Stillgewässer/Grundlagen: Unterschied zwischen den Versionen

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Stillgewässer gehören zu den natürlichen Lebensräumen, die es seit Millionen von Jahren gibt. Entsprechend sind Tiere und Pflanzen an die Bedingungen in Stillgewässern angepasst. Viele Wassertiere sind an Migration adaptiert und können neue Gewässer schnell besiedeln, v. a. die flugfähigen Arten wie Käfer, Wanzen, Libellen und Steinfliegen. Auch Pflanzen fassen schnell Fuss. Beispiele zeigen, dass es bei Makroinvertebraten ca. drei Jahre und bei Makrophyten ca. sechs Jahre bis zum Erreichen einer maximalen Artenzahl dauert. Die Reihenfolge der Besiedlung hängt vom Besiedlungspotenzial, d. h. vom Vorkommen der Arten in der Umgebung ab. Die zuerst an einem Gewässer erscheinenden Arten haben einen Vorteil («Prinzip der Priorität» oder «der Schnellere ist der Geschwindere»). Dies beeinflusst die Zusammensetzung der zukünftigen Biozönose.
 
Stillgewässer gehören zu den natürlichen Lebensräumen, die es seit Millionen von Jahren gibt. Entsprechend sind Tiere und Pflanzen an die Bedingungen in Stillgewässern angepasst. Viele Wassertiere sind an Migration adaptiert und können neue Gewässer schnell besiedeln, v. a. die flugfähigen Arten wie Käfer, Wanzen, Libellen und Steinfliegen. Auch Pflanzen fassen schnell Fuss. Beispiele zeigen, dass es bei Makroinvertebraten ca. drei Jahre und bei Makrophyten ca. sechs Jahre bis zum Erreichen einer maximalen Artenzahl dauert. Die Reihenfolge der Besiedlung hängt vom Besiedlungspotenzial, d. h. vom Vorkommen der Arten in der Umgebung ab. Die zuerst an einem Gewässer erscheinenden Arten haben einen Vorteil («Prinzip der Priorität» oder «der Schnellere ist der Geschwindere»). Dies beeinflusst die Zusammensetzung der zukünftigen Biozönose.
  
Manche Tiere und Pflanzen sind an vorübergehende Austrocknung angepasst! Bei Tieren sind oft nur einzelne Entwicklungsphasen obligat im Wasser. Bekannteste Beispiele sind die meisten Amphibien und Libellen, die das Ei- und Larvenstadium im Wasser verbringen, während sie als Adulte auf einen abwechslungsreichen und gut strukturieren Landlebensraum angewiesen sind. Ähnliches gilt für viele weitere Artengruppen wie z. B. die Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Wasserkäfer, Mücken oder Steinfliegen. Trockenphasen werden je nach Art oder Artengruppen in unterschiedlichen Stadien überdauert, bei den Wasserkäfern ist es das Ei -oder als Adult Stadium.
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Manche Tiere und Pflanzen sind an vorübergehende Austrocknung angepasst! Bei Tieren sind oft nur einzelne Entwicklungsphasen obligat im Wasser. Bekannteste Beispiele sind die meisten Amphibien und Libellen, die das Ei- und Larvenstadium im Wasser verbringen, während sie als Adulte auf einen abwechslungsreichen und gut strukturieren Landlebensraum angewiesen sind. Ähnliches gilt für viele weitere Artengruppen wie z. B. die Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Wasserkäfer, Mücken oder Steinfliegen. Trockenphasen werden je nach Art oder Artengruppen in unterschiedlichen Stadien überdauert, bei den Wasserkäfern ist es das Ei oder als Adult Stadium.
  
 
Sehr gut angepasst an austrocknende Gewässer sind Krebstiere (Wasserflöhe (''Cladocera''), Ruderfusskrebse (''Copepoda''), Kiemenfusskrebse (''Branchiopoda'')), deren Eier oft jahrelange Trockenheit ertragen, Libellenarten der Gattung Binsenjungfer (''Lestes''), welche die Sommer- und Wintertrockenheit der Tümpel im Eistadium überdauern sowie Zuckmücken (''Chironomidae'') und flugfähige Adulte von Wasserkäfern und -wanzen.
 
Sehr gut angepasst an austrocknende Gewässer sind Krebstiere (Wasserflöhe (''Cladocera''), Ruderfusskrebse (''Copepoda''), Kiemenfusskrebse (''Branchiopoda'')), deren Eier oft jahrelange Trockenheit ertragen, Libellenarten der Gattung Binsenjungfer (''Lestes''), welche die Sommer- und Wintertrockenheit der Tümpel im Eistadium überdauern sowie Zuckmücken (''Chironomidae'') und flugfähige Adulte von Wasserkäfern und -wanzen.

Version vom 27. Juni 2020, 19:32 Uhr

Einleitung

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Der störungsempfindliche Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) bewohnt kleinere Stillgewässer mit Verlandungszone und gut ausgebildeter Unterwasser- und Schwimmblattvegetation. Diese bieten den Lebensraum für seine Nahrung, die Wasserwirbellosen.

Der Schwerpunkt in diesem Kapitel ist der reichhaltigen Biologie kleiner Stillgewässer gewidmet. Im Weiteren wird auf die Definition sowie die Klassifizierung eingegangen. Zudem werden die Veränderungen während der letzten Jahrhunderte und der aktuelle Zustand aufgezeigt. Weitere Themen sind die abiotischen Faktoren sowie traditionelle Fischzucht und Naturschutz. Informationen zu Recht, Sicherheit, Gefährdungen und Literaturempfehlungen runden dieses Kapitel ab.

