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Zur Förderung der Artenvielfalt kann das Wiederherstellen nährstoffarmer Verhältnisse in Form einer Aushagerung durch Schnitt oder Beweidung angewandt werden: Durch den Abtransport des Mähguts werden einem Standort Makronährstoffe (v.a. Stickstoff, Phosphor, Kalium) entzogen. Die Aushagerung erfolgt sehr langsam, wobei sie auf weniger produktiven Flächen schneller verläuft als auf grundwassernahen und/oder wüchsigen Standorten. Bei Fromentalwiesen ist der Erfolg einer Aushagerung am wahrscheinlichsten; bis sich jedoch erwünschte Zielarten ohne zusätzliche Massnahmen einstellen, dauert es in den meisten Fällen sehr lange. Am erfolgversprechendsten ist diese Fördermethode in mässig nährstoffreichen Lebensräumen. Für die Wiederherstellung artenreichen Grünlands muss der Gehalt an dem wenig mobilen Phosphat in den Böden verringert werden – noch unklar ist, ab welchem Nährstoffgehalt sich wieder eine artenreiche Vegetation einstellt (Guntern 2016a); auf landwirtschaftlichen Flächen liegen die Konzentrationen von bioverfügbarem Phosphat oft über 80 µgPOlsen/g, wohingegen z.B. typische Werte für artenreiches Grünland (z.B. Borstgrasrasen) oft weniger als 10 µgPOlsen/g betragen. <br/>
Die Fragen, ob Aushagerung zielführend ist, wo diese Massnahme angewandt werden kann, wie lange sie in Abhängigkeit von der Nutzungsgeschichte und den Nährstoffvorräten im Boden dauert, sind teilweise umstritten und noch zu wenig geklärt. Das natürliche Nährstoffnachlieferungsvermögen von (v.a. humosen) Böden ist meist höher als der Entzug durch Ausmagerung. Viele erwünschte Pflanzenarten besiedeln neue Flächen in ausgeräumten Landschaften nur sehr langsam (wenn überhaupt) und dies nicht wegen der Nährstoffe, sondern mangels Ausbreitungsfähigkeit und zu grosser Konkurrenz durch die etablierte Vegetation (A. Bosshard, pers. Mitt.). <br/>
Ein Nährstoffaustrag durch Beweidung mit dem Ziel der Naturförderung ist schwierig und sollte nur unter Einhaltung strenger Bedingungen erfolgen: die Weidetiere dürfen über Mittag und nachts (bzw. generell zu den Ruhezeiten) nicht auf der Weidefläche belassen werden; andernfalls gelangt ein Grossteil der entzogenen Nährstoffe über die Ausscheidungen wieder in die Fläche. Ausserdem darf keinesfalls eine Zufütterung erfolgen – entsprechend ist die Wahl der Tierart und auch die Altersklasse zu berücksichtigen. Eine sachgerechte Weideführung inklusive Pflege ist keinesfalls weniger aufwändig als eine Schnittnutzung ([https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Erhalt_und_Aufwertung_durch_optimierte_Bewirtschaftung#Erhalt_und_Aufwertung_durch_Beweidung siehe Kapitel "Erhalt und Aufwertung durch Beweidung"]).<br/>
Optional kann bei einer Renaturierung bzw. Neuschaffung von artenreichem Grünland die oberste, nährstoffreiche Bodenschicht entfernt werden (Oberbodenabtrag, bedingt eine Bewilligung der Bodenschutzfachstelle). Auf mineralischen Böden ist ein Oberbodenabtrag als Massnahme zur Wiederherstellung artenreicher Magerwiesen etabliert ([https://biodivers.ch/de/index.php/Gr%C3%BCnland/Aufwertung_und_Neuschaffung_durch_Direktbegr%C3%BCnung_und_Ansaat siehe Kapitel "Aufwertung und Neuschaffung durch Direktbegrünung und Ansaat"]. Auf organischen Böden scheint diese Massnahme nicht gleich erfolgreich zu sein (Guntern 2016a). Als ökologischer Nachteil werden mit dem Boden auch ein Grossteil des vorhandenen Samenreservoirs sowie Kleintiere, Moose, Flechten und Mikroorganismen entfernt.
=Nährstoffeinträge minimieren=
Zum Erhalt von naturschutzfachlich wertvollem Grünland und zur Biodiversitätsförderung müssen Nährstoffeinträge vermindert werden, die entsprechenden Grundlagen sind im [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Grundlagen#Quantitativer_und_qualitativer_Zustand_und_deren_Ver.C3.A4nderung Kapitel "Quantitativer und qualitativer Zustand und deren Veränderung"] ausgeführt.
Auf Ebene der Einzelfläche kann dies mit den folgenden Massnahmen erreicht werden:
* Keine Düngung: im artenreichen Grünland soll generell nicht gedüngt bzw. in artenreichen Weiden nicht zugefüttert werden. Gegebenenfalls sind in Fromentalwiesen gemäss Bosshard (2016) vom Düngeverzicht Ausnahmen zu machen. Eine geringe Festmistdüngung (abhängig vom Standortpotenzial) in mehrjährigem Abstand oder eine gelegentliche Grunddüngung mit P, K und Kalk kann sinnvoll sein.
