Abbaugebiete

Aus Biodivers
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Abbaugebiete sind in vielerlei Hinsicht spezielle Lebensräume und beherbergen deshalb viele seltene Pflanzen und Tiere.
Text Verein biodivers
Review Samuel Bachmann, SLK, Beat Haller & Doris Hösli, FSKB
Publikation August 2022



Das Wesentliche kompakt

Lebensraum Abbaugebiete kompakt – ausgewähltes Wissen in Kurzform
Die 5 wichtigsten Aussagen zu den Abbaugebieten
  • Kies- und Sandgruben sind die häufigsten Abbaugebiete der Schweiz und beherbergen mit ihrem nährstoffarmen Untergrund und ihrer Topografie (steile, geneigte, flache Bereiche) eine hohe Lebensraum- und Arten Diversität. Diese Areale sind wichtige Vernetzungsstrukturen in der Landschaft.
  • Wichtig ist die Unterscheidung zwischen betriebenen und stillgelegten Abbaugebieten bzw. zwischen Nutzung und Folgenutzung. Die Folgenutzung wird immer schon zu Beginn einer Abbauplanung festgelegt.
  • Die in der Bewilligung festgehaltenen ökologischen Auflagen sowie deren Umsetzung sind massgeblich für die Bedeutung der Grube für Lebensräume und -arten. Der Grubenbetrieb soll in allen Phasen durch kompetente Fachpersonen begleitet werden.
  • Durch eine vorausschauende Planung und einen sachgerechten Umgang mit den künstlich geschaffenen Lebensräumen tragen die Abbaugebiete wesentlich zum Erhalt der Biodiversität bei.
  • Solange in der Schweiz die Revitalisierung von Fliessgewässern, mit sehr ähnlichen Lebensräumen wie in Abbaugebieten, so schleppend vorankommt, sollen aus Naturschutzsicht viel mehr Abbaugebiete nach Beendigung des Abbaus für die Natur offengelassen werden.
Planung, Anlage und Unterhalt von Massnahmen in Abbaugebieten – aus Sicht des Vereins biodivers besonders wichtig zu wissen ist:
Grundlagen
  • Abbaugebiete sind Areale mit ausgesprochen dynamischen Lebensräumen mit ständiger Veränderung. Sie weisen eine ähnliche Charakteristik auf wie die früher weit verbreiteten natürlichen Flusslandschaften.
  • In Abbaugebieten findet man auf engem Raum eine hohe Lebensraum Diversität, was zu einer hohen Artenvielfalt führt. Dies macht Abbaustandorte zu interessanten Naturobjekten.
  • Effizienz und Rationalisierung führen zu einem grösseren Tempo von Abbau und Auffüllung und somit zu einem erhöhten Druck auf die Lebensräume. Der Platz für naturnahe Flächen wird knapper.
  • Die Wiederauffüllungspflicht führt dazu, dass Abbaugruben i. d. R. wieder mit Aushub verfüllt und für landwirtschaftliche Zwecke rekultiviert werden. Wertvolle Standorte und Lebensgemeinschaften gehen dabei verloren.
Planung von Massnahmen in Abbaugebieten
  • Betreiber von Abbaugebieten sind gesetzlich dazu verpflichtet für ökologischen Ausgleich, Ersatz- oder Wiederherstellungsmassnahmen zu sorgen. Diese Pflicht wird kantonal unterschiedlich gehandhabt, wobei einige Kantone (darunter Bern und Aargau) mit den Abbaubetreibern Branchenvereinbarungen abgeschlossen haben.
  • Für die Planung, den Betrieb und die Folgenutzung sind die kantonalen Rechtsgrundlagen zu beachten. Ab 300’000 m3 sind Abbauprojekte UVP-pflichtig.
  • In der Abbaubewilligung wird definiert, welche Ausgleichs-, Ersatz- und Wiederherstellungsmassnahmen geleistet werden müssen.
Realisierung von Massnahmen in Abbaugebieten
  • Der Abbau soll in enger Zusammenarbeit und unter kompetenter, ökologischer Beratung von Fachpersonen erfolgen, die die Massnahmen koordinieren, begleiten und evaluieren.
  • Die Realisierung von Massnahmen soll sich nach Ziellebensräumen und -arten richten.
  • Massnahmen sind beispielsweise das Anlegen von Kleinstrukturen für Reptilien, von künstlichen Gewässern und kleinen Tümpeln für Amphibien, von Bruthabitaten für Vögel und Insekten, von Gebieten für die Sukzession und Dynamik für bedrohte Pflanzenarten oder das Ausscheiden ungestörter Zonen.
  • Dank der in betriebenen Gruben zahlreich vorhandenen Maschinen lassen sich in kurzer Zeit Massnahmen realisieren.
Unterhalt von Massnahmen in Abbaugebieten
  • Der Unterhalt soll sich nach den Zielen richten. Wegen der hohen Lebensraumvielfalt muss er differenziert erfolgen.
  • Der Unterhalt soll unter Vorgabe und Anleitung von geschultem Fachpersonal erfolgen.
  • Gebietsfremde Arten (Neobiota) sollen eingedämmt werden.

Einleitung

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Links ein sich in Betrieb befindender Steinbruch, rechts eine stillgelegte Kiesgrube mit vielfältigen, ökologisch sehr wertvollen Lebensräumen.

Im Zuge der Regulierung und Verbauung vieler Fliessgewässer sind offene Rohböden, Kiesbänke, Schotter- und Geröllflächen stark zurückgegangen und selten geworden. In Abbaugebieten werden ähnliche oder vergleichbare Habitate geschaffen, indem das jährliche Flusshochwasser mit Maschinen simuliert wird. Sie bieten auf kleinem Raum eine grosse Vielfalt an Lebensräumen, sowohl als Refugien für seltene Arten als auch als Vernetzungselemente und haben deshalb für die Biodiversität einen hohen Stellenwert. Im Weiteren sind sie störungsarme Rückzugsgebiete für bedrohte Tier- und Pflanzenarten in der meist strukturell verarmten Siedlungs- und Agrarlandschaft. Bei der Betrachtung und Befassung von Abbaugebieten ist die Unterscheidung zwischen betriebenen und stillgelegten Gruben wichtig. Die gute Zusammenarbeit mit den Grubenbetreibern ist Voraussetzung für erfolgreiche Naturförderung. Die Aktivität in Gruben ist heute deutlich grösser als noch vor wenigen Jahrzehnten. Mit der Auffüllung wird oft schon während des Abbaus angefangen und in den Gruben befinden sich häufig grössere Flächen, auf denen die Produkte oder Recyclingmaterial zwischengelagert werden. Dadurch steigt der Druck für genügend Platz an ökologisch wertvollen Flächen. In diesem Artikel werden die biologische Bedeutung, Aspekte zu Förderung und Unterhalt sowie planerische und rechtliche Aspekte abgehandelt.


Man unterscheidet folgende Abbau-Typen:

  • Kies: Kiesgruben sind die häufigsten Abbaustellen der Schweiz. Der abgebaute Rohstoff ist sehr heterogen und muss erst in verschiedene Komponenten sortiert werden. In der Kiesgrube selber bietet diese Heterogenität eine grosse Lebensraum Diversität. Kies- und Sandflächen sind mager und bieten wärmeliebenden Insekten und speziellen bodenbrütenden Vögeln ein Habitat. Steilwände sind wertvolle Brutobjekte für Uferschwalbe und Bienenfresser.
  • Lehm/Ton: Lehm- und Tongruben zeichnen sich durch einen wasserundurchlässigen Untergrund aus. Sie sind besonders für Gewässer-Lebensräume geeignet, welche von Amphibien, Libellen und Wasserinsekten genutzt werden.
  • Steinbruch: In Steinbrüchen wird Fels abgebaut. Die Geologie am Standort bestimmt das Ausgangsmaterial. In Steinbrüchen sind die Lebensräume den Kiesgruben grundsätzlich ähnlich. Sie sind z. B. für felsenbrütende Vogelarten, Amphibien und Reptilien wertvoll.
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In Abbaugebieten kommen sehr ähnliche Lebensräume vor wie an Fliessgewässern.

In der Schweiz gibt es ca. 600 Kiesgruben, die meisten davon im Mittelland. Im Kanton Bern gab es im Jahr 2016 ca. 100 Grubenstandorte mit einer Gesamtfläche von 7.7 km2 offener Grubenfläche. Davon gelten ca. ein Drittel (2.5 km2) also ökologisch wertvolle Flächen mit folgender Verteilung an Lebensräumen: Ruderalflächen (32.9%), Magerwiesen (18.7%), Hochstaudenflure (18.3%), Pionierwald (16.7%), ausdauernde Gewässer (6.6%), Wald (4.5%), Hecken (1.8%) und temporäre Gewässer (0.5%).1

1 Kontrollbericht der Periode 2012-2016, S. 8/9

Praxisrelevante Ökologie

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Die grosse Dynamik in Gruben lässt unterschiedliche Lebensräume entstehen.