Klassifizierung/Typologie

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Die Fotos zeigen die Vielfalt kleiner Gewässer, von oben rechts: Künstlich angelegter Teich zur Nutzung der Wasserkraft, ein neu geschaffener Grundwasser Tümpel, ein permanentes Moorgewässer in den Bergen, ein Waldweiher, ein regulierbarer Tümpel mit Folie, ein temporäres Gewässer in der intensiven Landwirtschaft, eine sogenannte Phytotelma.

Es gibt keine allgemein gültige Definition der kleinen Stillgewässer. Sie variieren in Grösse, Tiefe, Form, Hydrologie, Entstehung und chemischen und physikalischen Eigenschaften sehr stark. Die meisten natürlichen Gewässer sind seicht, klein und nur kurzlebig (z. B. Wasserpfütze hinter Wurzelteller), andere hingegen sind langlebig und stabil (z. B. Moorgewässer). Natürliche Gewässer sind gewöhnlich kleiner und seichter als künstliche. Sie sind oft temporär und treten gehäuft auf (z. B. in natürlichen Flusstälern). Allen kleinen Stillgewässern gemeinsam ist, dass sie bis zum Grund lichtdurchflutet sind (man spricht von „photischer“ Zone, phōtos heisst auf Griechisch „Licht“) und daher im ganzen Gewässer Pflanzen wachsen können (im Gegensatz zu den Seen).

Klassifizierung

Im deutschsprachigen Raum werden die Begriffe Weiher, Tümpel und Teich am häufigsten verwendet, im französischsprachigen „mares“ und „étangs“.

Begriffe für Stillgewässer im deutschsprachigen Raum

Weiher natürliches oder naturnahes Gewässer, nicht austrocknend, ev. geringer Durchfluss, sehr grosse Weiher werden Flachseen genannt
Tümpel seicht, periodisch austrocknend, nicht regulierbar, natürlich oder künstlich, oft stark schwankende Wasserstände
Teich künstliches Gewässer mit bestimmtem Nutzungszweck, Wasserstand meist regulierbar, oft mit Zu- und Abfluss und langsamem Durchfluss


Begriffe für Stillgewässer im französischsprachigen Raum

allen Stillgewässern gemeinsam natürlich oder künstlich, permanent oder astatisch („einige Monate“), potentiell ist der ganze Gewässergrund mit Pflanzen bewachsen, keine aphotische Zone
étang 5000 m2 – 5 ha (kann manchmal mehrere Dutzend ha erreichen), natürlich oder künstlich, Tiefe < 8 m
mare 1 – 5000 m2, Tiefe < 2 m


Im englischsprachigen Raum findet keine Unterscheidung statt. Es wird nur der Begriff „pond“ verwendet.

Weitere Klassifizierungen: Es gibt mehr als 30 verschiedene Definitionen für die kleinen Stillgewässer. Die wichtigsten sind:

  • Forel, 1904: Weiher = See ohne aphotische Zone
  • IUCN (Dugan 1997): Weiher sind kleiner als 8 Hektaren, Seen sind grösser als 8 Hektaren
  • Williams/Pond Conservation 1999/2010: Natürliche oder künstliche Stillgewässer zwischen 1 m2 und 2 Hektaren mit mindestens vier Monaten Bespannung (gemäss «The Pond Book»)
  • Universität Genf (Oertli et. Al. 2000): Weiher = Oberfläche ist kleiner als 5 Hektaren, weniger tief als 8 Meter, Pflanzenwachstum auf dem gesamten Grund
  • Sajaloli/Dutilleul 2001 (nationales Programm zu Feuchtgebieten, Frankreich)
  • European Conservation Network (Oertli et.al. 2005): Weiher = Oberfläche 1 m2 bis 2 Hektaren, weniger tief als 8 Meter, natürlicher oder künstlicher Ursprung
  • See: vegetationsloses Tiefenwasser, Litoral

Gewässertypen

  • Natürliche Gewässer entstehen durch:
    • Gletscherrückzug
    • Flussdynamik (Mäander, Altläufe, Altwasser, Giessen)
    • Schwankenden Grundwasserspiegel
    • Auswaschung, Geländesackung (Dolinen)
    • Erdrutsche
    • Sporadische Ereignisse (Entwurzelung von Bäumen, Tieraktivitäten, …)
    • Moorentwicklung (Kolk, Schlenke, Lagg)
  • Künstliche Gewässer:
    • Moornutzung (Torfstichweiher)
    • Feuerlöschweiher, Eisweiher
    • Viehtränken
    • In Steinbrüchen, Kies-, Lehm- und Tongruben
    • Abwasserbehandlung, Kläranlagen
    • Rückhaltebecken, Bewässerung (Hochwasser, Kiessammler, Schneekanonen)
    • Freizeit/Erholung (Gartenweiher, Schulweiher, Parkweiher, Golfplätze, Fischerei, Jagd, Baden, Schlittschuhlaufen/Eishockey, Schifffahrt, Landschaftspärke, (Zier-)Brunnen)
    • Militärische Nutzung
    • Naturschutz: Amphibientümpel, Flutmulden, Kiesgrubenweiher, etc.
    • Mühle-, Sägerei Weiher

Im «Handbuch Moorschutz in der Schweiz» gibt das Kapitel 3.3.2, «Kleingewässer in Mooren und ihre Bedeutung für Pflanzen und Tiere» einen guten Überblick mit hervorragenden Abbildungen zu den verschiedenen Gewässertypen der Moore. Im Buch «Seen, Teiche, Tümpel und andere Stillgewässer: Biotope erkennen, bestimmen, schützen» (Hutter et al. 2002) werden viele verschiedene Gewässertypen unterschieden.

Vegetationskunde

Die in der Schweiz gebräuchlichen Lebensraum-Klassifikationen sind TypoCH und Phytosuisse. Sie sind auf der Webseite von Info Flora beschrieben. In beiden sind Angaben zu Arten und bei TypoCH zur Gefährdung enthalten.