=Kombination von Mahd und Beweidung, Frühjahrsvorweide=
Mahd und Beweidung können in verschiedenster Weise kombiniert werden: üblich ist die Nutzungskombination von Schnittwiesen mit einer Herbstweide im selben Bewirtschaftungsjahr. Historisch gesehen ist die Kombination von Frühjahrsvorweide (das sogenannte Etzen oder Ätzen) mit nachfolgender Schnittnutzung weit verbreitet gewesen siehe Kapitel [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Grundlagen#Entstehung_von_Gr.C3.BCnland "Entstehung von Grünland" (Kasten zu Etzen)].
Ebenfalls möglich ist ein mehr oder weniger regelmässiger Wechsel zwischen Mahd und Beweidung über verschiedene Bewirtschaftungsjahre hinweg. Diese Kombinationsvariante wird kontrovers beurteilt: Gewisse Fachleute sehen darin die Kumulation der Vorteile beider Nutzungsformen unter gleichzeitigem Ausschalten der jeweiligen Nachteile, indem Konkurrenzvorteile und Begünstigungen von einzelnen Arten aufgehoben werden; andere Stimmen vertreten die gegenteilige Ansicht, dass sich die Nachteile von Schnitt und Beweidung kumulieren. Ob, in welchem Fall und wie ein solcher Wechsel in der Bewirtschaftungsform über verschiedene Jahre hinweg Sinn macht, ist noch zu wenig geklärt: fallweise kann in Kenntnis der aktuellen Vegetationszusammensetzung und / oder einer gewünschten Zielvegetation beurteilt werden, ob eine Nutzungskombination zielführend ist. Für sehr artenreiche Vegetation mit vielen speziellen Arten ist grundsätzlich die Beibehaltung einer Nutzungsweise, welche diesen Artenreichtum bzw. das Vorhandensein spezieller Arten ermöglicht hat, empfohlen.
==Wenig intensiv genutzte Fettwiesen und -weiden (artenreich)==
Die in diesem und in den beiden nachfolgenden Kapiteln beschriebenen Lebensraumgruppen umfassen Vegetationseinheiten, welche auf fruchtbaren Böden wachsen und gedüngt werden. Unterhalb der alpinen Stufe sind regelmässige Schnitte oder Weidegänge erforderlich, um die Waldentwicklung aufzuhalten. Die dominanten Grasarten dieser Lebensräume besitzen ein starkes Regenerations- und Ausbreitungsvermögen, setzen sich jedoch nur auf Böden mit ausreichender Nährstoff- und Wasserversorgung durch.
Zu den wenig intensiv genutzten Fettwiesen und -weiden gehören gemäss Bosshard (2016) die [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Praxisrelevante_%C3%96kologie#Lebensr.C3.A4ume_des_Gr.C3.BCnlands Rotschwingel-Straussgraswiese, die Kammgrasweide, die Fromentalwiese und die Goldhaferwiese]. Die Beschreibungen und Abgrenzungen dieser Lebensraumtypen sind grösstenteils aus Bosshard (2016, S. 105 ff.) entnommen.
Fromental- oder Glatthaferwiesen: Das Fromental (= Glatthafer, ''Arrhenatherum elatius'') wird bei regelmässiger, aber bescheidener Düngung (insbesondere mit Mist) in tiefen Lagen auf mittleren Standorten bestandesbildend. Traditionellerweise wird die Fromentalwiese als zweischürige Mähwiese genutzt und oft im Herbst noch beweidet. Sie ist an relativ nährstoffreiche Verhältnisse angepasst (gedüngt) und die Schnitthäufigkeit hat einen wesentlichen Einfluss auf die botanische Zusammensetzung. Nebst dem sehr ertragreichen Fromental gedeihen weitere wertvolle Futtergräser sowie eine Vielzahl oft attraktiver Wiesenkräuter und Leguminosen in diesem sehr farbigen Lebensraumtyp.<br/>
* Schnittzeitpunkte individuell und bestandesgemäss anpassen: ersten Schnittzeitpunkt wo nötig vorverlegen. Freigeben der Nutzungstermine und stattdessen Festlegen einer minimalen und maximalen Nutzungsanzahl; allenfalls in Verbindung mit einer Festlegung des frühesten letzten Nutzungstermins.
* Düngung wo nötig anpassen, individuelle Lösungen.