Der prägende Einfluss von sich in Abbau befindenden Gruben ist die starke Dynamik mit unterschiedlichen und sich ändernden Störungsfrequenzen (Häufigkeit der Störung) und Störungsintensitäten (Dauer und Ausprägung der Störung). Pionierarten aus Lebensräumen mit natürlicher Dynamik (z. B. frei fliessende Flussauen) sind an solche Bedingungen angepasst. Abbaustellen weisen ein besonderes Mikroklima auf: Durch ihre Lage als Vertiefung in der Landschaft sind sie oft windgeschützt und die Temperaturen sind überdurchschnittlich hoch. An den Rändern bzw. Hängen der Abbaugruben bilden sich oft kleine Rinnsale, welche Feuchtzonen bilden und kleine Stillgewässer speisen. Durch die maschinelle Tätigkeit wird der Untergrund verdichtet und Wasser bleibt in Spurrinnen länger stehen. Von solchen Kleinsthabitaten profitieren unter anderem Amphibien, wie z. B. die Gelbbauchunke (Bombina variegata) oder die Kreuzkröte (Epidalea calamita). In den Abbaustellen sind neben den Gewässern vor allem die Kies-, Sand-, Schotter- und Geröllflächen attraktive Lebensräume. Hier entstehen trockene und wenig bewachsene Oberflächen, die vielen Tierarten Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten bieten, wie z. B. den Wildbienen. Von den offenen und gut besonnten Schuttflächen profitieren aber auch diverse Reptilienarten, wie z. B. die Zauneidechse (Lacerta agilis) oder die Ringelnatter (Natrix natrix). Steil abfallende Grubenwände aus Kies und Sand können von Spezialisten wie der Uferschwalbe (Riparia riparia) oder dem Bienenfresser (Merops apiaster) bewohnt werden, die ihre Brutröhren in die Wände graben. Abbaustellen sind dadurch besondere Rückzugsorte für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Biotische Faktoren

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Abbaugebiete sind heterogen und weisen auf kleiner Fläche ein Lebensraummosaik auf, was sie ökologisch sehr wertvoll macht.

Ökologischer Wert und Biodiversität

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In Gruben können mehrere Hundert Pflanzen vorkommen mit einem hohen Anteil seltener und geschützter Arten.

Schon früh sind Steinbrüche und Kiesgruben als naturschützerisch wertvolle Lebensräume anerkannt worden, weil aufgrund der hohen standörtlichen und strukturellen Diversität eine hohe Artenzahl vorhanden ist. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die auf die Artenvielfalt von Farn- und Samenpflanzen in Abbaustätten eine signifikante Rolle spielen:

  • Die Geologie und das Ausgangsgestein
  • Der Betriebsstatus und das Alter der Abbaustelle
  • Die Flächengrösse
  • Das Umfeld der Abbaustelle

Die nachfolgenden Absätze sind aus Konold2 (1999): Bei Untersuchungen in Abbaustellen in Deutschland (Bayern) wurde nachgewiesen, dass solche mit Ausgangsgesteinen mit hohem Basengehalt artenreicher sind, also solche mit basenarmem Ausgangsgestein. Neben der Basenverfügbarkeit spielt auch der Abbautyp eine wesentliche Rolle für die Artenvielfalt. Abbaustätten mit Festgesteinen scheinen grundsätzlich artenreicher zu sein, als solche mit Lockergesteinen.
Wichtig für die Artenvielfalt ist der Betriebsstatus einer Anlage (siehe Kapitel «Erhalt, Förderung und Unterhalt»). Untersuchungen aus Steinbrüchen zeigen dabei, dass die Artenvielfalt in betriebenen Anlagen in der Regel deutlich höher liegt als in stillgelegten Steinbrüchen. Der Grund könnte sein, dass vor allem bei grösseren Steinbrüchen nie auf der ganzen Fläche gleichzeitig abgebaut wird und dadurch wiederum vielfältigere Strukturen und Sukzessionsphasen entstehen.
Auch die Flächengrösse spielt für die Artenanzahl eine Rolle und gilt grundsätzlich auch für Abbaugebiete. In Steinbrüchen konnten denn auch signifikante Arten-Areal-Beziehungen ermittelt werden. Die mittleren Artenzahlen stiegen dabei von knapp 150 Gefässpflanzen bei Steinbrüchen unter 3 ha auf 260 Arten in Steinbrüchen über 12 ha an. Ebenfalls eine grosse Rolle für die Besiedelung mit Pflanzen spielt das Umfeld der Abbauflächen. Ein artenreiches Umfeld führt entsprechend meistens auch zu artenreichen Abbaustätten. Die Einwanderung passiert im Wesentlichen über drei Wege: die spontane Einwanderung von Arten aus dem direkten Umfeld, die «Verschleppung» von Samen durch Transportfahrzeuge und der Eintrag von Samen durch Wind und Tiere.
Die Ergebnisse eines Biomonitorings einer 30ha grossen Kiesgrube in der deutschen Oberrheinebene (Hardtwald Durmersheim) zeigen folgende Zahlen: Es wurden 230 Gefässpflanzen-, 78 Moos- und 106 Flechtenarten festgestellt, von denen jeweils 22 (10 %), 22 (28 %) bzw. 38 (36 %) Arten landes- und/oder bundesweit in ihren Beständen bedroht sind. Aus den acht untersuchten Tiergruppen Vögel, Amphibien, Wildbienen, Wespen, Laufkäfer, Tagfalter, Heuschrecken und Libellen wurden 527 Arten nachgewiesen, von denen 216 (41 %) auf den Roten Listen und Vorwarnlisten geführt werden. Davon sind wiederum 69 (13 %) Arten stark gefährdet, extrem selten oder „vom Aussterben bedroht.3

2 Werner Konold, 1999. Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege: Kompendium zu Schutz und Entwicklung von Lebensräumen und Landschaften. Wiley-VCH, Weinheim.
3 Schiel, F.-J., Rademacher, M., 2008. Artenvielfalt und Sukzession in einer Kiesgrube südlich Karlsruhe. Naturschutz und Landschaftsplanung 40 (3), S. 87-94.

Lebensräume in Abbaugebieten

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Profil durch eine aufgelassene Kiesgrube: 1 Steilwand mit Moräne. Schotter und Sandlinsen mit Höhlen der Uferschwalben - 2 Baggerteich mit tiefen Stellen, lehmig-steiniger Grund, mit Armleuchteralge überwachsen. Laichplatz für Molche, Laubfrosch, Wasserfrosch und Erdkröte. Biotop für wirbellose Wassertiere. - 3 Flache Uferzone mit Verlandungspionieren: Laichkraut, Froschlöffel, Schilf, Rohrkolben. Biotop für Wasserinsekten und Amphibienlarven. - 4 Wechselfeuchte Uferzone mit oberflächennahem Grundwasserspiegel: Biotop für Schachtelhalme, Binsen und Seggen. - 5 Trockener Kiesboden mit Ödlandpionieren: auf dem Bild Distel- und Wegericharten: Biotop für trockenheitsliebende Insekten und Spinnen. - 6 Vegetationsloser Steinhaufen: Verstecke für Zauneidechsen und wirbellose Kleintiere. - 7 Trockener Sandhaufen mit jungen Föhren: Brutstätte zahlreicher grabender Insekten. - 8 Seichte Pfützen: Laichplätze von Kreuzkröte und Unke. - 9 Sonnenexponierte Gesteinsblöcke (Findlinge): Brutplätze für Mörtelbienen und Einsiedlerwespen. - 10 Südexponierter Steilhang mit regengeschützten Zonen unter Wurzelstrünken: Findlinge und Fluren von Weidenröschen: Biotop für Ameisenlöwen, Hautflügler und andere Insekten. - 11 Trockener Föhrenwald: gut belichtete Kraut- und Bodenschicht mit seltenen Orchideen und anderen botanischen Raritäten. (nach Krebs et al. 1976)

Kiesflächen
Die «Lebensdauer» und das Angebot an offenen Kiesflächen, die während des Abbaus meist grossflächig entstehen, hängt davon ab, wie schnell ab- und wieder aufgefüllt wird und ob die Flächen anderweitig genutzt werden, denn die Betreiber nutzen das Gelände oft für die Zwischenlagerung verschiedener Komponenten und Boden.

Ökologische Bedeutung von Kiesflächen

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Kiesflächen in Gruben sind Ersatzbiotope, die z. B. vom Flussregenpfeifer besiedelt werden.