Anzahl und Zustand

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Veränderung der Landschaft und Verlust an Gewässern bei Büren (BE) in den vergangenen ca. 100 Jahren (Quelle: Bundesamt für Landestopografie, Siegfriedkarte und aktuelle Landeskarte).

Weltweit geht man von ca. 3 Milliarden Stillgewässern aus, davon bedecken Seen 1.3 bis 1.8 Prozent der Fläche, zusammen mit den kleinen Stillgewässern sind es mehr als 3 Prozent. Europa ist natürlicherweise sehr reich an Stillgewässern. In der Schweiz gibt es 365 Seen grösser als 5 Hektaren und ca. 32‘000 Kleingewässer. Viele Gewässer kleiner als 100 m2 dürften dabei nicht miteingerechnet sein. Der Verlust an Kleingewässern in den letzten 30 Jahren wird für Europa, je nach Land, mit 50 bis 90 Prozent angegeben. In der Schweiz liegt der Verlust der letzten 100 Jahre im Mittelland bei ca. 90 Prozent. Mehr als 50 Prozent der Weiher der kollinen Stufe (bis 800 m ü. M.) sind hypertroph, ca. ein Drittel ist eutroph. In den Schweizer Alpen hat es ca. 10'000 kleine bis mittelgrosse Gewässer. In der Schweiz hat es durchschnittlich 1 Kleingewässer (bis 5 Hektaren Grösse) pro km2. Gebiete mit erhöhter Dichte sind für die Biodiversität besonders wichtig.

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Dichte kleiner Stillgewässer in der Schweiz (Quelle: « Création de mares et étangs alpins pour la promotion de la biodiversité » (Oertli et al. 2017).

Besonders stark zurückgegangen sind die temporären Gewässer.

Inventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung (IANB)

Das IANB hat zum Ziel die gefährdeten Amphibien der Schweiz zu schützen. Es umfasst 929 Objekte. Informationen dazu können der Webseite des BAFU entnommen werden.
Der Bund konstatiert bei der Umsetzung von Massnahmen ein erhebliches Vollzugsdefizit.

Flächenbedarf

Gemäss «Flächenbedarf für die Erhaltung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen in der Schweiz» (Guntern et al. 2013) schätzen Expertinnen und Experten, dass eine fünffache Zunahme von Kleinstgewässern nötig ist. Für die Erhaltung der weiherbewohnenden Amphibienarten der Schweiz werden unterhalb von 1000 m ü. M. vier Kleingewässer pro km2 als notwendig erachtet, (oberhalb von 1000 m ü. M. ein Gewässer pro km2) inklusive ihrer Landlebensräume. Dies macht für die gesamte Schweiz rund 97‘000 Gewässer. Zusammen mit den angrenzenden Landlebensräumen sind dies 244‘265 Hektaren oder 5.9 Prozent der Fläche der Schweiz. Für Libellen werden in der montanen und kollinen Stufe 5-10 Gewässer pro km2 als notwendig erachtet.

Biologische und ökologische Grundlagen

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Beispiele für das artenreiche Leben in kleinen Stillgewässern: Armleuchteralgen (Characeae), Köcherfliegen (Trichoptera), Eintagsfliegen (Ephemeroptera) und Wasserkäfer (verschiedene Familien, abgebildet ist der Kolbenwasserkäfer (Hydrous piceus)).

Allgemeines

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Morphologisch vielfältiger seichter Tümpel mit langer Uferlinie.

Kleine Stillgewässer sind artenreich und ökologisch wichtige Lebensräume. Sie sind reich an Makroinvertebraten (wirbellose Kleintiere wie Krebse, Insekten, Schnecken und Muscheln). Kleine Stillgewässer beherbergen 88 Prozent der einheimischen Wasserpflanzen-, 66 Prozent der einheimischen Wasserschnecken-, 72 Prozent der einheimischen Libellen- und 84 Prozent der einheimischen Wasserkäferarten.

Wichtig für den Artenreichtum sind der Gewässerverbund und die Morphologie. Ein Nebeneinander verschiedenster Stillgewässertypen (unterschiedliche Grössen, Tiefen und Sukzession, unterschiedlicher Bestockungsgrad, unterschiedlicher Unterhalt) und ein dichtes Gewässernetz garantieren die grösste Vielfalt. Für den Reichtum an Pflanzen und Makroinvertebraten sind grosse, seichte Uferbereiche mit sehr flachen Böschungen sowie für die Makroinvertebraten zusätzlich die mit Wasserpflanzen bewachsenen Bereiche bis 30 bis 50 cm Wassertiefe wichtig. Die offene Wasserfläche ist vergleichsweise artenarm. Je nach Zielarten ist es notwendig, auch tiefe Bereiche zu schaffen. Unspektakuläre, kleine, «vernachlässigte» Gewässer können sehr seltene Arten beherbergen und astatische Gewässer (periodisch austrocknende) sind für die Biodiversität oft von grosser Bedeutung.

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Die Vielfalt an Gewässertypen ist wertvoll. Quelle: «The Pond Book, A Guide to the Management and Creation of Ponds»

Die Wasserqualität hat einen grossen Einfluss auf die Biozönose.

Mehrere Untersuchungen zeigen auf, dass eine Art auch beim Angebot eines Gewässernetzes oft nur eines der Gewässer besiedelt (gemäss «The Pond Book» kommen etwa 20% der Arten innerhalb eines Gebietes mit mehreren Gewässern nur in einem vor. Gemäss einer Untersuchung in 9 Schweizer Gewässern in der Nordostschweiz lag dieser Anteil sogar bei 65%). Dies gilt es beim Unterhalt zu berücksichtigen.

Die Biodiversität der kleinen Stillgewässer nimmt mit zunehmender Höhenlage ab (was nicht bedeutet, dass sie weniger bedeutend wären.