* [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Aufwertung_und_Neuschaffung_durch_Direktbegr%C3%BCnung_und_Ansaat#Botanische_Aufwertung_von_verarmten_Naturwiesen_mittels_Einsaaten Förderung von Neuansaaten in Fromentalwiesen durch Direktbegrünung]
Weitere Informationen:
| Aus naturschützerischer Sicht gibt es eine grosse Bandbreite der ökologischen Qualität von Fromentalwiesen – von fast «wertlosen» Varianten mit vielen Fettwiesenarten bis hin zu den im TWW-Inventar erhobenen artenreichen Wiesen. Die Nutzung ist individuell und bestandesgemäss anzupassen (Schnitthäufigkeit, Schnittzeitpunkt).<br/>
Mähregime:
* Faunafreundliche Mahd (siehe Kapitel [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Erhalt_und_Aufwertung_durch_optimierte_Bewirtschaftung#Faunafreundliche.2C_schonende_Mahd_und_Ernte Faunafreundliche, schonende Mahd und Ernte])
* Staffelmahd mit Verlegung des Schnittzeitpunkts nach hinten und nach vorne.
* Frühschnittflächen abwechseln.
* Bodenheu.
* Schnittzeitpunkte (siehe Kapitel [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Erhalt_und_Aufwertung_durch_optimierte_Bewirtschaftung#Nutzungszeitpunkte_und_Nutzungsfrequenz_.28Fl.C3.A4chenebene.29 Nutzungszeitpunkte und Nutzungsfrequenz])
individuell und bestandesgemäss anpassen. Der DZV-Schnittzeitpunkt ist in wüchsigen Lagen oft zu spät. Zweiter Schnitt i.d.R. nicht vor Ende August, abhängig von der Witterung.<br/>
Frühjahrsvorweide (Etzen): im Rahmen von Vernetzungsprojekten fördern.
Düngung:<br/>
Individuell regeln (traditionellerweise leicht gedüngt). Nährstoffreiche Bestände nicht düngen. Fallweise nur mit leichten Gaben (max. 8-10 t pro ha und Jahr, je nach Höhenlage) von gut verrottetem Mist düngen.<br/>
Aufwertung artenarmer Bestände siehe Kapitel [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Aufwertung_und_Neuschaffung_durch_Direktbegr%C3%BCnung_und_Ansaat Aufwertung und Neuschaffung durch Direktbegrünung und Ansaat]
| In Guntern et al. (2013) finden sich Angaben zur Situation der Fromentalwiesen und dem Flächenbedarf. <br/>
Ein eigenes Kapitel mit vielen Hintergrundinformationen und konkreten Förderangaben liefert Bosshard (2016).<br/>
==Mittelintensiv bis sehr intensiv genutzte Fettwiesen und -weiden==
Zu den mittelintensiv, intensiv und sehr intensiv genutzten Fettwiesen und -weiden gehören gemäss Bosshard (2016) [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Praxisrelevante_%C3%96kologie#Lebensr.C3.A4ume_des_Gr.C3.BCnlands die Knaulgraswiese, die Fuchsschwanzwiese, die Englisch-Raygraswiese / -weide / -mähweide und die Italienisch-Raygraswiese].
Bei einer moderaten Intensivierung (Düngung und entsprechend häufigerer Schnitt) entstehen aus den Fromentalwiesen bzw. aus tiefgelegenen Goldhaferwiesen (unter günstigen Standortbedingungen) die Knaulgraswiesen. Sie werden mittelintensiv genutzt, mit Gülle und gegebenenfalls mit Mist gedüngt und rund dreimal jährlich gemäht. Werden sie bei günstigen Standortbedingungen weiter intensiviert, so entwickeln sich bei Mähnutzung auf trockeneren Böden die Italienisch-Raygraswiesen, auf frischeren Standorten die besonders ertragreichen Wiesenfuchsschwanzwiesen und unter Beweidung die Englisch-Raygraswiesen.
In der alpinen und oberen subalpinen Stufe bilden die Milchkrautweiden den ertragreichsten und futterbaulich attraktivsten Wiesentyp. Da sie i.d.R. im Sömmerungsgebiet liegen, sind sie meist beweidet, in seltenen Fällen jedoch auch gemäht. Es kommen keine seltenen Pflanzenarten vor, die Artenvielfalt ist jedoch unterschiedlich (Delarze et al. 2015).
Flächenmässig sind diese Weiden sehr relevant; über 500‘000 ha Grünland liegt in der Schweiz im Sömmerungsgebiet (siehe Kapitel [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Grundlagen#Quantitativer_und_qualitativer_Zustand_und_deren_Ver.C3.A4nderung "Quantitativer und qualitativer Zustand und deren Veränderung"]. Vermutlich sind sie auch aus Naturschutzsicht wichtig, obwohl der Lebensraumtyp nicht als gefährdet gilt. Eine Intensivierung der Bewirtschaftung (Eutrophierung) kann eine Verarmung der Flora bewirken. Wird die jährliche Beweidung aufgegeben, so verbuschen die Weiden in der subalpinen Stufe. Hinweise auf den möglichen [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Grundlagen#Gef.C3.A4hrdung_und_Gef.C3.A4hrdungsursachen Verlust von artenreichem Grünland im Sömmerungsgebiet] und entsprechende [https://biodivers.ch/ende/index.php/Gr%C3%BCnland/Grundlagen#Praxisrelevante_Wissensl.C3.BCcken Wissenslücken] sind in den jeweiligen Kapiteln zu finden.
Weitere Informationen:<br/>