Rohe, offene Kiesböden sind für Pionierarten wichtig, die sonst Kies- und Schotterflächen an freifliessenden Flüssen besiedeln. Im Mittelland sind unsere Flüsse jedoch oft so stark verbaut und gebändigt und flussbegleitende Kiesbänke selten (mit der Revitalisierung der Fliessgewässer ändert sich das nun allmählich wieder). Spezialisten dieser Lebensräume sind z. B. die Ödland- (Oedipoda caerulescens) oder die Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) und der Flussregenpfeifer (Charadrius dubius). Diese weichen heute weitgehend in Kiesgruben aus, wo der Bagger die Dynamik des Flusses imitiert und Kiesbänke schafft. Die meisten der Pionierarten bei den Tieren bevorzugen gerne flache und komplett vegetationslose oder nur sehr spärlich bewachsene Kiesflächen. Hier herrschen Extrembedingungen mit grossen Temperaturunterschieden und rasch austrocknendem Boden. Kiesflächen verändern sich schnell: Mit den aus zufliegenden Samen keimenden Pionierpflanzen wird eine Sukzession eingeleitet, mit der auch eine Veränderung der Fauna einhergeht. Vor allem für auf vegetationsarme Verhältnisse angewiesene Vögel sind die Bedingungen bald nicht mehr geeignet, während die Insekten toleranter sind und auf leicht geneigte, offene und kiesige Böschungen ausweichen können. Steilere Böschungen mit einheitlicher Neigung werden allerdings gemieden. Bei gut strukturierten Terrassen oder selbst verwitternde Steilhänge ist die Situation wieder eine andere. Dort hat es Platz und Lebensraum für Spezialisten in steileren Anrissen und in ebenen Bereichen. Auf offenen Kiesflächen mit jährlich wiederkehrenden Vogelbruten sollten ab März immer mindestens zwei grössere Flächen mit je 20 bis 30 m Seitenlänge zur Verfügung stehen.

Sandflächen

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Sand ist für viele Arten ein wertvolles Substrat, in das sie ihre Nisthöhlen graben können. Abgebildet ist die Weiden-Sandbiene (Andrena vaga)

Sand entsteht während des Aufbereitungsprozesses. Er ist eine wichtige Komponente in der Betonherstellung. Er wird ausgesiebt und auf Depots zwischengelagert. Die Umschlagzeit dieser Sandhügel ist nur kurz und die Oberfläche rutscht dabei ständig nach. Grössere, über längere Zeit ungestörte Sandflächen sind in Kiesgruben eher selten. Wenn Transportbänder Wandkies zur Aufbereitungsanlage führen, kann es sein, dass herunterrieselnder Sand durch Verwehungen unter vorspringenden Steinen, Wurzelstöcken, entlang von Mauern oder Dachvorsprüngen wertvolle Strukturen bilden kann.

Ökologische Bedeutung von Sandflächen
Sandböden bieten ähnlichen Pflanzenarten Lebensraum wie Kiesböden. Bei den Tieren dominieren, wie in den vertikalen Sandlinsen von Steilwänden, grabende Arten. Im Sand legen vor allem Wildbienen und Ameisen unterirdische Wohnsysteme an. Daneben gibt es Insekten, welchen Kleinstflächen genügen, so z. B. der Sandwespe (Ammophila sp.) oder dem Ameisenlöwen (Myrmeleon formicarius). Von besonderem Wert für Insekten sind sonnige, flache bis leicht geneigte und trockene Sandbereiche. Von März bis Oktober sollten sie weder abgetragen noch befahren werden und so vegetationslos wie möglich sein. Auch Kreuzkröten (Epidalea calamita) und Geburtshelferkröten (Alytes obstetricans) graben sich gerne im Sand ein und Zauneidechsen (Lacerta agilis) nutzen Sand zur Eiablage.

Steilwände

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Schemazeichnung einer Steilwand aus «Natur im Kiesabbau».

Durch fortschreitenden Kiesabbau entstehen laufend neue Steilwände. Ohne Abbau verwittern sie je nach Bodenbeschaffenheit (Sand, Kies, Lehm, Ton, etc.). unterschiedlich rasch. Am Fuss solcher Steilwände bilden sich mit der Zeit Schutthalden, welche sich durch natürliche Sukzession selbst bewachsen. Als erstes kommen niedere Stauden sowie ein- und zweijährige Pflanzen auf, später kommen mehr und mehr Gehölze dazu, zuletzt auch grössere Bäume.

Ökologische Bedeutung von Steilwänden

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Steilwände sind für spezialisierte Arten wie Uferschwalben wertvolle Strukturen. Sie sind idealerweise mindestens 3 m hoch, leicht überhängend und enthalten leicht grabbare Schichten wie Sand.

Senkrechte Steilwände und -anrisse werden von spezialisierten Arten besiedelt. Beispiele sind etwa geschickt kletternde Spinnen und Eidechsen. Auch die Uferschwalbe (Riparia riparia) oder der Eisvogel (Alcedo atthis) graben hier ihre Brutröhren. Sehr bedeutend sind sonnige, möglichst breite und mindestens 3m hohe Wände mit Linsen von gut grabbarem Material. Die Neigung sollte senkrecht bis leicht überhängend und mit einem ausreichend breiten Schuttstreifen am Wandfuss ausgestattet sein. Wenn die Steilwände südexponiert sind, sind sie ideale Nistplätze für wärmebedürftige Insekten. Diese siedeln gerne an sonnigen und windgeschützten Stellen etwa zwei Meter unter der Oberkante, wo der Boden am trockensten ist. Kleine Löcher verraten ihre Brutröhren. Wenn die Steilwand von seltenen Arten wie der Uferschwalbe besiedelt wird muss darauf geachtet werden, dass Jäger wie der Fuchs keinen Zugang haben. Dazu muss unter Umständen der Schuttkegel ab und zu beseitigt werden.

Tümpel (Stillgewässer)

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Als Unkentümpel angelegtes Kleingewässer.

Tümpel sind wichtige und sehr wertvolle Lebensräume in Abbaugebieten. Ein namhafter Anteil der Populationen von Kreuzkröte (Epidalea calamita), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) und Gelbbauchunke (Bombina variegata) sind auf Gruben angewiesen. Im Artikel zu den Stillgewässern hat es umfassende Angaben zu Ökologie, Förderung und Unterhalt dieser Biotope.

Absetzbecken und Schlammweiher

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Die Absetzbecken, in denen sich das Wasser aus der Kieswaschung sammelt, sind wertvolle permanente Gewässer. Heutzutage werden für die Waschung in der Regel Schlammpressen eingesetzt, weshalb Absetzbecken dann (leider) fehlen.

Ökologische Bedeutung von Absetzbecken und Schlammweihern 4
Im Wasser des Schlammweihers hat es viele Schwebeteilchen. Dies führt zu einer starken Trübung des Wassers und folglich wegen Lichtmangels auch zu keinem Wachstum von Algen oder höheren Pflanzen. Einzig Schilf (Phragmites australis) ist in der Lage diesen Lebensraum zu besiedeln. Dieser wird gerne vom Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus) angenommen. Im seichten Übergangsbereich leben im Untergrund Wasserschnecken, Insektenlarven, Würmer und kleine Krebse. Limikolen (Watvögel) mit ihren meist langen Schnäbeln schätzen das Nahrungsangebot solcher Flächen vor allem während ihres halbjährlichen Durchzugs im Frühling und im Herbst. Die Absetzbecken mit klarerem Wasser sind artenreiche Stillgewässer mit Verlandungsgürteln, Schwimmpflanzen und dichter Unterwasser-Vegetation möglich. Bei der Anlage und Gestaltung der Weiher und Teiche darauf achten, dass diese lange und geschwungene Uferlinien haben, dass flache Übergangszonen vom Wasser zum Land angelegt werden und verschiedenen Wassertiefen angeboten werden.

Schlammweiher sind bewilligungspflichtig. Der Kieswaschschlamm wird heutzutage hauptsächlich mittels Schlammpressen bearbeitet und das Wasser direkt in den Aufbereitungsprozess rückgeführt. Dadurch fehlen die ökologisch interessanten Schlamm- und Ausgleichsbecken meist in den Gruben.

4 aus «Natur im Kiesabbau»

Trockenwiesen und -weiden
Trocken- und Magerwiesen mit ihrer charakteristischen und ökologisch wertvollen Vegetation sich entwickeln auf gewachsenem, kiesigem Material oder nährstoffarmen, durchlässigen Schüttungen. Sie benötigen regelmässigen Unterhalt (Mahd oder Beweidung).

Ausführliche Informationen zum Thema Trockenwiesen und -weiden erhalten Sie im Artikel zum Grünland.

Hecken und Gehölze
Hecken und Gehölze sind wichtige und vernetzende Strukturen einer vielfältigen Abbaugrube. Sie kommen auf älteren, nicht bearbeiteten Flächen von selbst auf. An gewissen Stellen ist diese Art der Sukzession in Kiesgruben durchaus erwünscht, es soll jedoch darauf geachtet werden, dass bestockte Flächen nicht überhandnehmen, sondern ein Lebensraummosaik entsteht, in dem die offenen Lebensräume dominieren. Es soll verhindert werden, dass Gehölze zu Wald werden, weil dadurch die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Oft werden Hecken als Sichtschutz entlang des Abbauperimeters angepflanzt. In diesem Artikel gehen wir auf Hecken nicht näher ein. Ausführliche Informationen dazu erhalten Sie im entsprechenden Artikel zu den Hecken.

Kleinstrukturen

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In Kiesgruben bieten sich insbesondere Kleinstrukturen aus Abbaumaterial wie Kies und Geröll an.

Abbaugebiete bieten viele Möglichkeiten, Kleinstrukturen anzulegen.

Wälle
Wälle dienen als Sicht- oder Lärmschutzelement. Sie grenzen die Abbaugrube gegen umgebendes Kulturland, gegen Strassen, Wege oder Siedlungen ab oder unterteilen das Areal selbst. Sie bestehen meistens aus mehr oder weniger nährstoffreichem Abdeck- oder Aushubmaterial und werden meistens zu gleichförmigen Wällen mit einheitlichem Böschungswinkel geschüttet.