Die Artenzahlen korrelieren teilweise positiv mit der Fläche eines Gewässers (Wasserpflanzen, gewisse Artengruppen aquatischer Makroinvertebraten, adulte Libellen, Wasservögel). Teilweise spielt die Grösse keine Rolle (z.B. für aquatische Käfer und Amphibien). Wichtiger als die Grösse eines Gewässers sind vielfältige Kleinlebensräume im Gewässer und ausgedehnte Flachwasserbereiche.

Wer sich mit der Biologie von Kleingewässern vertieft befassen will, dem sei das entsprechende Kapitel in «Mares et étangs» empfohlen, welches einen umfangreichen Einblick bietet.

Anpassungen der Tiere und Pflanzen

Stillgewässer gehören zu den natürlichen Lebensräumen, die es seit Millionen von Jahren gibt. Entsprechend sind Tiere und Pflanzen an die Bedingungen in Stillgewässern angepasst. Viele Wassertiere sind an Migration adaptiert und können neue Gewässer schnell besiedeln, v. a. die flugfähigen Arten wie Käfer, Wanzen, Libellen und Steinfliegen. Auch Pflanzen fassen schnell Fuss. Beispiele zeigen, dass es bei Makroinvertebraten ca. drei Jahre und bei Makrophyten ca. sechs Jahre bis zum Erreichen einer maximalen Artenzahl dauert. Die Reihenfolge der Besiedlung hängt vom Besiedlungspotenzial, d. h. vom Vorkommen der Arten in der Umgebung ab. Die zuerst an einem Gewässer erscheinenden Arten haben einen Vorteil («Prinzip der Priorität» oder «der Schnellere ist der Geschwindere»). Dies beeinflusst die Zusammensetzung der zukünftigen Biozönose.

Manche Tiere und Pflanzen sind an vorübergehende Austrocknung angepasst! Bei Tieren sind oft nur einzelne Entwicklungsphasen obligat im Wasser. Bekannteste Beispiele sind die meisten Amphibien und Libellen, die das Ei- und Larvenstadium im Wasser verbringen, während sie als Adulte auf einen abwechslungsreichen und gut strukturieren Landlebensraum angewiesen sind. Ähnliches gilt für viele weitere Artengruppen wie z. B. die Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Wasserkäfer, Mücken oder Steinfliegen. Trockenphasen werden je nach Art oder Artengruppen in unterschiedlichen Stadien überdauert, bei den Wasserkäfern ist es das Ei oder als Adult Stadium.

Sehr gut angepasst an austrocknende Gewässer sind Krebstiere (Wasserflöhe (Cladocera), Ruderfusskrebse (Copepoda), Kiemenfusskrebse (Branchiopoda)), deren Eier oft jahrelange Trockenheit ertragen, Libellenarten der Gattung Binsenjungfer (Lestes), welche die Sommer- und Wintertrockenheit der Tümpel im Eistadium überdauern sowie Zuckmücken (Chironomidae) und flugfähige Adulte von Wasserkäfern und -wanzen.

Amphibien

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Laubfrosch (Hyla arborea') und Kreuzkröte (Bufo calamita) sind wichtige Zielarten bei Gewässerprojekten.

Über die Ansprüche der Amphibien an ihre Laichgewässer weiss man gut Bescheid. Auf der Webseite der karch sind für jede Art umfangreiche Informationen vorhanden. Wertvolle Hinweise liefert die Broschüre «Temporäre Gewässer für gefährdete Amphibien schaffen» (siehe vor allem Seiten 10, 11 und 13. Darin enthalten sind für die ausgewählten Arten auch Angaben zum für Amphibien wichtigen Landlebensraum.

Libellen

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Die Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas) ist auf temporäre Gewässer angewiesen.

Im Libellenartikel hat es viele Informationen zu den Ansprüchen dieser Artengruppe. Eine wichtige Grundlage für artspezifische Informationen ist auch die Fauna Indicativa.

Vögel

Für Vögel sind v. a. grössere Stillgewässer relevant. Informationen finden Sie hier.

Säugetiere

Im Säugetierartikel hat es eine Liste mit allen Arten der Schweiz , in der die an Gewässer gebundenen Arten angegeben sind:

  • Europäischer Biber (Castor fiber)
  • Fischotter (Lutra lutra)
  • Zwergmaus (Micromys minutus)
  • Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus)
  • Wasserspitzmaus (Neomys fodiens)
  • Wanderratte (Rattus norvegicus)
  • Alpenspitzmaus (Sorex alpinus)

Zur Sumpfspitzmaus und zur Wasserspitzmaus hat es weitergehende Informationen.

In «Mares et étangs» (siehe Literaturempfehlungen) hat es ab Seite 160 ausführliche Informationen zu Säugetieren.

Pflanzen

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Verschiedene Beispiele von Wasserpflanzen: Schwimmblattpflanzen wie die Teichrosen (Nymphaea alba), Helophyten wie Seggen (Carex sp.) und Schachtelhalme (Equisetum sp.), Unterwasserpflanzen wie Armleuchteralgen (Characeae) und Hydrophyten wie die Wasserschläuche (Utricularia sp.).

Im Pflanzenartikel hat es Angaben zu Lebensformen der Pflanzen.

Aufgrund der Wuchsform unterscheidet man Helophyten («Sumpfpflanzen», im Gewässergrund verwurzelt, Spross aus dem Wasser ragend; emers), Amphiphyten («amphibische Pflanzen», je nach Wasserstand am Land oder im Wasser lebend; emers und submers) und Hydrophyten («Wasserpflanzen», im Grund verankert und mit schwimmenden Blättern oder verankert und mit untergetauchten Blättern oder auf der Wasseroberfläche frei schwimmend; submers und emers).

