, um so die Biodiversität optimal fördern zu können, ist anspruchsvoll und nicht selten auch mit Zusatzaufwand und Hindernissen verbunden. Das lassen die bisherigen Ausführungen nicht übersehen.

Entsprechend wichtig ist es, die vielen Akteure auf den verschiedenen Stufen der Entscheidungsprozesse immer wieder auf die Wichtigkeit und die Chancen von Wiesenaufwertungen aufmerksam zu machen und sie über die verschiedenen Möglichkeiten und die Vor- und Nachteile der verfügbaren Methoden zu informieren und weiterzubilden.

Die Informations- und Motivationsaufgabe ist umso grösser, als sehr unterschiedliche Akteure letztlich daran beteiligt sind, wo welche Aufwertungen wie realisiert werden (oder auch nicht realisiert werden). Landschaftsarchitekten, Gartenarchitekten, Umweltbaubegleiter, Umweltverantwortliche, bodenkundliche Begleitplaner, Begrüner, Bauherren, Ökobüros, verschiedenste Amtsstellen von der Gemeinde bis zum Bund, Schulen, Weiterbildungsinstitutionen etc. etc. – und nicht zuletzt Landwirtinnen und Landwirte: Sie alle entscheiden regelmässig mit, was draussen in der Landschaft vor unserer Haustüre passiert. Es ist zu wünschen, dass das vorliegende Informationsangebot (vom Verein biodivers) dazu beiträgt, dass diese Herausforderung in Zukunft noch besser zu meistern, damit die unzähligen Chancen von Naturaufwertungen noch gezielter genutzt werden können als bisher.

Weiterführende Literatur

Zu Aufwand und Kosten der beschriebenen Massnahmen enthalten folgende Unterlagen Informationen und Hilfeleistungen:

  • Saatgutkataloge und Webseiten der genannten Anbieter von Standard- und autochthonem Saatgut
  • Normpositionenkataloge (nur käuflich erwerblich)

Zu Aufwand und Kosten der beschriebenen Massnahmen enthalten folgende Unterlagen Informationen und Hilfeleistungen:

  • Saatgutkataloge und Webseiten der genannten Anbieter von Standard- und autochthonem Saatgut
  • Normpositionenkataloge (nur käuflich erwerblich)
WiesenhausMatzingen auchHaeuser eignen sich fuer artenreiche Wiesen 96 dpi.jpg
Auch Häuser eignen sich für artenreiche Wiesen.

Weitere Kapitel zum Grünland

Autoren

Text Andreas Bosshard Ö+L GmbH
Unter Mitwirkung von Regula Benz
Jean-Yves Humbert Universität Bern, Conservation Biology
Andrea Lips Pro Natura
Winu Schüpbach quadra gmbh