Ökologische Bedeutung von Wällen
Aus ökologischer Sicht sind langgezogene Grenzverläufe wichtige Elemente. Sie dienen als Wanderkorridore, Übergangs- und Vernetzungsflächen zwischen Grube, Wald und Kulturland. Gefährdete Pflanzenarten, wie die Kamille (Matricaria sp., Anthemis sp.), der Mohn (Papaver sp.) oder die Karde (Dipsacus fullonum) finden hier Refugien. Wälle sollten bezüglich Material und Form vielfältig sein. Gehölz- und Gebüschgruppen bereichern die Vielfalt und bieten Tieren Deckung. Kleinstrukturen verbessern den Lebensraum für Insekten und Reptilien. Häufig kommt sogenanntes Abdeckmaterial, also Moränenmaterial, oder zugeführtes Aushubmaterial zur Anwendung. Oft fungieren die Dämme als Bodendepots. Das heisst, dass die obersten Bodenschichten (A oder B-Horizont), die sowieso zwischengelagert werden müssen, zu Wällen angelegt werden.

Schüttungen/Auffüllungen
In den meisten Fällen werden Kiesgruben nach dem Abbau in kurzer Zeit wieder aufgefüllt und für ihre Folgenutzung als Forst- oder Landwirtschaftsfläche vorbereitet. Schüttungen werden je nach Art des eingebrachten Materials unterschiedlich schnell besiedelt.

Ökologische Bedeutung von Schüttungen/Auffüllungen
Die ökologische Wertigkeit von Schüttungen und Überdeckungen steigt, wenn sie nicht zum selben Zeitpunkt flächendeckend aus dem gleichen Material entstehen und wenn sie länger ungestört liegen bleiben. Angeliefertes Material ist meist heterogen. So können Schüttungen vielfältiger Lebensraum insbesondere für Pionierpflanzen sein, die auf näherstoffreichere Verhältnisse angewiesen sind (Ackerrandflora) und willkommene Deckung und Nahrungsstelle für Wild sein. Unterschiedliches Substrat führt zu unterschiedlicher Besiedelung durch Pflanzen und Tiere und zu verschiedenen Entwicklungsstadien der Vegetation. Oft entstehen spontan interessante Gewässer. Vor allem wenn Wiederauffüllungen über einen langen Zeitraum erfolgen, soll die Chance genutzt werden, ökologisch wertvolle Lebensräume zu schaffen.

Weitere Lebensräume

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Humusdepots sind wegen des Nährstoffreichtums und wegen der Begrünungspflicht ökologisch meist weniger interessant. In Kombination mit anderen Lebensräumen, wie auf dem Foto mit einem temporären Gewässer, können sie zur Biodiversitätsvielfalt beitragen.


Wege, Pisten, Lagerplätze
Offene Kies-, Sand- und Schotterwege dienen als ideale Verbindungswege für Tiere (und Pflanzen) innerhalb der Abbaugrube, sowie zwischen der Grube und den angrenzenden Flächen. Tiere wie Hermelin (Mustela erminea) oder Feldhase (Lepus europaeus) nutzen gerne solche Wege und offenen Flächen, sofern die Randbereiche und Böschungen gute Deckung bieten. Ihr Wert hängt stark mit der Nutzungsintensität zusammen. In Löchern von Wegen können sich z. B. Gelbbauchunken (Bombina variegata) fortpflanzen, wenn sie genug lange ungestört sind.

Bodenzwischenlager
Bevor Kies abgebaut werden kann, muss der Boden abgetragen und zwischengelagert werden, sofern er nicht bei einer parallelen Rekultivierung direkt wiederverwendet werden kann. Bodenzwischenlager (vor allem Humusdepots) müssen aus Sicht des Bodenschutzes angesät/begrünt werden. Bodenzwischenlager sind wegen ihres Nährstoffreichtums ökologisch nicht besonders wertvoll.

Arten in Abbaugebieten

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In Abbaugebieten kommen viele seltene Arten vor. Stellvertretend dafür die Kreuzkröte (Epidalea calamita), die Gelbbauchunke (Bombina variegata), die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und das Rosmarin-Weidenröschen (Epilobium dodonaei)

Abbaugebiete bieten vielen, darunter auch sehr seltenen Arten Lebensraum, der ihnen in unserer intensiv genutzten Landschaft oft fehlt. Tierarten und -gruppen, welche besonders gefördert werden können, sind nachfolgend kurz vorgestellt. Die Auflistung ist nicht abschliessend.

Vögel



Amphibien

In betriebenen Gruben können vor allem die ersten drei (bis vier) genannten gefördert werden, welche sehr gut an dynamische Lebensräume angepasst (und angewiesen) sind. Auf der Webseite der karch hat es ausführliche Informationen zu den einzelnen Arten, zur Kreuzkröte gibt es zusätzlich einen Workshop-Bericht.

  • Kreuzkröte (Epidalea calamita)
  • Gelbbauchunke (Bombina variegata)
  • Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans)
  • Europäischer Laubfrosch (Hyla arborea)
  • Kamm- und Teichmolch (Triturus cristatus und Lissotriton vulgaris)
  • Springfrosch (Rana dalmatina)

Eine wichtige Grundlage für den Schutz und die Förderung ist das Inventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung (IANB). Man unterscheidet ortsfeste und Wanderobjekte. Die Wanderobjekte, die sich in Gruben befinden, können verschoben werden.5
Wie Entwässerungsanlagen als Fallen für Amphibien entschärft werden können, zeigt das Merkblatt der karch auf.

5 Art. 3 der Verordnung über den Schutz der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung (Amphibienlaichgebiete-Verordnung; AlgV)

Reptilien

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In Kiesgruben sind für Zauneidechsen (Lacerta agilis) geeignete Lebensräume.

Zu den Reptilien gibt es ausführliche Informationen. Sie sind insbesondere auf Strukturen angewiesen.

  • Zauneidechse (Lacerta agilis)
  • Ringelnatter (Natrix natrix)
  • Schlingnatter (Coronella austriaca)



Libellen

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Der Grosser Blaupfeil (Orthetrum cancellatum) besiedelt gerne Kiesgrubentümpel. Abgebildet ist ein juveniles Männchen.
  • Südlicher Blaupfeil (Orthetrum brunneum)
  • Grosser Blaupfeil (Orthetrum cancellatum)
  • Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio)
  • Kleine Königslibelle (Anax parthenope)



Heuschrecken



Tagfalter
Im Tagfalter-Artikel sind Beispiele von Arten aufgeführt, welche in Abbaugebieten vorkommen.

Wildbienen und Hymenopteren

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Die natürlichen Lebensräume der Mörtelbienen (Megachile parietina) sind Flussauen mit einer natürlichen Hochwasserdynamik und Felshänge in Gebirgen. In der Kulturlandschaft sind es Trockenhänge mit Felsbildungen und vereinzelt auch Steinbrüche und Kiesgruben. Ihre kunstvollen Nester bauen sie an Felsen, Gesteinsbrocken (Findlinge) oder Mauern.

Im Merkblatt «Wildbienen fördern in Kiesgruben» wird gezeigt, wie Nisthilfen geschaffen und das Blütenangebot gefördert werden können sowie welches die wichtigsten Sträucher und Stauden sind.

Auf der Webseite des Vereins wildBee hat es interessante Merkblätter und Videos zu kies- und sandbewohnenden Wildbienen:



Pflanzen und Moose

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Der Natternkopf (Echium vulgare) findet als typische Ruderalpflanze in Gruben perfekte Bedingungen.

In Abbaugebieten vorkommende Pflanzen und Moose (unvollständige Liste):

  • Kleines Tausendgüldenkraut (Centaurium pulchellum)
  • Rosmarin Weidenröschen (Epilobium dodonaei)
  • Schmalblättriger Hohlzahn (Galeopsis angustifolia)
  • Kurzgranniger Fuchsschwanz (Alopecurus aequalis)
  • Feigenblättriger Gänsefuss (Chenopodium ficifolium)
  • Graugrüner Gänsefuss (Chenopodium glaucum)
  • Stinkender Pippau (Crepis foetida)
  • Schwarzbraunes Zypergras (Cyperus fuscus)
  • Behaarte Karde (Dipsacus pilosus)
  • Eiblättriges Schlangenmaul (Kickxia spuria)
  • Venus Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris)
  • Zarte Miere (Minuartia hybrida)
  • Sumpf-Knöterich (Polygonum amphibium)
  • Färber-Reseda (Reseda luteola)
  • Tabernaemontanus‘ Flechtbinse (Schoenoplectus tabernaemontani)
  • Shuttleworthis Rohrkolben (Typha shuttleworthii)
  • Kleinblütiges Hornkraut (Cerastium brachypetalum)
  • Sand-Hornkraut (Cerastium semidecandrum)
  • Acker-Schröterich (Erysimum cheiranthoides)
  • Mauer Doppelsame (Diplotaxis muralis)
  • Scharfes Kahlfruchtmoos (Porella arboris-vitae subsp. arboris-vitae)


Zielartenlisten
Der Kanton Bern hat im Rahmen der Branchenvereinbarung eine Zielartenliste erarbeitet, der Kanton Solothurn hat in seiner Arbeitshilfe Zielarten aufgeführt.