Wasserpflanzen sind wichtiger Lebensraum für die Tiere. Biologisch sehr wertvolle Gewässer zeichnen sich häufig durch ein Vegetationsmosaik aus (submerse, emerse und schwimmende Pflanzen).

Das Vorkommen von Wasserpflanzen hängt mit der Transparenz des Wassers zusammen. Ist diese gering, gedeihen vorwiegend Schwimmblatt- und schwimmende Pflanzen. Verwurzelte Wasserpflanzen, die ihre Nährstoffe aus dem Substrat oder dem Wasser beziehen, bevorzugen nährstoffarme Verhältnisse. V.a. untergetauchte Hydrophyten reagieren negativ auf Nährstoffüberschüsse. Für emerse Pflanzen sind temporär überschwemmte Flachwasserbereiche wichtig, denn viele Wasserpflanzen keimen nur an der Luft. Auch sie reagieren auf die Wasserqualität, sie sind aber etwas toleranter als die submersen und schwimmenden Pflanzen.

Es gibt Wasserpflanzen, die zur Assimilation nur Kohlendioxid (CO2) aufnehmen können, andere nutzen Hydrogencarbonat (HCO3-). Letztere wachsen v.a. in alkalischem Wasser. Armleuchteralgen (Characeen) nehmen hauptsächlich Hydrogencarbonat auf. Die Assimilation reduziert den CO2-Gehalt im Wasser und hindert dadurch andere Pflanzen am Wachstum.

In der Zeitschrift FloraCH gibt es verschiedene Artikel zu Wasserpflanzen:

  • Mehrere Artikel zu Wasserpflanzen, 2013
  • «Wasserpflanzen und Urbanisierung», 2014
  • «Das unmerkliche Verschwinden der Kleinen Teichrose», 2017
  • «Gefährdete Grenzgänger – Uferpflanzen», 2018

In der Anleitung zum IBEM (Indice de Biodiversité des Etangs et Mares) hat es im Anhang eine Liste mit Gattungen und Arten von Wasserpflanzen.

Fische

Im Kapitel Fische hat es einige Informationen zu Fischen. Wir werden hier zu einem späteren Zeitpunkt weitere Inhalte ergänzen, insbesondere eine kommentierte Fischarten Liste.

Weitere Artengruppen

Zur Biozönose der Kleingewässer zählen etliche weitere Artengruppen, die selten untersucht werden:

  • Algen
  • Rädertierchen, Wasserflöhe, Ruderfusskrebse bilden zusammen hauptsächlich das Zooplankton
  • Zur Meiofauna (ca. 50 – 500 µm Körperlänge) gehören zum Beispiel Bärtierchen, Fadenwürmer, Muschelkrebse.
  • Zur Makrofauna (> 500 µm) zählen viele Insektengruppen (z. B. Eintagsfliegen, Wasserwanzen, Wasserkäfer, Köcherfliegen, Zweiflügler) und weitere Artengruppen wie Plattwürmer, Schlauchwürmer (Nemathelminthes), Egel, Mollusken (Schnecken und Muscheln), Wassermilben und Spinnen.
  • Beim Abbau organischer Substanz spielen Prokarionten (Bakterien und Blaualgen) sowie Pilze eine wichtige Rolle.

Gehölze

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Gehölze bereichern und strukturieren die Landschaft um Gewässer.

Die Arten der Stillgewässer haben unterschiedliche Ansprüche an die Strukturierung mit Gehölzen, bzw. an die Besonnung oder Beschattung. Entsprechend ist der Gehölzanteil darauf auszurichten.

Es gibt ein paar allgemein gültige Aussagen zu Gehölzen:

  • Die grösste Biodiversität weisen Gewässer mit schwacher Bestockung auf.
  • Der Gewässerbereich soll von hydro- und hygrophilen Gehölzen bestanden sein (v. a. Weiden und Erlen).
  • Beschattete Stillgewässer können ebenso wie besonnte Gewässer spezialisierte und seltene Arten enthalten.
  • Es gibt nur wenige Pflanzen, die etwas Beschattung ertragen, z. B. Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus), Kleine Wasserlinse (Lemna minor), Wasserfeder (Hottonia palustris), Sternlebermoos (Riccia fluitans) und Schwimmlebermoos (Ricciocarpus natans).
  • Erlen und Weiden können an grösseren Stillgewässern wertvolle Habitate bieten (Wurzelräume, hängende Äste mit austreibenden Wurzelsprossen, etc.)
  • Gewässer die schon lange beschattet sind und deren Gehölzbestände entsprechend alt sind, können eine besondere Artenzusammensetzung aufweisen.
  • Laub im Wasser beschleunigt die Verlandung und Eutrophierung; Abbauprozesse können zu Sauerstoffmangel führen.

Die meisten Amphibien profitieren von oder benötigen Gehölze oder Wälder im Landlebensraum. Gemäss einer holländischen Studie weisen Gewässer mit Gehölzen im Umland eine reichere Amphibienfauna auf als Gewässer im Offenland. Manche Arten überwintern u. a. im Wurzelbereich von Gehölzen (z.B. Kammmolch). Die Ansprüche der Pflanzen an die Besonnung kann der Lichtzahl entnommen werden. Gemäss IBEM (indice de biodiversité des étangs et mares) hat ein Waldanteil von 5-35% im Umfeld von 50m eine positive Auswirkung auf die Diversität der Pflanzen. Alle Libellen benötigen eine gute Besonnung der Gewässer.

Physikalische und chemische Eigenschaften

Kleine Stillgewässer sind durch mehrere abiotische Faktoren geprägt. Am wichtigsten sind Transparenz, pH-Wert und Nährstoffgehalt.

Abiotische Faktoren:
Höhe über Meer, Temperatur, Niederschläge, Wind, Boden, Oberfläche, Tiefe, Beschattung, Exposition, Morphometrie (Uferverlauf in Aufsicht und im Querschnitt), Struktur, Nährstoffsituation (Phosphor, Stickstoff, Sauerstoff) Leitfähigkeit, Pestizide und weitere Schadstoffe), Wasserherkunft (Grundwasser, Zuflüsse, Einzugsgebiet, Regen), hydrologische Situation (Wasserstandsschwankung, Austrocknung, Wassererneuerungszeit), Alter, Vernetzung.


Bezüglich Nährstoffgehaltes unterscheidet man oligotrophe (nährstoffarme), mesotrophe (mässig nährstoffreiche), eutrophe (nähstoffreiche) und hypertrophe (sehr nährstoffreiche) Gewässer. Meso- und eutrophe Stillgewässer sind am artenreichsten, oligotrophe und mesotrophe Weiher beherbergen oft seltene und geschützte Arten. Zur Nährstofftoleranz ausgewählter Artengruppen siehe im Kapitel Hydrologie. Im Gegensatz zu Seen sind kleine Stillgewässer chemisch-physikalisch instabil. Sauerstoffgehalt oder Temperatur können im Tagesverlauf stark schwanken. Wind kann ein kleines Gewässer in kurzer Zeit umschichten, die Wassererneuerungszeit kann sehr kurz sein. Die empfohlenen Bücher gehen ausführlich auf chemisch-physikalische Parameter und Prozesse ein.

Fischzucht und Naturschutz

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Fischzuchtteich in der Dombes, Frankreich.

Im Mittelalter wurden sehr viele Weiher angelegt, hauptsächlich für die Fischzucht. Diese wurden i. d. R. mit einer Ablassvorrichtung versehen. Ein Teil der Gewässer ist verschwunden, einen Teil gibt es immer noch. Wurden sie früher regelmässig abgelassen, so haben sie heute je nach Nutzung ein unterschiedliches Wasserregime. Teils dienen sie nach wie vor der Fischzucht, teils erfüllen sie heute einen anderen Zweck.

In Europa gibt es Regionen mit einer Häufung von Weihern, darunter zählen etwa die „Dombes“ in Ostfrankreich sowie die Teichgebiete im Elsass und in Oberschwaben, Südwestdeutschland.

In Oberschwaben kommen über 2000 grössere Stillgewässer vor, darunter sehr viele ablassbare Weiher. Sie wurden seit dem Mittelalter hauptsächlich für die Fischzucht angelegt. Früher wurden die Weiher sowohl im Winter als auch im Sommer regelmässig geleert. Heute werden die Weiher, die zu Fischzuchtzwecken dienen, viel intensiver genutzt: mit Kalkung, Düngung und Zufütterung. Von 1991 bis 1994 fanden grossangelegte Untersuchungen zu limnologischen und biologischen Eigenschaften statt, u.a. zu Plankton, Amphibien, Libellen, Fischen, Makroinvertebraten, Pflanzen, Vegetation und Diasporenbank.

In der Dombes gibt es 1300 Teiche auf eine Fläche von 1000 km2. Es ist das grösste Weihernetz und nach der Camargue das zweitwichtigste Feuchtgebiet Frankreichs. Die Weiher wurden von Klöstern im Mittelalter für die Fischzucht angelegt. Sie sind über Mönche regulierbar. Heute sind sie Teil eines ökonomischen Systems mit Landwirtschaft, Fischzucht und Jagd. Die mit Karpfen besetzten Weiher werden alle 2 bis 5 Jahre im Winter abgelassen und alle 4 bis 5 Jahre im Sommer trockengelegt (Verlängerung des winterlichen Ablassens bis zum darauffolgenden Sommer). Trotz Kalkung und Düngung der Weiher und intensiver Fischzucht ist die Biodiversität sehr hoch, was im Rahmen eines Untersuchungsprogramms von 2007-2010 nachgewiesen werden konnte. Es scheint, dass primär das Management der Weiher für die grosse Vielfalt verantwortlich ist. Aufgrund der abnehmenden Rentabilität der Fischzucht ist damit zu rechnen, dass die Anzahl bewirtschafteter Weiher abnehmen wird.

Die Resultate der Untersuchungen in Oberschwaben lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Durch das unterschiedliche Management entsteht eine Vielfalt an Lebensgemeinschaften und Arten.
  • Jeder Weiher ist ein Individuum, entsprechend heterogen sind die Resultate aus den Untersuchungen.
  • Wasser- und Schwimmblattvegetation und Ufervegetation unterscheiden sich trotz ähnlicher Nutzung relativ stark.
  • Das Management des Ablassens ist nur ein Einflussfaktor. Weitere wichtige Faktoren sind z. B. die fischereiliche Nutzung mit Zufütterung, der Eintrag von Nährstoffen durch landwirtschaftliche Nutzung sowie Witterungsbedingungen.
  • Die Biozönosen kommen insgesamt ausgesprochen gut mit dem Management zurecht.
  • Das Ablassen wirkt sich grundsätzlich nicht negativ aus; positiv ist das Sömmern für die Schlammbodenvegetation.
  • Diasporen (Samen, Früchte):
    • Früher nachgewiesene Arten konnten wiedergefunden werden. Zusätzlich liessen sich neue Arten, teilweise Rote Liste-Arten, nachweisen.
    • Wenn das Sömmern zu einem falschen Zeitpunkt oder zu kurz ausfällt, kann das zum Entleeren der Diasporenbank führen, d.h. die Pflanzen kommen zwar auf, können aber nicht versamen.
    • Diasporen der meisten Arten sind über mehrere Wochen schwimmfähig.
    • Schlammboden-Arten sind als Diasporen im Weihersediment mehrere Jahre bis Jahrzehnte überlebensfähig.
  • Libellen:
    • Höhere Artenzahlen bei dauernd aufgestauten Weihern. Regelmässig abgelassene weisen aber ebenfalls hohe Artenzahlen auf, manchmal sogar höhere als permanente, teilweise auch eine andere Artenzusammensetzung.
    • Andere Faktoren, z. B. Besatz mit Graskarpfen, sind oft viel bedeutender als das Ablassen des Wassers.
    • Intaktes Umfeld und enge Vernetzung mit anderen Gewässern sind wichtige positive Einflussfaktoren.
    • Das Ablassen eines Weihers nach vielen Jahren Daueraufstau wirkt sich schädlich aus.
  • Makrozoobenthos:
    • Keine grösseren Unterschiede zwischen abgelassenen und angestauten Gewässern.
    • Zeitlich und räumlich stark schwankende Artenzusammensetzung und Individuenzahlen sind nicht auf das Management zurückzuführen, sondern auf individuelle Gegebenheiten und Faktoren wie Klima oder Wasserqualität.
    • Negative Auswirkung auf das Makrozoobenthos im ausfliessenden Bach wegen der Verschlammung durch das Ablassen des Weihers.
  • Amphibien:
    • Keine negativen Auswirkungen durch das Ablassen (optimales Umfeld der Gewässer mit wenigen anthropogenen Einflüssen; Strukturreichtum des Gewässers).