Allgemeine Artenlisten
Von H. Wildermuth und A. Krebs gibt es zwei ältere, nichtsdestotrotz sehr lesenswerte Artikel zu Abbaugebieten mit ausführlichen Artenlisten:

  • Krebs, A., Wildermuth, H., 1983. Die Bedeutung von Abbaugebieten aus der Sicht des biologischen Naturschutzes. Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden-Württemberg Beiheft 37, 105–150.
  • Wildermuth, H., Krebs, A., 1976. Kiesgruben als schützenswerte Lebensräume seltener Pflanzen und Tiere. Mitteilungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Winterthur, Heft 35 = Jg. 1973/75, S. 19-73.

Abiotische Faktoren

Bemerkung: Die Inhalte in diesem Kapitel sind im Wesentlichen aus Konold et al. (2007, Kap. XI-2.24), Konold (1999), teilweise aus Gilcher und Bruns (1999).
Abbaustätten können hinsichtlich der Ausgangsgesteine, Abbautechniken und -produkte sehr verschieden sein. Dennoch besitzen sie eine Reihe von typischen Standorteigenschaften, die bestimmte Artengruppen fördern und eine hohe Artenvielfalt bedingen.

  1. Rohböden: Die Rohböden schaffen spezifische Standortbedingungen, wie z. B. extremes Mikroklima, Nährstoffarmut und fehlende Konkurrenz bei der Besiedelung.
  2. Dynamik durch mechanische Störungen: Die hohe Dynamik und mitunter hohe Störungsintensität ist ein wesentliches Merkmal und führt dazu, dass nur spezialisierte Arten es schaffen, diese Lebensräume zu besiedeln. (Gilcher und Bruns 1999 in: Konold et al. 1999).
  3. Nährstoffarmut: Rohböden zeichnen sich durch eine extreme Armut pflanzenverfügbarer Nährstoffe aus. Erst durch initiale Bodenbildung, verbunden mit der Fixierung von Luftstickstoff durch Blaualgen und Knöllchenbakterien und den Eintrag über Wasser und Luft, werden auf diesen Standorten Nährstoffe angereichert.
  4. Pestizidarmut: In Kiesgruben werden in der Regel keine Pestizide eingesetzt.
  5. Umweltgradienten: Abbaustätten weisen eine grosse Vielfalt unterschiedlicher Standortsbedingungen auf, insbesondere unterschiedliche Feuchte-, Licht- und Nährstoffverhältnisse.
  6. Klimatische Verhältnisse: Abbaustätten weisen meist ein im Vergleich zum Umfeld unterschiedliches Klima auf. Vor allem die Exposition und Neigung von Abbauwänden, die Lage in abflusslosen Senken sowie die Wärmeleitfähigkeit des Gesteins sind wichtige Gründe für das extreme Lokalklima. In Steinbrüchen ist das Lokalklima extremer und kontinentaler. Nachts können sich Kaltluftseen bilden. Wasserflächen haben die schwächsten Tagesgänge bezüglich der Temperatur und wirken ausgleichend.

Geologie

Auf der Webseite der Stiftung Landschaft und Kies gibt es zwei interessante Artikel zur Geologie.

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Erhalt, Förderung und Unterhalt

In diesem Kapitel wird darauf eingegangen, wie die in der Praxisrelevanten Ökologie vorgestellten Lebensräume gefördert und unterhalten werden. Nachfolgend wird zwischen betriebenen und stillgelegten Gruben unterschieden, da dies für Förder- und Unterhaltsmassnahmen entscheidend ist. Bei der Umsetzung von ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen ist die kompetente Beratung und Begleitung einer ausgewiesenen Fachperson von zentraler Bedeutung.

Betriebsphase

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Brütende Vögel geniessen einen besonderen Schutz. Ihr Brutgeschäft darf nicht gestört werden. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite von BirdLife Schweiz.

Der Schutz und die Förderung seltener Arten und Lebensräume lassen sich in den Abbauprozess integrieren. Es sollen sich eine Lebensraum Vielfalt sowie ein hoher Strukturreichtum einstellen.

Allgemeine Massnahmen

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In Abbaugebiete hat es in der Regel viele Stellen, an denen Kleinstrukturen angelegt werden können.

Allgemeine Fördermassnahmen:

  • Anlage von Ruhezonen mit nur geringer oder fehlender Nutzung bzw. Störung. Durch den Abbau nicht beanspruchte Grubenbereiche dazu u. a. mit grossen Steinen vor dem Befahren schützen.
  • Wechselnder Abbauvortrieb
  • Gezielte Schaffung von wechselfeuchten bis staunassen Zonen bzw. von temporären Stillgewässern und gezielte Gestaltung und Optimierung von Teilbereichen wie Absetzbecken, Schlammweiher, Felswände und Schutthalden (vgl. separate Kapitel).
  • Reichlich Kleinstrukturen anlegen
  • Aufkommende Neophyten entfernen und fachgerecht entsorgen (siehe Kapitel Gefährdungen)
  • Massnahmen sollen, wenn immer möglich so ausgeführt werden, dass sie maschinellen Unterhalt ermöglichen.


Lebensraum Kiesflächen

Massnahmen bei Kiesflächen

  • Auf offenen Kiesflächen mit jährlich wiederkehrenden Vogelbruten sollten ab März immer mindestens zwei grössere Flächen mit mindestens ca. 20x30 m Grösse zur Verfügung stehen.
  • Verwitternde Kiesböschungen werden ökologisch wertvoller, wenn dazwischen Terrassen angelegt werden.
  • Mit Sand und grossen Steinen durchmischte Haufen werten offenen Kiesflächen auf (siehe auch «Allgemeine Fördermassnahmen»). Achtung: Wenn der Flussregepfeifer (Charadrius dubius) vorkommt, dann Kiesflächen nicht strukturieren!
  • Um das Angebot an offenliegenden Kiesböden zu vergrössern, sind künftige Abbauflächen so früh wie möglich bis zur Kiesschicht freizulegen.

Unterhalt

  • Kiesflächen sollten periodisch gestört werden, damit ihr Pioniercharakter erhalten bleibt und damit offenen Bodenstellen vorhanden bleiben. Diese Störungen können mechanisch durch das Befahren der Flächen mit Fahrzeugen oder Maschinen erfolgen oder man bricht zugewachsene Bereiche mit einem Bagger wieder auf. Organisches Material sollte von der Fläche entfernt werden.
  • Auf Kiesflächen, die offen gehalten werden sollen, die aufkommenden Pioniergehölze zyklisch entfernen. Dies kann manuell durch Ausreissen oder maschinell, durch Abziehen der durchwurzelten Schicht, erfolgen. Alternativ kann die Fläche auch mit neuem, magerem Kies überschüttet werden.


Lebensraum Sandflächen 6

Massnahmen bei Sandflächen

  • Sandflächen sind besonders an südexponierten, sonnigen und warmen Standorten von hohem ökologischem Wert und dort zu schaffen oder zu belassen.
  • Von März bis Oktober sollten Sandflächen weder abgetragen, noch befahren werden und nur wenig Vegetation aufweisen. Auf solchen Flächen finden sich meist spezielle Pflanzenarten.
  • Fallen im Abbaubetrieb grössere Mengen an Sand an, so ist es sinnvoll, wenn Überschüsse an trockenen, sonnigen und warmen Stellen flächig verteilt oder aufgehäuft werden.
  • Grössere Sandflächen (5 bis 10m lang, 2 bis 3m breit und 30 bis 50cm tief) sollten mit vor Regen schützenden Strukturen wie Wurzelstöcken und/oder grossen Steinen ausgestattet werden.
  • Herabrieselnder Sand von Förderbändern soll nicht entfernt, sondern vor Ort flächig verteilt werden.
  • Gelagerter Sand, welcher über geraume Zeit nicht gebraucht wird, verliert durch den Pflanzenbewuchs seinen Wert als Betonkomponente. Diese Sandhaufen sollen dann so belassen werden, wie sie sind. Nachrutschendes Material schafft fortlaufend wieder neue, unbesiedelte Flächen.

Unterhalt

  • Weil die Sandflächen auf die Dauer verbuschen und zuwachsen, sollte der Bewuchs zyklisch entfernt (oder überschüttet) werden.


Lebensraum Steilwände 6

Massnahmen bei Steilwänden

  • Anstelle von Böschungen können in der Grube Steilwände geschaffen und der Verwitterung überlassen werden (sofern sicherheitstechnisch möglich).

An der Oberkante einer Steilwand sollte ein 2 - 3m breiter Streifen ohne Humusbedeckung freigehalten werden, da ansonsten nachrutschendes Material nährstoffreiche Erde in den Hangfuss verfrachten könnte. (Anmerkung: Es siedeln sich dort gerne invasive Neophyten an, welche aus Sicherheitsgründen kaum bekämpft werden können.)

  • Die Breite des Hangfusses sollte 5 - 10m betragen. Das nachrutschende Material schafft hier immer wieder neue, unbewachsene und geneigte Pionierflächen. Zum Schutz vor dem Befahren sollten diese mit grossen Steinen markiert werden.

Unterhalb von besiedelten Uferschwalben-Kolonien ist der Schuttkegel jeweils zu entfernen. Ansonsten bietet er vereinfachten Zugang für Prädatoren (z. B. Fuchs, lat. Vulpes vulpes).

  • Während der Brut und Aufzucht von Mitte April bis Ende August ist in Wänden mit Brutröhren (z. B. von Uferschwalbe, lat. Riparia riparia oder Eisvogel, lat. Alcedo atthis) auf den Abbau zu verzichten.
  • Der Eisvogel (Alcedo atthis) brütet auch in schattigen Abbruchkanten von weniger als 1m Höhe. Er bevorzugt einen durch Sträucher gedeckten Anflug zu seiner Brutröhre. Eisvogelbrutstellen sollen so wenig Störung wie möglich aufweisen. Allenfalls ist die Brutstelle vor Störungen abzuschirmen.

Unterhalt

  • Steilwände mit Brutwänden für Insekten und Uferschwalben (Riparia riparia) von Bewuchs freihalten.
  • Der Schuttfächer am Hangfuss von Steilwänden mit Brutwänden für Uferschwalben (Riparia riparia) muss vor Beginn der neuen Brutsaison abgetragen werden, damit die Brutwand für Füchse und andere Räuber nicht zugänglich ist.
  • Ansonsten können Steilwände der Verwitterung überlassen werden.


Lebensraum Tümpel

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In Gruben ist die Häufigkeit von Tümpeln und Weihern gross. Sie sind deshalb für die Erhaltung und die Förderung von Amphibien wichtig. Auf dem Foto wird in einer Grube im Kanton Bern ein neuer Tümpel geschaffen.

Im Artikel zu den Stillgewässern hat es umfassende Angaben zu Förderung und Unterhalt von Tümpeln. Prioritär sollen Gewässer ohne künstliche Abdichtung gebaut werden: Meist gibt es Stellen, wo sich Wasser sammelt und sich zur Anlage temporärer oder permanenter Gewässer eignen (siehe auch Hinweis bei den Wällen). Wenn Abdichtungen nötig sind, dann kommen in Gruben vor allem Folienweiher, Betonweiher (oder die Kombination davon) oder Lehmweiher in Frage. Bei Letzteren möchten wir auf die Gefahren hinweisen.


Lehmweiher in Kiesgruben, so macht es die Stiftung Landschaft und Kies
Es wird eine mindestens 1 m, besser 2 m mächtige Lehmpackung eingebracht. Der Einbau erfolgt in 2 - 3 Schichten, welche jeweils verdichtet werden. Idealerweise weist der Lehm einen hohen Tongehalt auf. Danach wird die Mulde modelliert. Die dicke Schicht verhindert eine Entwässerung durch Wurzelgänge und Trockenheitsrisse. Sie erlaubt einen einfachen Unterhalt, um ein stark verlandetes Gewässer wieder in den Pioniercharakter zurückzuversetzen: Mit einem Bagger kann die oberste Schicht abgezogen werden. Auf grösseren Lehmflächen können periodisch stets neue Gewässer angelegt, und ältere wieder zugeschüttet werden.
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In einer Kiesgrube im Kanton Bern angelegter Tümpel aus Magerbeton zur Förderung der Kreuzkröte, der im Winter abgelassen wird. Befüllt wird er jeweils ab Anfang April

Unterhalt
Informationen zum Unterhalt von Stillgewässern finden Sie hier.

Lebensraum Schlammweiher und Absetzbecken

  • Uferpartien sollten möglichst langgezogen gestaltet werden. Viele Buchten und flache Übergangszonen sind wertvoll. Auf zu steile Uferpartien sollte nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen für Mensch und Tier verzichtet werden.
  • Wurzelstöcke und grosse Steine am oberen Böschungsbereich werten den Lebensraum auf.
  • Betonwasser muss in einem separat dafür angelegten Becken entsorgt werden.
  • Wenn in trockenen Phasen Schlammbecken gelegentlich austrocknen, dann können Mulden ausgehoben werden. Diese bieten Wasserbewohnern Zuflucht vor dem Austrocknen. Dabei sind allerdings die (Ziel-)Arten zu beachten. Falls diese temporäre Gewässer bevorzugen, ist ein gelegentliches Austrocknen förderlich.
  • Wenn ein bestehendes Gewässer aufgefüllt oder verlegt werden muss, dann ist bereits 1 bis 2 Jahre vor dem Zuschütten ein Ersatzgewässer zu schaffen. Die Entwässerung und Aufschüttung alter Weiher und Tümpel erfolgt am besten von Mitte September bis anfangs Dezember. Absetzbecken sollen vor der Auffüllung längere Zeit trocken liegen.
  • Auf das Einbringen von Pflanzen und Tieren ist zu verzichten, insbesondere auf den Besatz mit Fischen.


Lebensraum Trockenwiesen und -weiden

Ausführliche Informationen dazu erhalten Sie im Artikel zum Grünland.

Lebensraum Hecken und Gehölze

Ausführliche Informationen dazu erhalten Sie im Artikel zu den Hecken.

Kleinstrukturen

Ausführliche Informationen dazu erhalten Sie im Artikel zu den Kleinstrukturen.

Wälle

Massnahmen

  • Dämme und Wälle wenn möglich aus Materialien unterschiedlicher Qualitäten schütten. Nebst humosen Abschnitten, können auch Bereiche mit mageren Substraten eingebracht werden. Dies erhöht die Vielfalt des Standortes.
  • Besser als Dämme mit einheitlicher Form und Höhe sind solche mit Strukturen. Quer- und Längsrinnen, Vertiefungen und Absätze auf der Dammkrone tragen zur höheren ökologischen Wertigkeit bei.
  • Auf Ansaaten sollte grundsätzlich verzichtet werden. In der Nähe von Kulturland muss jedoch auf das Aufkommen von «Unkräutern» Rücksicht genommen werden. Allenfalls müssen diese entfernt werden. Wenn auf eine Einsaat nicht verzichtet werden kann, dann soll das mittels Direktbegrünung mit Heu von einer nahegelegenen Magerwiese oder Ruderalfläche erfolgen (siehe Grünland-Artikel).
  • Die Böschungen sollten so gestaltet werden, dass sie maschinell bewirtschaftet werden können.
  • Bei Pflanzungen mit Sträuchern diese in Gruppen und nicht als durchgehende Hecke pflanzen (siehe Artikel Hecken).
  • Entlang des Dammfusses, wo sich das Wasser sammelt, können -Vertiefungen von 40 - 60 cm angelegt werden. Dies schafft zusätzliche Vielfalt. Bei knappen Platzverhältnissen reichen schon die Fahrspuren schwerer Baumaschinen.
  • Die offenen Flächen müssen gemäht oder beweidet werden. Das Mähgut ist dabei immer zu entfernen oder immer an selber Stelle zu Haufen zu schichten. Bei mageren Substraten genügt ein Schnitt im Herbst oder das Entfernen von dürrem Material im Frühling. Jeweils Altgrasstreifen stehen lassen.
  • Hecken und Gehölze auf Wällen periodisch zurückschneiden.
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Fahrspuren sind ideale Laichgewässer für Gelbbauchunken, wenn die Kaulquappen ein bis zwei Monate Zeit haben, sich zu entwickeln.

Weitere Lebensräume 6

Massnahmen bei Wegen, Pisten, Lagerplätzen (aus Krummenacher et al.)

  • Fahrpisten im Grubengelände sind nur so breit zu gestalten, dass zwei Fahrzeuge kreuzen können. Die für den Verkehr nicht benötigten Randbereiche und Lagerplätze werden mit grossen Steinen, Holzbalken oder anderen Markierungen vor dem Befahren geschützt.
  • Wenn aus Platzgründen keine Seitenstreifen von mind. 3 m Breite möglich sind, kann als Alternative ein Graben von 40 bis 60 cm Breite und Tiefe ausgehoben werden.
  • Wassergefüllte Radspuren in seitlichen, feuchten Pistenbereichen sind meist willkommene Lebensräume und Laichstellen. Lokale Absperrungen durch Steine oder Holzbalken von April bis September halten den Grubenverkehr fern.
  • Zufahrtswege zum Werk sollen nur in Ausnahmefällen befestigt sein. Wenn immer möglich bleibt ein breiter seitlicher Streifen aus Kiesboden belassen, der auch nicht eingesät wird.
  • Nicht mehr benötigtes unbehandeltes Bauholz soll zu Haufen oder Stapeln aufgeschichtet werden. Diese Holzlager bilden für bohrenden, raspelnde und holzfressende Insekten und ihre Larven wichtigen Lebensraum.
  • Grundsätzlich kann gesagt werden, dass nach ökologischen Gesichtspunkten auf dem Werkgelände gelagertes Material wichtige Strukturen bilden und aus diesem Grund an hellen und warmen Standorten einen hohen ökologischen Wert aufweisen kann.