Die Autoren der Berichte aus Oberschwaben geben folgende Empfehlungen ab:

  • Ablassbare Weiher sollen regelmässig abgelassen und alle 15-20 Jahre gesömmert werden.
  • Das Sömmern ist eine erfolgreiche Massnahme zugunsten der Teich- und Schlammbodenvegetation.
  • Gesömmerte Weiher sollen erst nach Absamen der Vegetation wieder bespannt werden.
  • Allfällige negative Auswirkungen des Sömmerns auf Amphibien und Libellen sind vernachlässigbar, wenn das Gewässer zu einem Verbund gehört.
  • Sömmern dient der Dynamik in unserer statisch gewordenen Kulturlandschaft.
  • In Gebieten mit isoliert gelegenen Gewässern kommt eine Teilsömmerung in Betracht (nur teilweise Ablassen -> Schonung der Libellen- und Amphibienpopulationen, Teich- und Schlammbodenvegetation kann aufkommen, wo das Sediment freigelegt ist). Das Teilsömmern kann die limnologischen Verhältnisse verändern.

Literatur:

  • Baur, W., Trautmann, A., 2019. Renaturierung stehender Gewässer mt ökologischen Methoden, Problemlösungen für Tümpel, Teiche, Weiher und Seen, Anleitung zum konkreten Handeln. FUND, Stiftung Fischerei, Umwelt- und Naturschutz Deutschland.

Sicherheit

In der Broschüre «Temporäre Gewässer für gefährdete Amphibien schaffen - Leitfaden für die Praxis» steht zu «Sicherheit und Information» auf Seite 21 folgendes:
«Wenn Amphibiengewässer leicht zugänglich sind und dem Publikum offenstehen, muss das Unfallrisiko so weit wie möglich reduziert werden, insbesondere was Kinder betrifft. Bewährt hat sich eine Kombination aus Informationstafeln und Massnahmen zur Besucherlenkung wie Fusswege und Stege oder die Bepflanzung von Uferböschungen, die nicht betreten werden sollen. Anlagen in der Stadt oder in Wohnvierteln sollte man zusätzlich mit einem Zaun schützen. Zwischen Boden und Zaun muss eine Lücke von mindestens 10 cm offenbleiben, damit die Amphibien durchschlüpfen können.»

Von der Beratungsstelle für Unfallverhütung gibt es Tipps zur Sicherung von Kleingewässern und die «Fachdokumentation Gewässer».

Gefährdungen

Düngung, Eutrophierung, Verschmutzung

Wegen der geringen Grösse und des kleinen Wasservolumens reagieren Stillgewässer besonders empfindlich auf Verschmutzung. Diese stammt hauptsächlich aus dem Einzugsgebiet und i. d. R. erfolgt der Eintrag über das Wasser.

Verschmutzung wird verursacht durch Nährstoffe (v.a. Nitrat und Phosphat), Schwermetalle, organisches Material, Pestizide und andere komplexe Chemikalien, Öl. Der Nährstoffgehalt ist ein wesentlicher Faktor der ökologischen Qualität eines Kleingewässers. Verschmutzungsquellen sind:

  • Landwirtschaftliche intensiv genutzte Flächen (im Einzugsgebiet oder Zufuhr über Drainagen)
  • Meteorwasser aus Siedlungsgebieten
  • Strassenabwasser
  • Fliessgewässer
  • Fische (falls Bestand zu gross → Wassertrübung durch Wühlen am Grund, Fäkalien)
  • Wasservögel (v.a. siedlungsnah, wenn Fütterung stattfindet).

Verschmutzungshinweise sind z. B. übermässiges Wachstum von Fadenalgen, grüne Farbe des Wassers aufgrund übermässigen Planktonwachstums oder das Fehlen von untergetauchten Wasserpflanzen.

Rote Listen

Alle Lebensräume der Stillgewässer sind gefährdet! Die Armleuchteralgen und Amphibien als Beispiele von auf Stillgewässer angewiesene Artengruppen weisen hohe Gefährdungsgrade auf. Bei den Armleuchteralgen sind über 80 Prozent, bei den Amphibien über 75 Prozent gefährdet.