Massnahmen bei Bodenzwischenlager/Humusdepots (nach Krummenacher et al.)

  • Bodenzwischenlager/Humusdepots sollen in so grosser Distanz zu mageren Standorten angelegt werden, damit kein Nährstoffeintrag stattfinden kann.
  • Es ist zu vermeiden, dass Humus oder nährstoffreiche Ausschwemmungen in Kiesgrubengewässer gelangen.
  • Bodenzwischenlager/Humusdepots in Waldnähe sollten nach Möglichkeit so angelegt werden, dass das Wild freien Zugang zu den dort wachsenden Äsungspflanzen hat (keine Zäune).
  • Zur Einsaat von Bodenzwischenlager (Humusdepots) ist ein geeignetes und ökologisch wertvolles Saatgut zu verwenden. Sofern Äsungspflanzen darin vorkommen, ist dies ein Vorteil für äsendes Wild aus der Umgebung. Bei der Saatgutmischung ist auf eine schnelle Bodenbedeckung und gute Durchwurzelung zu achten.
  • Falls Bodenzwischenlager/Humusdepots als ökologische Ausgleichsfläche dienen, so ist auf eine Einsaat zu verzichten.


Artenförderung

Darauf wird in der Praxisrelevanten Ökologie bei den einzelnen Artengruppen eingegangen.


6 aus «Natur im Kiesabbau»

Auffüllung

Unabhängig davon, ob eine stillgelegte Anlage rekultiviert oder offengelassen wurde, ist der wesentliche Faktor die fehlende Dynamik und damit verbunden ein mehr oder weniger ungestörtes Ablaufen der Sukzession.

Lebensraum Schüttungen 6

In der Regel gibt der Gestaltungsplan die Endgestaltung vor. Auffüllungen unterliegen starker Dynamik, wo sich Massnahmen grundsätzlich schwierig umsetzen lassen.

Massnahmen bei geneigten Schüttungen (Böschungen)

  • Grubenränder wenn möglich nicht auf der ganzen Länge mit demselben Material überschütten. Die unterschiedlichen Komponenten zu einem Mosaik von verschiedenen Geländeabschnitten deponieren.
  • Die einzelnen Auffüllungsabschnitte sollen bis zum Endzustand geschüttet werden, bevor danebenliegende ältere und möglicherweise bereits bewachsene Böschungen überdeckt werden (Rotation).
  • Die oberste Schicht der Schüttung sollte, wenn immer möglich, mager sein bzw. mageren Substraten den Vorzug geben werden.
  • Geschüttete Böschungen sind in der Endgestaltung so auszugestalten, dass sie einfach mit Maschinen befahren werden können (Pflege und Unterhalt).
  • Verdichtete Mulden am Innenrand von Böschungsterrassen fangen Hangwasser ab und bilden wechselfeuchte Tümpel.
  • Auch entlang dem Hangfuss können Gräben von ca. 40 bis 60 cm Tiefe und Breite angelegt werden. Das sich sammelnde Hangwasser bildet kleine Tümpel. Mit der Zeit einwachsend dient er als Wanderkorridor für diverse Tierarten.
  • Kleinstrukturen, wie Stein- und Asthaufen sowie grosse Gesteinsbrocken und Wurzelteller sind wertvolle Elemente der Gestaltung.

Massnahmen bei flachen Schüttungen

  • Bei flächigen Aufschüttungen, die eine Zeit lang liegen bleiben, ist darauf zu achten, dass humoses, lehmiges oder steiniges Material in getrennten Abschnitten deponiert wird.
  • Bei Flächen für die kurzfristig keine Ausweichmöglichkeiten für Pioniere angelegt werden können, sollte ein Teil der Fläche so belassen werden bis neue Lebensräume vorliegen.
  • In lehmigen Substraten können flach ausgehobene Mulden kurzzeitig wertvolle Laichstellen beinhalten. Zusätzlich kann der Untergrund auch mit dem Pneulader noch vorsichtig verdichtet werden.

Unterhalt

  • Schüttungen sind temporärer Natur, der Kontrolle und Bekämpfung von Neophyten ist wichtig.

6 v. a. aus «Natur im Kiesabbau»

Stilllegung und Folgenutzung

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In ehemaliger Lehmgrube neu gestaltete Aufwertungsflächen wie die angelegten Tümpel.

Nicht wiederaufgefüllte und der Natur / dem Naturschutz zugeführte Gruben sind ökologisch sehr interessant. Mit dem durch die Nutzung bedingten Wegfallen der Dynamik stellt sich die Frage nach den biologischen Zielen. Welche Lebensräume und Arten sollen erhalten und gefördert werden? Es lohnt sich, ein (Entwicklungs-)Konzept und/oder einen Managementplan zu erarbeiten. Es braucht einen Entscheid, ob die ursprüngliche (Abbau-)Dynamik aufrechterhalten oder ob eher Sukzession zugelassen werden soll. Oder ist eine Kombination beider Strategien möglich? Für eine dynamische Folgenutzung sind ähnliche Massnahmen nötig, wie sie es auch für Abbaugruben in Betrieb braucht. Für eine sukzessionsorientierte Folgenutzung (Lebensräume wie Hecken, Gebüsche, offener Wald, Magerwiesen u. a.) werden die nötigen Hinweise und Informationen in anderen Kapiteln dieser Plattform zur Verfügung gestellt. Folgendes soll bei der Planung mitgedacht werden:

  • Erhalt der Strukturvielfalt
  • Keine Nivellierungen von Verwitterungsflächen
  • Spontane Vegetationsentwicklung weiterhin zulassen
  • Falls Ansaaten vorgesehen sind, autochthones Pflanz- und Saatgutmaterial verwenden
  • Schaffung von Rohböden durch Abraum
  • Steilwände sollten wenn möglich erhalten werden
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Kleinbiotope in einer aufgelassenen Kiesgrube: 1 Baggerteich mit tiefen und seichten Stellen, flachen und steilen Ufern. - 2 Flache Regen- und Sickerwasserpfützen. - 3 Steile Grubenwand mit geologischen Aufschlüssen. - 4 Grössere Gesteinsblöcke (Findlinge) - 5 Steinhaufen. - 6 Vegetationsfreie Kies- und Schotterfläche. 7 - Sandhaufen: vegetationslos oder spärlich mit kleinen Föhren und Gras bewachsen. - 8 Mit Pioniervegetation bewachsene Kiesfläche. 9 - Gruppe von Weichhölzern (Weiden, Pappeln, Espen). - 10 Sonnenexponierter Waldrand mit freiliegenden Wurzelstöcken. - 11 Sanddorn- und Tamariskenbüsche. - 12 Brennnesselflur auf stockstoffhaltiger Erdschuttablagerung: Futterplatz für Raupen verschiedener Tagfalter. - 13 Brombeergestrüpp: Brutstätte für stengelbrütende Grabwespen und anderer Insekten. - 14 Weidenröschenkolonie. - 15 Sumpf- und Wasserpflanzen: Pioniervegetation kalkhaltiger und mässig nährstoffreich Stillwasser. - 16 Alte Baumstrünke: Biotop für holzbewohnende Insekten. - 17 Bruthöhlen der Uferschwalbe. - 18 Nistkästen für höhlenbrütende Singvögel. - 19 Naturschutztafeln. - 20 Reisig- und Holzhaufen: Versteck für Kleinsäugetiere, Ringelnattern, Blindschleichen, Schnecken. Nistgelegenheit für strauchbrütende Singvögel.
(nach Krebs et al. 1976)

Video

Schaffung eines Gewässers und von Kleinstrukturen in einem Kurzbeitrag von SRF (Aufwertungsmassnahmen) (auf Deutsch)

Gefährdungen

Neophyten in Kiesgrube HR zg 96 dpi.jpg
Neophyten wie der Schmetterlingsstauch (Buddleja davidii) breiten sich gerne in Gruben aus.
  • Mangelnde Pflege
    • Verbuschung und fortschreitende Sukzession
  • Neophyten: Von der Stiftung Landschaft und Kies gibt es eine Zusammenstellung zu den wichtigsten Problempflanzen in Kiesgruben und deren Bekämpfung.
  • Aktenzeichen Invasive Neophyten: Video der Stiftung Landschaft und Kies zu den häufigsten und typischsten Neophyten (auf Deutsch).
  • Freizeitverhalten:
    • Ungenügende Besucherlenkung
    • Störungen von sensiblen Bereichen durch den Menschen
  • Verlust wertvoller Habitate durch Wiederauffüllung und Deponienutzung
  • Ungenügende Begleitung und Beratung

Grundlagen

Planung und rechtliche Grundlagen


In der Bewilligung wird der Rahmen zu Ersatz und Ausgleich sowie zu Wiederherstellung und Folgenutzung abgesteckt. Noch bevor die Bagger auffahren ist somit entscheidend festgehalten, welche ökologische Bedeutung die Grube in den folgenden Jahren haben wird.


Die relevanten rechtlichen Grundlagen sind das Natur- und Heimatschutzgesetz und das Umweltschutzgesetz. Die rechtlichen Grundlagen zu ökologischem Ausgleich und Ersatz sind in z. B. in «Ökologische Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen in Kiesgruben, Arbeitshilfe» zusammengefasst. Im Umweltschutzgesetz, bzw. der dazugehörigen Verordnung ist die UVP-Pflicht geregelt. Die planerischen und rechtlichen Verfahren sind kantonal unterschiedlich (Richtplanung, Nutzungsplanung, Sondernutzungsplanung, Bewilligungsverfahren). Die kantonalen Gesetzgebungen sind daher zu berücksichtigen. In der Regel durchläuft ein Abbauprojekt folgende Schritte):

  • Richtplaneintrag
  • Projekterarbeitung und -eingabe durch Grubenbetreiber; Ab 300'000 m3 ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung Pflicht.
  • Projektprüfung und Bewilligung durch die Behörden (i. d. R sind das kantonale Stellen). Die Bewilligung enthalt u. a. Auflagen zu ökologischem Ersatz und Ausgleich sowie zu Wiederherstellung und Folgenutzung. Je nach Kanton kommen unterschiedliche Verfahren zum Zug (Gestaltungsplan, Nutzungsplanung, Sondernutzungsplanung).
  • Die Umsetzung der Auflagen erfolgt sehr heterogen. In einigen Kantonen existiert eine Branchenvereinbarung (s. unten).

Solange in der Schweiz die Revitalisierung von Fliessgewässern, mit sehr ähnlichen Lebensräumen wie in Abbaugebieten, so schleppend vorankommt, sollen aus Naturschutzsicht viel mehr Abbaugebiete nach Beendigung des Abbaus für die Natur offengelassen werden. Alternativ sollen sie ausserhalb der Grube gesichert werden. Vergleiche dazu die Lösungen der Kantone Aargau und Solothurn. Diese Flächen sollen gesichert werden (Zonenordnung / Vertrag / Schutzverfügung). Da bereits im Planungs- und Bewilligungsprozess die nachträgliche Nutzung festgehalten wird, ist es wichtig, hier von Projektbeginn an aktiv zu sein.

Zusammenarbeit, Branchenlösung

In den Kantonen Bern und Aargau gibt es eine sogenannte Branchenlösung, welche die Kantone mit den jeweiligen Fachverbänden abschliessen. Sie regeln das Ausscheiden von ökologischen Ausgleichsflächen in Kiesabbaustellen und sind verbindlich.

Die Branchenvereinbarung des Kantons Aargau

Die Branchenvereinbarung des Kantons Bern

Literaturempfehlungen und Links

Empfohlene Literatur

  • «Natur im Kiesabbau. Handbuch für die Naturarbeit im Kiesgewerbe», Krummenacher et al., 1996, (auf Deutsch):
    Das Handbuch soll die praktische Umsetzung der FSK-Richtlinien «Naturschutz und Kiesabbau» erleichtern. Es stellt die Lebensräume der Abbaugebiete vor und zeigt auf, wie die Massnahmen zur Naturförderung während des Abbaus mit betriebseigenen Maschinen und Materialien umgesetzt werden können. Im Weiteren zeigt es auf, wie bei einer Abbauplanung die Naturbelange einbezogen werden. (ev. vergriffen)

Links

  • «Stiftung Landschaft und Kies», (auf Deutsch): Die Webseite enthält viele Informationen zum naturnahen Kiesabbau und zur Umweltbildung in Kiesgruben. Auf der Webseite können Exkursionen und Arbeitseinsätze gebucht werden. Die Stiftung agiert hauptsächlich im Kanton Bern.

Weitere Links

Das Rohstoffinformationssystem Schweiz (RIS) ist ein frei zugängliches Webportal mit Informationen zu Vorkommen und Abbaustellen mineralischer Rohstoffe in der Schweiz. Weitere Informationen siehe hier (auf Deutsch und Englisch)

Verschiedenes

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Stillgelegte Kiesgruben sind oftmals spannende Natur- und Lernorte für Kinder, Gruppen, Schulklassen, aber auch Erwachsene.

Literatur

  • Abteilung Naturförderung Kanton Bern, Stiftung Landschaft und Kies, 2015. Branchenvereinbarung Freiwillige Naturschutzleistungen in Kiesgruben und Steinbrüchen.
  • Amt für Raumentwicklung Kanton St. Gallen, 2007. Abbaukonzept für Steine und Erden (Kanton St. Gallen).
  • Angehrn, W., Annen, B., Durrer, W., Egolf, P., Jud, U., Keller, E., Küttel, M., Müller, P., Rutz, H.U., Suhner, H., 1993. Naturschutz und Kiesabbau - Richtlinie für die Naturschutzarbeit im Kiesgewerbe.
  • Bachmann, S., Haller, B., Lötscher, R., Rehsteiner, U., Spaar, R., Vogel, C., 2008.«Leitfaden zur Förderung der Uferschwalbe in der Schweiz. Praktische Tipps zum Umgang mit Kolonien in Abbaustellen und zum Bau von Brutwänden»:
    Dieser Leitfaden dient den Grubenbetreibern, Natur- und Vogelschützern, Behörden und weiteren Akteuren bei der Planung und Umsetzung von Projekten zum Schutze der Uferschwalbe. Er gibt Empfehlungen zur Erhaltung und Förderung der Kolonien in Kiesabbaustellen und präsentiert die aktuellen Kenntnisse und Erfahrungen mit dem Bau von künstlichen Uferschwalben-Brutwänden.
  • Bregenzer, I., Kiesgruben und Steinbrüche. Pro Natura. (unveröffentlicht)
  • FSKB, 2008. Strategie Natur im Kiesabbau.
  • Gilcher, S., Bruns, D., Gaede, M., 1999. Renaturierung von Abbaustellen, Praktischer Naturschutz. Ulmer, Stuttgart.
  • Grob, J., Isler, S., Krebs, R., von Rohr, G., Roth, A., Salm, C., Teutsch, R., Vökt, U., 2001. FSK-Rekultivierungsrichtlinie (Richtlinie für den fachgerechten Umgang mit Böden). Bern.
  • Krebs, A., Wildermuth, H., 1976. Kiesgruben als schützenswerte Lebensräume seltener Pflanzen und Tiere. Mitteilungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Winterthur, Heft 35.
  • Krummenacher, E., Spatteneder, H., Schelbert, A., Schweizer Fachverband für Sand und Kies, 1996. Natur im Kiesabbau: Handbuch für die * Naturarbeit im Kiesgewerbe. FSK - Schweiz. Fachverband für Sand und Kies, Bern.
  • Nobs et al. 1991. «Kiesgrube im Jahreslauf. Anregung für den Naturkundeunterricht, Frühling, Frühsommer, Sommer, Herbst»: Kiesgruben im Jahreslauf ist eine vierteilige Serie von Ordnern, die sich den verschiedenen Jahreszeiten im Jahreslauf einer Kiesgrube widmet. Darin werden auf anschauliche und gut verständliche Art und Weise relevante Lebensräume, ökologische Zusammenhänge, typische Pflanzen- und Tierarten vorgestellt und die Aufgaben der Kies- und Betonindustrie erläutert. Die Ordner richten sich an die Lehrerschaft und interessierte Laien, die beispielsweise eine Exkursion in eine Abbaustätte unternehmen und dazu Unterrichtseinheiten vorbereiten möchten. Sie enthalten jedoch keine Informationen, wie die Natur gefördert werden kann.
  • Schiel, F.-J., Rademacher, M., 2008. Artenvielfalt und Sukzession in einer Kiesgrube südlich Karlsruhe. Naturschutz und Landschaftsplanung 40 (3), S. 87-94.
  • Stiftung Landschaft und Kies, 2019. Die wichtigsten Problempflanzen in Kiesgruben und deren Bekämpfung.
  • Verband der Kies- und Betonwerke Aargau, Kanton Aargau, Abteilung Landschaft und Gewässer, 2013. Branchenvereinbarung betreffend Branchenlösung für den Systemwechsel beim Ausscheiden von ökologischen Ausgleichsflächen beim Kiesabbaustellen.
  • Werner Konold, 1999. Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege: Kompendium zu Schutz und Entwicklung von Lebensräumen und Landschaften. Wiley-VCH, Weinheim.
  • wildbee.ch (Hrsg.), 2017. «Erdnistende Wildbienen. Anlegen von offenen Bodenflächen, Sandhaufen, Randkanten, überhängenden Abrissen und Steilkanten»:
    Ein sehr ausführliches Merkblatt des Vereins WildBee über die Förderung von bodenbewohnenden Wildbienenarten. Es enthält sehr konkrete und praxistaugliche Tipps zur Förderung von Wildbienenarten, die offenen Boden bevorzugen. Es enthält ebenfalls Informationen zu Neuschaffung, Materialwahl, Materialbezug und zur Pflege von Niststandorten.
  • Wildermuth, H., 1978. Natur als Aufgabe: Leitfaden für die Naturschutzpraxis in der Gemeinde. Schweizerischer Bund für Naturschutz, Basel.
  • Wohlgemuth, T.M., Jentsch-Beierkuhnlein, A., Seidl, R., 2019. Störungsökologie, 1. Auflage. ed, UTB. Haupt Verlag, Stuttgart.