Praxisrelevante Wissenslücken

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Über die Stillgewässer ist viel zu wenig bekannt. Wie im Kanton Baselland sollten in der ganzen Schweiz Inventare erstellt werden. (Quelle: Pro Natura BL)
  • Kleine Stillgewässer sind oft vernachlässigte Lebensräume. Obwohl sie ökologisch so wertvoll sind, weiss man viel zu wenig über Qualität, Vorkommen, Nutzung und Biologie.
  • Biologische Untersuchungen erfolgen oft zu denselben Artengruppen, insbesondere Amphibien, Libellen und Pflanzen. Viele der zahlreichen anderen, oft artenreichen Artengruppen, werden vernachlässigt, z. B. Armleuchteralgen und Moose.
  • Es fehlen ein Wissensmanagement und ein Wissenstransfer zu Bau, Bautypen, Aufwertungen, Unterhalt, etc. So sind zum Beispiel Erfahrungen mit verschiedenen Abdichtungsverfahren zwar vorhanden, aber das Wissen dazu hauptsächlich personenbezogen.

Allgemeine praxisrelevante Links

  • European Pond Conservation Network (EPCN) (auf Englisch): Der EPCN bezweckt Schutz von Stillgewässern und ihrer Biodiversität in einer sich verändernden europäischen Landschaft. Es hat insbesondere Informationen zu Literatur und Projekten sowie viele Links.
  • Freshwater Habitats Trust (auf Englisch): Umfassende Webseite mit sehr vielen Informationen. Besonders erwähnenswert sind die Merkblätter zum Bau kleiner Stillgewässer.
  • Climares (auf Französisch): Die Webseite informiert und sensibilisiert zu den Folgen des Klimawandels in den Alpen und ruft zum Mitmachen auf, insbesondere zur Förderung und Anlage kleiner Stillgewässer.

Literaturempfehlungen

In Westeuropa wurden in den vergangenen 20 Jahren v. a. in Grossbritannien und im französischsprachigen Raum kleine Stillgewässer untersucht. Die dazu vorliegenden erstgenannten Publikationen sind sehr ausführlich und informativ. Umfangreichere Werke aus der Schweiz sind bereits älteren Datums. Eine ausgezeichnete Einführung in die Gewässerbiologie und die Organismen-Vielfalt liefert das Buch „Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher?“.

  • «The Pond Book, A Guide to the Management and Creation of Ponds», Pond Conservation, 2010 (auf Englisch): Sehr praxisbezogenes Werk mit vielen illustrativen Abbildungen und wertvollen Tipps und Hinweisen. Integriert das in Grossbritannien in den letzten Jahrzehnten bei Neuschaffung und Unterhalt von Stillgewässern gesammelte Wissen. Das Wichtigste daraus ist in diese Zusammenstellung eingeflossen. Sehr empfehlenswert. Auf der Website hat es weitere wertvolle Informationen. ISBN: 978-0-9537971-1-0.
  • «Mares et étangs, Ecologie, gestion, aménagement et valorisation», Oertli B. und Frossard P.-A., 2013 (auf Französisch): Im französischsprachigen Raum, v. a. in Genf und Lyon, werden seit Jahrzehnten kleine Stillgewässer erforscht. Das umfangreiche Wissen ist in diesem Grundlagenwerk zusammengefasst. Insbesondere das Kapitel zur Ökologie ist sehr informativ. Angaben zu Unterhalt und technischen Einrichtungen sind v. a. auf grössere Gewässer ausgerichtet. Das Wichtigste des Buches ist in diese Zusammenstellung eingeflossen. Sehr empfehlenswert. ISBN: 978-2-88074-963-7
  • «Temporäre Gewässer für gefährdete Amphibien schaffen - Leitfaden für die Praxis», Pro Natura 2014: Praktisches Handbuch zur Förderung seltener Amphibien mit Angaben zum Vorgehen und Bau von Kleinstgewässern, Gewässern durch Einstau, im Grundwasser und mit Abdichtungen. Konkrete Angaben zu Arbeitsschritten und Kosten. Empfehlenswert.
  • «Praxishilfe zur Aufwertung und Neuschaffung von Laichgewässern für Amphibien», Fachstelle Naturschutz Kt. ZH, 2009 (auf Deutsch): Im Kanton Zürich wurden bis Ende 2007 in 52 IANB-Objekten mehrere Dutzend neue Laichgewässer geschaffenen, regeneriert oder aufgewertete. Die Zusammenstellung zeigt den Erfolg der verschiedenen durchgeführten Massnahmen auf.
  • «Landschaftspflegekonzept Bayern, Stehende Kleingewässer», Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (Eds.), 1994. (auf Deutsch): Die Broschüre gibt einen umfassenden Überblick zum Wissen über die stehenden Kleingewässer, die Typologie und die Lebensräume und Arten. Es wird aufgezeigt, wie ein Entwicklungs- und Pflegekonzept erarbeitet werden kann und auf welche Grundsätze dabei zu achten. Bei der Pflege und Neuanlage bleibt das Werk (zu) allgemein. Obwohl bereits älter als 20 Jahre ist es ein empfehlenswertes Grundlagenwerk.
  • «Praktische Kleingewässerkunde», Glandt, D., 2006 (auf Deutsch): Das Buch liefert viele Grundlagen zur Ökologie, zur biologischen Vielfalt und zur Bedeutung von Kleingewässern für den Naturschutz. Hingegen ist der praktische Teil zur Pflege und zur Neuanlage zu wenig konkret bearbeitet. Es ist nur bedingt zu empfehlen, da es teilweise nicht auf dem aktuellsten Stand des Wissens aufbaut und für den praktischen Naturschutz zu wenig konkret ist. ISBN: 3-933066-28--X
  • «Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher?», Engelhardt W., 2015: Dieses Buch gibt eine gute Einführung in die Biologie und Ökologie der Gewässer und einen breiten Einblick in die Tier- und Pflanzenwelt mit den 400 darin vorgestellten Arten. Sehr empfehlenswert. ISBN: 978-3-440-14776-4.

Weitere Kapitel zu den Stillgewässern

Autoren

Text Verein biodivers info@biodivers.ch
Review Jan Ryser Pro Natura Bern
Hansruedi Wildermuth hansruedi@wildermuth.ch
Publikation Juni 2020